Drucksache 17 / 17 003 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 08. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. September 2015) und Antwort Verkehrsüberwachung und Ergebnisse in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage beinhaltet in einzelnen Fragen interpretationswürdige Begriffe bzw. Zielrichtungen. So wird z.B. nach Kontrollen bzw. Kontroll-Aktionen gefragt. Es wird davon ausgegangen, dass damit die Zahl der kontrollierten Radfahrerinnen und Radfahrer bzw. Kraftfahrzeuge gemeint ist. Des Weiteren wird im Zusammenhang mit den einzelnen Fragen zum Thema „Verkehrsüberwachung und Ergebnisse in Berlin“ nur der Rechtsbegriff „Vergehen“ (§ 12 Strafgesetzbuch) bzw. die Formulierung „Bußgelder aus Vergehen“ verwendet. In Bezug auf die Zielrichtung der Fragestellungen wird davon ausgegangen, dass nicht nach Straftaten, sondern tatsächlich nach Verkehrsordnungswidrigkeiten gefragt wird. Darüber hinaus wird der umgangssprachliche Begriff „aus dem Verkehr ziehen“ gebraucht. Im Kontext der Fragen wird der Begriff so gewertet, dass damit nur diejenigen Verkehrsordnungswidrigkeiten gemeint sind, die nach dem sofortigen Anhalten betroffener Fahrzeugführerinnen bzw. Fahrzeugführer zur Anzeige gebracht worden sind (so genannte Personenanzeigen). Hinsichtlich der Fragen zu durchschnittlichen Fallzahlen pro Monat wird mangels Bezugszeitraum in den Fragen das Jahr 2014 verwendet. 1. Wie schätzt der Senat das generelle Verhalten von Radfahrerinnen und Radfahrern im Berliner Verkehr ein – auch und gerade im Zusammenwirken mit Autofahrerinnen und Autofahrern sowie Fußgängerinnen und Fußgängern ? Zu 1.: Nach polizeilichen Beobachtungen verstößt ein erheblicher Teil der Radfahrerinnen und Radfahrer – auch wiederholt – gegen die einschlägigen Verkehrsvorschriften und setzt dadurch in Berlin bei gut 50 % aller polizeilich registrierten Verkehrsunfälle mit Radfahrerinnenbzw . Radfahrerbeteiligung selbst die Haupt- oder Mitursache . Unfallträchtig ist vor allem das „Durchschlängeln“ zwischen den z. B. in einem Stau wartenden oder langsam fahrenden Kraftfahrzeugen ohne ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstand sowie das unzulässige Befahren von Gehwegen bzw. Radwegen entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Besonders das Fahren auf Gehwegen führt immer wieder zu Konfliktsituationen mit Fußgängerinnen bzw. Fußgängern. Insbesondere ältere Menschen fühlen sich dort durch Radfahrende häufig regelrecht in der Gesundheit bedroht bzw. sind verängstigt. Darüber hinaus werden an Kreuzungen und Einmündungen im Stadtgebiet sehr häufig aus egoistischen Motiven das Rotlicht von Lichtzeichenanlagen und bei Dunkelheit in gefährlicher Sorglosigkeit die Beleuchtungsvorschriften ignoriert. Radfahrerinnen und Radfahrer sind im Großstadtverkehr jedoch gleichermaßen vielfältigen Gefahren und Behinderungen ausgesetzt, die aus dem Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer ihnen gegenüber resultieren. In besonderem Maße unfallrelevant ist beispielsweise das täglich zahlreich zu beobachtende fehlerhafte und unaufmerksame Abbiegeverhalten der Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer, die vor allem den Vorrang parallel geradeaus fahrender Radfahrerinnen und Radfahrer missachten . Konkrete Behinderungen und gefahrenträchtige Ausweichmanöver des Radverkehrs werden dadurch verursacht , dass Kraftfahrzeuge insbesondere in den Innenstadtbezirken in einer Vielzahl verbotswidrig auf Fahrradschutzstreifen und Radwegen geparkt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 003 2 2. Wie viele gezielte Kontrollen von Radfahrerinnen und Radfahren sowie Polizeistreifen finden in der Regel monatlich statt? Zu 2.: Im vergangenen Jahr wurden bei gezielten mobilen und