Drucksache 17 / 17 012 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Regina Kittler und Hakan Taş (LINKE) vom 15. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. September 2015) und Antwort Aktivitäten der Berliner Polizei an Schulen (III): Inhalte und Konzepte Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Inhalte werden den Schüler*innen in den unterschiedlichen „themenbezogenen Informationsveranstaltungen “ (TIV) der Berliner Polizei an Schulen vermittelt ? Zu 1.: In den Berliner Schulen werden die Inhalte der nachfolgenden TIV vermittelt: TIV „Messer machen Mörder – Prävention von Messer-Gewaltkonflikten“ Die Mitarbeitenden der Berliner Mordkommissionen sehen sich im Rahmen ihrer komplexen Tätigkeit auch mit Gewaltkonflikten junger Menschen konfrontiert, die aufgrund des Einsatzes eines Messers zu lebensbedrohlichen Verletzungen oder gar zum Tod junger Menschen führen können. Die leidvolle Erfahrung, dass ohne ein mitgeführtes Messer diese erschütternden Tatfolgen ausblieben , führte zu dem Wunsch, der Schülerschaft deutlich zu machen, dass ein eingesetztes Messer den Gewaltkonflikt auf ein Niveau hebt, bei dem es (nur noch) um Leben und Tod geht. Es soll die Botschaft vermittelt werden : Ihr braucht kein Messer – Messer machen Mörder! („Ein Messer kann keine Schutzbewaffnung sein, denn auch die Gegenseite zieht ihre Waffen“). Daher wurde vom Landeskriminalamt unter Hinzuziehung verschiedener Präventionsdienststellen eine für Präventionsbeauftragte (PrävBA) durchzuführende „Themenbezogene Informationsveranstaltung (TIV)“ für Oberschülerinnen und Oberschüler von Berliner Schulen als Ergänzung für den schulischen Unterricht zur bereits sehr häufig dort durchgeführten Anti-GewaltVeranstaltung (AGV) entwickelt. Hier sollen gerade die Schülerinnen und Schüler, die das Messer aus Gründen der Selbstbehauptung tragen, darin bestärkt werden, bewusst auf das Mitführen eines Messers zu verzichten, da sie nicht nur einem Menschen lebensbedrohliche Verletzungen zufügen oder ihn sogar töten könnten, sondern auch die Gefahr, selbst dabei verletzt oder getötet zu werden, extrem erhöhen. Ferner werden den Schülerinnen und Schülern Verhaltensprinzipien in Rollenspielen dargestellt, um für hocheskalierte Messer -Gewaltkonflikte gefährdungsarme Handlungsoptionen anbieten zu können: TIV „Wissen und Bildung als Schutzfaktor gegen Rechtsextremismus“ Im Jahr 2007 wurde das Präventionsprojekt "Wissen und Bildung als Schutzfaktor gegen Rechtsextremismus" für Präventionsbeauftragte der Polizei Berlin umgesetzt. Die Grundidee, gegen rechtsextremistische Nachwuchsgewinnung vorzugehen, war die Aufklärung über das Phänomen Rechtsextremismus, um die Meinungen und Handlungen der Jugendlichen zu reflektieren und frühzeitig sowie angemessen auf derartige Orientierungen zu reagieren, damit eine Nachwuchsgewinnung für rechtsextremistische Gesinnung verhindert wird. Ziel ist es, eine bessere Vernetzung von Schule und Polizei einschließlich kurzer Meldewege für "Auffälligkeiten" zu erreichen, die zu einem Frühwarnsystem führt. Das Präventionsprojekt "Wissen und Bildung als Schutzfaktor gegen Rechtsextremismus" ist eine TIV für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe 1 zum Thema rechtsextremistische Nachwuchsgewinnung. In zwei Unterrichtsstunden werden mit den Klassenstufen 7 bis 10 Begriffe und Merkmale des Rechtsextremismus , aktuelle Erscheinungsformen nazistischen Gedankenguts und der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung erarbeitet, vorgestellt und erläutert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 012 2 Anhand verbotener Zeichen, Kennzeichen und Organisationen werden die entsprechenden Straftaten vorgestellt und erläutert. Durch die Präventionsbeauftragten der Polizeiabschnitte erhalten die Schülerinnen und Schüler in dieser Veranstaltung Handlungsempfehlungen, wie sie sich beim Versuch rechtsextremistischer Nachwuchsgewinnung verhalten können. TIV „1. Mai“ Zur Gewaltprävention im Rahmen des „AHAKonzepts “ für den 1. Mai werden jährlich TIV stadtweit in Schulen durchgeführt. Die TIV zur Vorbereitung auf den 1. Mai für Jugendliche dauert bis zu zwei Schulstunden (45 oder 90 Minuten). In 