Drucksache 17 / 16 972 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 08. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. September 2015) und Antwort Nachfrage zur Anfrage Drs. 17/16748 zur Sicherheit der Berliner Trinkwasserversorgung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft Sachverhalte, die der Senat nicht alleine aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Berliner Wasserbetriebe (BWB) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Die BWB-Stellungnahme ist in die Beantwortung eingeflossen . Frage 1: Der Senat hat in der Antwort auf die Frage 2 der schriftliche Anfrage DS 17/16748 über eine vorsorgliche Reduzierung des Oberflächenwasseranteils im Reinwasser und die Außerbetriebnahme der Grundwasseranreicherungsanlagen des Wasserwerks Tegel ab April 2014 informiert. Wenn wie nach Senatsantwort in den letzten 10 Jahren ein ähnlicher Fall am Standort Tegel sowie in den anderen Wasserwerken nicht eingetreten ist, ist der Senat der Meinung, dass es sich hier um ein gravierendes Vorkommnis der Berliner Trinkwasserversorgung handelt ? Antwort zu 1: Die Reduzierung des Oberflächenwasseranteils im Reinwasser sowie die Außerbetriebnahme der Grundwasseranreicherung sind Maßnahmen, die aus Vorsorge getroffen wurden. Zu keinem Zeitpunkt bestand die Gefahr, dass die Berliner Bevölkerung nicht mit Trinkwasser in ausreichender Menge und guter Qualität versorgt werden konnte. Wir beurteilen es daher nicht als gravierendes Vorkommnis hinsichtlich der Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung. Frage 2: Was ist die eigentliche Ursache für die durch die BWB vorgenommene vorsorgliche Reduzierung des Oberflächenwasseranteils im Reinwasser und die Außerbetriebnahme der Grundwasseranreicherungsanlagen des Wasserwerks Tegel? Antwort zu 2: Der Oberflächenwasseranteil im Reinwasser des Wasserwerks Tegel wurde aufgrund von Spurenstoffbefunden (Gabapentin, Valsartansäure) sowie aufgrund des Nachweises von Perchlorat im Tegeler See, welches unberechtigt in die Kanalisation des Klärwerks Schönerlinde eingeleitet wurde, vorsorglich reduziert. Frage 2.1: Um welche Art von Beeinträchtigung (Schadstoffe inkl. Überschreitung zulässiger Konzentrationen im geförderten Rohwasser) handelte es sich bei dem Vorkommnis? Antwort zu 2.1: Die Stoffe Gabapentin und Valsartansäure sind Medikamentenrückstände, für die derzeit keine Grenzwerte existieren. Die durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) festgelegten Höchstkonzentrationen für das Reinwasser wurden zu keinem Zeitpunkt überschritten, wenn auch die Konzentrationen zeitweise im Bereich der gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) lagen. Für die Industriechemikalie Perchlorat wurde der vorläufige gesundheitliche Leitwert des Umweltbundesamts (UBA [2010]) von 5 µg/L vorübergehend in 2015 überschritten . Zu keinem Zeitpunkt traten jedoch im Reinwasser Konzentrationen über dem durch das LaGeSo festgelegten Maßnahmehöchstwert von 16 µg/L auf. Frage 2.2: Woher stammen die Schadstoffe, konnte die Einbringung z.B. über das Oberflächenwasser zurück verfolgt werden? Antwort zu 2.2: Die Einleitung in den Tegeler See erfolgte über die kommunale Abwasserentsorgung. Das Klärwerk (KW) Schönerlinde leitet gereinigtes Abwasser über die Oberflächenwasserbehandlungsanlage (OWA) Tegel in den Tegeler See ein. Gabapentin und Valsartansäure stammen aus breitangewendeten Arzneimitteln. Perchlorat gelangte durch eine unerlaubte Indirekteinleitung in die öffentliche Kanalisation. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 16 972 2 Frage 2.3: Konnte der Verursacher der Schadstoffbelastung als Einleiter ermittelt werden - wenn ja, lagen die erforderlichen Genehmigungen vor? Frage 2.4: Falls die Genehmigungen nicht vorlagen, welche Schritte hat die zuständige Behörde unternommen, wie ist der Status möglicher Verfahren? Antwort zu 2.3 und 2.4: In Bezug auf die unerlaubte Indirekteinleitung läuft ein Rechtsverfahren. Seitens der BWB wurde eine Strafanzeige gestellt. Frage 2.5: Inwieweit waren die Anlagen des Klärwerks Schönerlinde bzw. weitere Reinigungsanlagen involviert und waren die vorhandenen Reinigungstechnologien nicht in der Lage, die Schadstoffe zu eliminieren? Antwort zu 2.5: Das Klärwerk Schönerlinde ist nicht in der Lage, Perchlorat zu eliminieren. Frage 3: Inwieweit erwartet der Senat wie der Antwort zu Frage 3 der DS 17/16748 zu entnehmen zukünftig vermehrt Ausgleichsmaßnahmen in der Wasserförderung - infolge der zunehmenden Sulfatbelastung der Spree und Spurenstoffbelastung der Oberflächengewässer, zumal der Berliner Trinkwasserbedarf zu 70% aus Uferfiltrat und Grundwasseranreicherung und nur zu 30% aus natürlicher Grundwasserneubildung gedeckt werden kann? Antwort zu 3: Der Senat geht davon aus, dass die zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, dem LAGeSo und den Berliner Wasserbetrieben vereinbarten und umgesetzten Maßnahmen zur Verringerung der Spurenstoffkonzentrationen im Oberflächenwasser mittelfristig keine grundlegende Veränderung in der Verteilung der Rohwasserfördermengen gegenüber dem Wasserversorgungskonzept (WVK) 2040 nötig macht. Der möglichen Gefährdung der Wasserqualität am Standort Friedrichshagen durch Sulfat muss durch geeignete Maßnahmen in den Ländern Brandenburg und Sachsen entgegengewirkt werden. Frage 3.1: Welche Auswirkungen hat diese Veränderung der Fördermengen auf die umliegenden Wald- und Feuchtgebiete? Antwort zu 3.1: Aufgrund der unter 3. genannten Erwartungen gibt es keine relevanten Veränderungen der Fördermengen. Frage 3.2: Wie ist der Stand der Bewilligungsverfahren der Fördermengen der jeweiligen Wasserwerke? Antwort zu 3.2:  Wasserwerke (WWe) Kaulsdorf und Wuhlheide: Bewilligung erteilt seit Juni 2014  Wasserwerk (WW) Tegel: Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) Abgabe Juli 2015  WW Spandau: UVU Abgabe geplant Dezember 2015  WW Friedrichshagen: UVU Abgabe geplant März 2016  WWe Beelitzhof, Tiefwerder, Kladow: UVU Abgabe geplant August 2016 Frage 3.3: Hat Berlin einen Plan mit Obergrenzen der Fördermenge der jeweiligen Wasserwerke? Wenn nein, wann wird dieser erstellt? Wenn ja, bitte nennen Sie die Förderhöchstmengen und die tatsächlichen Mengen. Antwort zu 3.3: Die im WVK 2040 dokumentierten Antragsmengen entsprechen den Obergrenzen der Förderung der jeweiligen Wasserwerke bezüglich des Grundwasserdargebotes . Wasserwerk Rohwasserförderung 2014 (Mio m³/a) Beantragte / bewilligte Jahresfördermengen (Mio m³/a) Beelitzhof 34,7 35,0 Friedrichshagen 50,9 70,0 Kaulsdorf 6,3 7,8 Kladow 4,3 5,0 Spandau 29,4 35,1 Stolpe 21,6 27,0 Tegel 37,2 60,4 Tiefwerder 14,2 15,0 Wuhlheide 8,8 13,0 Frage 3.4: Plant der Senat eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die veränderten und oder geplanten Fördermengen ? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 3.4: Da sich nach derzeitigem Kenntnisstand keine Veränderungen gegenüber den beantragten Jahresfördermengen ergeben, sind keine zusätzlichen Umweltverträglichkeitsprüfungen geplant. Berlin, den 25. September 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Sep. 2015)