stationären Überwachungseinsätzen insgesamt 30.511 Radfahrerinnen und Radfahrer kontrolliert. Die vielfältigen spontanen Kontrollaktivitäten der regulären Streifendienste bei erkanntem Fehlverhalten im fließenden Verkehr werden nicht gesondert erfasst und sind hier nicht berücksichtigt. Dies bedeutet rechnerisch ein monatliches Mittel von mindestens 2.543 kontrollierten Personen . Die Aussagekraft dieses Durchschnittswertes ist wegen der im Jahresverlauf saisonal sehr differenzierten Nutzung von Fahrrädern und der entsprechend angepassten Kontrollintensität jedoch begrenzt. 3. Wie viele gezielte Kontroll-Aktionen von Autofahrerinnen und Autofahrern finden in der Regel monatlich statt? Zu 3.: Im vergangenen Jahr wurden außerhalb regulärer Streifendienste monatlich durchschnittlich ca. 1.039 mobile und stationäre Verkehrskontrolleinsätze zur Überwachung von Kraftfahrzeugen im fließenden Verkehr durchgeführt. Der Einsatz von Radarfahrzeugen gilt nur dann als Verkehrskontrolle, wenn er mit dem sofortigen Anhalten von Betroffenen verbunden ist. 4. Wie viele Geschwindigkeitskontrollen von Autofahrerinnen und Autofahrern finden in der Regel monatlich statt? Zu 4.: Im vergangenen Jahr wurden unter Einsatz der vorhandenen Messtechnik monatlich durchschnittlich 1.080 Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. Stationäre Überwachungsanlagen, wie z. B. Blitzersäulen, sind hier nicht berücksichtigt. 5. Wo liegen die Schwerpunkte der Kontrollen in Berlin – hinsichtlich Örtlichkeiten und Art? Zu 5.: Die polizeiliche Verkehrsüberwachung konzentriert sich ganz vorrangig auf Maßnahmen zur gezielten Bekämpfung der Hauptunfallursachen im fließenden Verkehr. Grundlage der Einsatzplanung bilden stadtweite und örtliche Verkehrslagebilder. Die Auswahl von Kontrollorten zur Geschwindigkeitsüberwachung orientiert sich in entsprechender Reihenfolge an den nachfolgenden Kriterien: - Nach der Verkehrsunfallstatistik erkannte Unfallhäufungsstrecken , - besonders schutzwürdige Straßenbereiche im Umfeld von z. B. Schulen, Kindertagesstätten und Seniorenheimen , - Straßen in Wohngebieten, in denen gefährdende Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit feststellbar sind sowie - sonstige Strecken im Stadtgebiet, auf denen regelmäßig bedeutsame Überschreitungen registriert werden. 6. Wie viele Aktionen zur gezielten Aufklärung und Information von Radfahrerinnen und Radfahrern durch die Polizei fanden in den letzten drei Jahren statt? Zu 6.: Im Zeitraum 2012 bis 2014 wurden durch die Polizei Berlin insgesamt 672 Aktionen zur zielgerichteten Verkehrsunfallprävention von Radfahrerinnen und Radfahrern durchgeführt. Die bei Verkehrskontrollen regelmäßig mit Betroffenen geführten verkehrsaufklärerischen Gespräche – zum Teil unter begleitender Aushändigung von Informationsflyern – sind darin nicht berücksichtigt. 7. Wegen welcher Vergehen werden die meisten Radfahrerinnen und Radfahrer aus dem Verkehr gezogen und lässt sich eine durchschnittliche Fallzahl pro Monat beziffern oder umreißen? Zu 7.: Im vergangenen Jahr wurden durch die Polizei Berlin und Ordnungsämter insgesamt 31.091 Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeigen (ohne Bezug zu Verkehrsunfällen ) gegen Radfahrerinnen und Radfahrer gefertigt. Dies entspricht einem monatlichen Durchschnittswert von ca. 2.591 Anzeigen. Die Aussagekraft dieses Durchschnittswertes ist wegen der im Jahresverlauf saisonal sehr differenzierten Nutzung von Fahrrädern und der entsprechend angepassten Kontrollintensität jedoch begrenzt . Vorrangig wurden Verstöße wegen Rotlichtmissachtung , des Befahrens von Gehwegen, der verbotenen Nutzung von Mobiltelefonen und technischer Mängel der Fahrräder zur Anzeige gebracht. 