45 Minuten lässt sich Grundsätzliches vermitteln, in 90 Minuten sind auch weitergehende Diskussionen möglich. Die TIV kann als selbständige Einheit oder auch im Anschluss an eine AGV durchgeführt werden. Wie bei den AGVen ist es schon aufgrund der Gruppengröße sinnvoll, die TIV grundsätzlich mit zwei Mitarbeitenden durchzuführen. Die Veranstaltung soll auf das Alter und das intellektuelle Niveau der Klassenstufe sowie auf mögliche Vorkenntnisse abgestimmt werden. Folgende Themen sind in der TIV „1. Mai“ zu behandeln : - 1. Mai, geschichtlicher Hintergrund - Versammlungsrechtliche Grundlagen - Rolle der Polizei bei Versammlungen - Kommunikationsteams. TIV zur Drogenprävention Ziel der polizeilichen Drogenprävention ist es, die Nachfrage nach illegalen Betäubungsmitteln einzudämmen und potenzielle Konsumentinnen bzw. Konsumenten durch eine rechtliche Aufklärung und Information über mögliche Folgen der Einnahme vom Drogenkonsum abzuhalten. Im Mai 2007 wurde innerhalb der Polizei Berlin das Konzept zur Drogenprävention verabschiedet, welches bis zum heutigen Tage seine Gültigkeit hat und die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität präventiv ergänzt bzw. unterstützt. Die Drogenprävention wird innerhalb der Polizei Berlin primär im Rahmen von TIV in Schulen betrieben. Diese werden auf Anfrage interessierter Schulen bei den zuständigen Polizeiabschnitten durch die PrävBA durchgeführt und richten sich an Schülerinnen und Schüler ab der Klassenstufe 8. Sie umfassen hauptsächlich die rechtliche Komponente der Drogenthematik. Es werden in diesem Rahmen keine Betäubungsmittel vorgestellt oder erörtert. Die Veranstaltung stellt eine rechtliche Aufklärung dar. Als Rahmenbedingung für diese TIV gilt u. a., dass eine Vor- und Nachbereitung durch die Lehrkraft erfolgen muss. 2. Wer ist verantwortlich für die Zusammenstellung der Inhalte der unterschiedlichen TIV? Zu 2.: Die Inhalte der TIV werden von den Fachdienststellen der Polizei Berlin entwickelt und mit der Zentralstelle für Prävention beim Landeskriminalamt (LKA Präv) eng abgestimmt. Abschließend ergeht ein Votum seitens LKA Präv und eine Kenntnisgabe der Polizei Berlin. 3. Wie, von wem und wann sind die Inhalte der unterschiedlichen TIV jeweils erarbeitet worden? Zu 3.: TIV Messer machen Mörder: Im Rahmen einer im Spätsommer 2011 gegründeten Projektgruppe wurde auf Grundlage der Gewaltforschung und des polizeilichen Erfahrungswissens sukzessive ein Konzeptentwurf erstellt. Der Projektgruppe gehörten erfahrene Dienstkräfte der Mordkommission und Präventionsakteurinnen bzw. Präventionsakteure der Polizei Berlin an. Konzeptpassagen - insbesondere mit Augenmerk auf Methodik und Didaktik - wurden der Lehrerschaft vorgelegt. TIV „Wissen und Bildung als Schutzfaktor gegen Rechtsextremismus“ Auf Grundlage der Vorarbeit der durch die Polizei Berlin einberufenen Arbeitsgruppe „AG Weiche“, die ein Präventionskonzept für Rekrutierungsversuche zur Nachwuchsgewinnung für rechtsextremistische Organisationen vorbereiten sollte, wurden 2007 die Inhalte durch LKA Präv 2 (delikts- und verhaltensorientierte Prävention) in Abstimmung mit der Landespolizeischule Verhaltenstraining und Politische Bildung abschließend erarbeitet. Die „AG Weiche“ bestand aus Mitarbeitenden der Abteilung Staatsschutz und verschiedenen Präventionsbereichen der Polizei Berlin. Mit Hilfe der Metaplan-Technik wurde von der „AG Weiche“ ein Maßnahmenplan entwickelt . Daraus wurden die TIV entwickelt. TIV 1. Mai Ursprung der TIV „1. Mai“ ist ein Konzept aus dem Jahre 2002, das frühzeitige deeskalierende Komponenten durch die Polizei Berlin vorsah. Dazu wurden berlinweit verschiedenste Schulungsprogramme entwickelt, die verschiedenen Schulen, insbesondere in den relevanten Bereichen Kreuzberg, Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Mitte angeboten wurden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 012 3 TIV Drogenprävention Im Mai 2007 wurde von LKA Präv 2 bei der Zentralstelle für Prävention beim LKA ein Drogenpräventionskonzept entwickelt, dessen Bestandteil auch die betreffende TIV war. Es wurden die Präventionsbeauftragten der Direktionen durch alternierende Sitzungen inhaltlich einbezogen. Die Inhalte leiteten sich aus der Aufgabe der Polizei und den Strafbarkeiten des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) ab. TIV Internetkriminalität Die Ansprechpartnerin für Medienkompetenz bei LKA Präv hält im Rahmen ihrer Netzwerkarbeit regelmäßigen Kontakt zu den im Bereich „Cybercrime“ ermittelnden Fachdienststellen. Über neue Entwicklungen und Phänomene informiert sie die Präventionsbeauftragten der Abschnitte, die auf dieser Grundlage entsprechende TIV in den Schulen ihres Zuständigkeitsbereichs anbieten. 