8. Wegen welcher Vergehen werden die meisten Autofahrerinnen und Autofahrer aus dem Verkehr gezogen und lässt sich eine durchschnittliche Fallzahl pro Monat beziffern oder umreißen? Zu 8.: Im vergangenen Jahr wurden durch die Polizei Berlin und Ordnungsämter insgesamt 159.900 Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeigen (ohne Bezug zu Verkehrsunfällen ) gegen Kraftfahrerinnen und Kraftfahrer gefertigt , dies entspricht einem monatlichen Durchschnittswert von ca. 13.325 Personenanzeigen. Vorrangig wurden Geschwindigkeitsverstöße, Verstöße gegen Halt- und Parkvorschriften, wegen Missachtung der Gurtpflicht und der verbotenen Nutzung von Mobiltelefonen sowie Rotlichtmissachtung zur Anzeige gebracht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 003 3 9. In welcher Höhe wurden in den letzten drei Jahren Bußgelder aus Vergehen von Radfahrerinnen und Radfahrern eingenommen? Zu 9.: Radfahrerinnen und Radfahrer werden ganz überwiegend mit Verwarnungsgeldern und nicht mit Bußgeldern belegt und Vergehen (Straftaten) durch Radfahrerinnen bzw. Radfahrer werden nur in relativ seltenen Ausnahmefällen registriert. Vor diesem Hintergrund und aufgrund datenschutzrechtlicher Löschfristen bei der Bußgeldstelle, die eine Recherche nur für die vergangenen 14 Monate zulässt, wird die Frage wie folgt beantwortet : Im Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 resultierten aus 30.730 Verkehrsordnungswidrigkeitenanzeigen Verwarnungs- und Bußgelder in einer Höhe von insgesamt 1.985.114 €. 10. In welcher Höhe wurden in den letzten drei Jahren Bußgelder aus Vergehen von Autofahrerinnen und Autofahrer eingenommen? Zu 10.: Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Im Zeitraum vom 1. September 2014 bis zum 31. August 2015 resultierten aus 3.836.547 Verkehrsordnungswidrigkeiten -anzeigen Verwarnungs- und Bußgelder in einer Höhe von insgesamt 74.349.987 €. 11. Wie bewertet der Senat den letzten „Blitzermarathon “ hinsichtlich Verwendung von Einsatzkräften und Ergebnissen? Zu 11.: Der „3. Bundesweite Blitzmarathon“ war sowohl hinsichtlich der medialen Aufbereitung als auch daraus resultierend für die Verkehrssicherheit ein Erfolg. Das Ziel, neben der tatsächlichen Entschleunigung des Kraftfahrzeugverkehrs die Öffentlichkeit für die Gefahren überhöhter Geschwindigkeiten und die Notwendigkeit polizeilicher Überwachung gezielt und stärker als bei sonstigen Schwerpunktaktionen sensibilisieren zu können, ist erreicht worden. 12. Wie schätzt der Senat die Wirkung der Durchführung von Verkehrskontrollen bei Rad- und Autofahrerinnen und -fahrern bezüglich eines Rückgangs der Unfallzahlen ein? Zu 12.: Mehr als 90 % aller Verkehrsunfälle resultieren aus dem Verstoß gegen geltende Verkehrsvorschriften . Insofern ist es zwingend notwendig, durch eine möglichst effiziente, kontinuierliche und flächendeckende Verkehrsüberwachung auf das regelkonforme Verhalten aller Verkehrsteilnehmenden einzuwirken. Verkehrskontrollen als Maßnahme der Verkehrsüberwachung entfalten ihre Wirkung durch das Wissen der Verkehrsteilnehmenden über das Risiko, dass zu jeder Zeit, an jedem Ort, mit erkennbarer oder verdeckter polizeilicher Kontrolle zu rechnen ist. Es ist vor allem die subjektiv empfundene permanente Befürchtung vor Entdeckung und Sanktionierung , die entscheidenden Einfluss auf die allgemeine Verkehrsdisziplin nimmt und in diesem Sinne auch wesentlich zur Verkehrsunfallbekämpfung beiträgt. Auch wenn im Rahmen der polizeilichen Verkehrssicherheitsarbeit eine stärkere Verkehrsüberwachung wünschenswert wäre, lässt sich dies insbesondere vor dem Hintergrund der stetig zunehmenden vielfältigen Einsatzerfordernisse außerhalb der Verkehrsüberwachung nicht durchgängig realisieren. Berlin, den 30. September 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Okt. 2015)