4. Welche pädagogischen oder sonstigen spezifischen Qualifikationen für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen haben die eingesetzten Beamt*innen der Berliner Polizei vor ihrem Einsatz an Schulen erworben? Von wem und nach welchen Kriterien werden diese Qualifikationen den Beamt*innen vermittelt? Zu 4.: Die Mitarbeitenden aus den Präventionsbereichen der Polizei Berlin erhalten eine zusätzliche 4- wöchige Basisqualifikation von den Verhaltenstrainerinnen und Verhaltenstrainern der Landespolizeischule. Diese Qualifikation beinhaltet insbesondere pädagogische sowie methodisch-didaktische Grundsätze der Unterrichtsgestaltung und Präsentationstechniken. 5. Sind die Inhalte mit Schulleitung, Lehrkörper, Eltern bzw. Schüler*innen vorab bzw. im Verlauf der Veranstaltungen jeweils abgestimmt worden? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? Zu 5.: Grundsätzlich ist die Schule durch Vor- und Nachbereitung sowie durch die aktive Begleitung der Veranstaltungen einbezogen. Das ist auch bei der AGV Bedingung und überträgt sich somit auch auf die TIV. In aller Regel erfolgt die Durchführung einer TIV bedarfsorientiert , so dass das Thema in der Schule ohnehin schon vorab erörtert wurde. Diese Abstimmung mit dem Schulpersonal und ggf. mit den Eltern (insbesondere bei der Drogenprävention durch Elternabende) ist in den Konzepten geregelt. 6. Werden die Inhalte der unterschiedlichen TIV aktualisiert ? Wie viele Aktualisierungen hat es seit Bestehen der jeweiligen TIV-Konzepte gegeben? Wer nimmt nach welchen Kriterien diese Aktualisierungen vor? Zu 6.: Die bestehenden Konzepte der TIV werden grundsätzlich anlassabhängig aktualisiert. Bislang bestand bei den aktuellen TIV keine Notwendigkeit für eine grundlegende Überarbeitung. Einzelne Inhalte werden aber selbstverständlich aktuell gehalten und anlassabhängig angepasst. 7. Wurden die unterschiedlichen TIV der Berliner Polizei seit Bestehen jeweils evaluiert? Wenn ja, von wem und mit welchen Ergebnissen? Wie sind die Ergebnisse in die Arbeit der Berliner Polizei eingeflossen? Zu 7.: Die unterschiedlichen TIV der Polizei Berlin wurden bislang noch nicht abschließend evaluiert. Gegenwärtig wird die TIV „Messer machen Mörder“ von der Institution „Univation“ (Institut für Evaluation) im Auftrag der Arbeitsstelle Jugendgewaltprävention (Camino e.V.) evaluiert. Mit ersten Ergebnissen der Evaluation wird nach dem 30. April 2016 gerechnet. Polizeilich wird diese Evaluation vom LKA 1, Delikte am Menschen, begleitet, da dort die Ursprünge dieser TIV liegen. 8. Sind aktuell Neustrukturierungen von „themenbezogenen Informationsveranstaltungen“ vorgesehen, etwa im Themenbereich „Rechtsextremismus“? Wenn ja, inwiefern ? Wenn nein, warum nicht? Zu 8.: Es wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen 9. Welche Zusammenarbeit gibt es seitens der Polizei mit den Außenstellen der Senatsbildungsverwaltung in den Bezirken sowie den Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus , Rassismus und Antisemitismus, um auf aktuelle rechtsextreme Vorfälle vor Ort reagieren zu können ? Zu 9.: Das LKA 53 ist zuständig für Delikte politisch motivierter Kriminalität (Rechts) und insofern auch phänomenverantwortlich . Die Zusammenarbeit des LKA 53 erstreckt sich u. a. auf die Mitwirkung an Netzwerkgremien , wie z. B. dem Berliner Beratungsnetzwerk, einem zentralen Vernetzungsinstrument der Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus. Die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung koordiniert dieses Beratungsnetzwerk. Berlin, den 01. Oktober 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Okt. 2015)