Drucksache 17 / 17 014 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 15. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. September 2015) und Antwort Nimmt Berlin die Kohle hin oder engagiert sich der Senat endlich für sauberes Wasser und Klimaschutz für die BerlinerInnen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche weiteren Schritte wird der Regierende Bürgermeister Michael Müller gehen, nachdem er bei der gemeinsamen Landesplanungskonferenz Berlin-Brandenburg in der Braunkohlefrage gescheitert ist? Antwort zu 1: Das Land Berlin ist in der gemeinsamen Landesplanungskonferenz der Länder Berlin und Brandenburg am 09.09.2015 nicht gescheitert. Berlin konnte seine Grundauffassung zur Energie- und Klimaschutzpolitik darlegen. Frage 2: Wird sich der Senat einsetzen, die Sulfatfrachten an den Einleitstellen durch den Verursacher (zum größten Teil Vattenfall bzw. bei Verkauf der Sparte der neue Eigentümer) begrenzen zu lassen? Frage 2.1: Wenn ja, wo und wann wird er sich dafür einsetzen? Frage 2.2: Wenn nein, warum nicht und was will der Senat gegen die steigenden Sulfatwerte unternehmen? Antwort zu 2, 2.1 und 2.2: Das Land Berlin wird sich dafür einsetzen, die Bewirtschaftungsgrundsätze mit den zugehörigen Maßnahmen zur Sicherung der Berliner Trinkwasserversorgung bedarfsgerecht fortzuschreiben und verbindlich festlegen zu lassen. Zudem ist das Thema Gegenstand von Konsultationen zwischen den zuständigen Staatssekretären der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt des Landes Berlin und des Ministeriums für Wirtschaft und Energie des Landes Brandenburg im November 2015. Eingebunden in die Gespräche sind die Bergbauunternehmen. Angestrebt wird außerdem die Einbeziehung der zuständigen sächsischen Ministerien. Frage 3: Wird sich der Senat gegen eine Öffnung des neuen Tagebau Welzow II in Brandenburg einsetzen? Frage 3.1: Wenn ja, wo und wann? Frage 3.2: Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 3, 3.1 und 3.2: Das Land Berlin hat sich auf der 13. Sitzung der gemeinsamen Landesplanungskonferenz der Länder Berlin und Brandenburg kritisch zur Öffnung des neuen Tagebaus Welzow II in Brandenburg geäußert. Die Vertreterinnen und Vertreter des Landes Berlin stellten insbesondere die Vereinbarkeit der angestrebten weiteren Braunkohlenutzung mit den Klimaschutzzielen sowie die energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Nutzung dieses immissionsintensiven Energieträgers in Frage. Frage 4: Welche Rolle spielt Sachsen bei der Reduzierung der Sulfatfracht in der Spree? Antwort zu 4: Der überwiegende Anteil der Sulfateinträge stammt aus dem aktiven Bergbau im Land Sachsen. Frage 4.1: Warum wurde das Strategiepapier zur Beherrschung bergbaubedingter Stoffbelastungen in den Fließgewässern Spree, Schwarze Elster u. Lausitzer Neiße von 2009, welches den aktiven Bergbau als größten Einleiter von Sulfat in die Spree (nach Angaben des verursachenden Unternehmens Vattenfall zu ca. 75%) feststellte, weder von Sachsen noch vom Bund mitunterzeichnet? Antwort zu 4.1: Dazu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Frage 4.2: Was bedeutet diese Nicht-Unterzeichnung für die Strategie der Sulfatreduktion? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 014 2 Antwort zu 4.2: Die Frage kann so nicht beantwortet werden, im Übrigen s. Antwort zu 2. Das Land Sachsen beteiligt sich aktiv in der Arbeitsgruppe Flussgebietsbewirtschaftung Spree-Schwarze Elster bei der Suche nach effektiven Maßnahmen zum Sulfatmanagement. Frage 4.3: Welche Schritte unternimmt der Senat, um das Land Sachsen zur Sulfatreduktion zu animieren? Antwort zu 4.3: Das Land Berlin vertritt als Mitglied der Arbeitsgruppe Flussgebietsbewirtschaftung SpreeSchwarze Elster kontinuierlich die Berliner Interessen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung und macht gegenüber den Ländern Brandenburg und Sachsen die Notwendigkeit zur Reduzierung der Sulfateinträge in die Spree deutlich. Siehe auch Antwort zu Frage 2. Frage 4.4: Welche Erkenntnisse hat der Senat bzgl. der Haltung des Landes Sachsen zu dieser Problematik, zumal der Hauptteil der Sulfateinleitungen in die Spree aus dem sächsischen Bergbau kommt (siehe SO4- Messwerte Messpunkt Spremberg-Wilhelmsthal)? Antwort zu 4.4: Das Land Sachsen erkennt an, dass der Hauptteil der Sulfatbelastung aus dem sächsischen Bergbau stammt. Es unterstützt Maßnahmen der Vattenfall Europe Mining AG (VEM) zur partiellen Überleitung von Sulfatfrachten aus der Grubenwasserbehandlungsanlage Tzschelln (Tagebau Nochten) in das Einzugsgebiet der Neiße. Frage 4.5: Gab oder gibt es Verhandlungen dazu zwischen dem Senat und der Landesregierung Sachsen – zumal der Senat mit der Landesregierung Brandenburg weiter im Gespräch bzgl. notwendiger Maßnahmen zur Beeinflussung bergbaulicher Stofffrachten und zur Einhaltung vereinbarten Zielwerte für Sulfat im Spreewasser (Immissionsziele für ausgewählte Messstellen, siehe auch Arbeitsprogramm 2014 vom LUGV, MUGV, LMBV, VEM zum Strategiepapier) ist? Antwort zu 4.5: Siehe Antworten zu den Fragen 2 und 4.3. Frage 5: Gibt es Pläne die Sulfat-Zielwerte in der Spree runterzusetzen? Antwort zu 5: Im Rahmen der Fortschreibung der Prognose soll überprüft werden, ob zur Sicherung von Nutzerinteressen die vereinbarten Zielwerte angepasst werden müssen. Frage 5.1: Inwieweit gibt es angesichts der immer häufiger auftretenden Überschreitungen Bestrebungen – und wenn ja von welcher Seite -, die vereinbarten Zielwerte für Sulfat im Spreewasser z.B. am für Berlin maßgeblichen Pegel Leibsch von 300 mg/l zu erhöhen (in 2014 lagen diese Werte z.B., zwischen Mai und Juli immer deutlich über 400 mg/l)? Frage 5.2: Welche Folgen hätte das für Berlin (hier liegt der Zielwert für das Pegel Rahnsdorf/Müggelspree z.Z. bei 220mg/l und wird teilweise überschritten) und die Gewinnung von Trinkwasser aus Uferfiltrat (der Sulfatgrenzwert liegt lt. Trinkwasser-VO bei 250mg/l)? Antwort zu 5.1 und 5.2: Es gibt keine Bestrebungen, die vereinbarten Zielwerte für Sulfat zu erhöhen. Frage 6: Inwieweit stellt die Versickerung von stark sulfathaltigem Grubenwasser in der Landschaft – so wie von Vattenfall bei der Ortsbesichtigung mehrerer Parlamentsausschüsse am 24.06.15 am Tagebau Welzow-Süd GWBA „Am Weinberg“ vorgeführt – ca. 70% versickern, 30% gehen über Vorfluter in die Spree – eine Alternative dar, wenn diese Abwässer das Grundwasser erreichen und nach längeren Zeiträumen wieder aus diffusen Quellen die Spree speisen? Frage 6.1: Wer würde in diesem Fall für die Folgekosten der Sulfateliminierung aufkommen? Antwort zu 6 und 6.1: Die Versickerung von stark sulfathaltigem Grubenwasser stellt keine Alternative zu direkt entlastenden Maßnahmen dar. Sie entfaltet höchstens kurzfristige Wirkung. Frage 7: Sind dem Senat die Antworten der Landesregierung Brandenburg vom 21.04.2015 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Heide Schinowsky und Benjamin Raschke (DS 6/1500) bekannt, insbesondere zu den Auflage-Möglichkeiten zum wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid für das Bergbauunternehmen bei schädlichen Gewässerveränderungen, zu den Sulfateinträgen aus Sachsen, der Versickerung von sulfatreichem Abwasser und den festgelegten Immissionszielen? Frage 7.1: Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus der Antwort zur dort gestellten Frage 11, dass „die Verantwortung zum Erreichen der Zielwerte allen Mitgliedern der AG Flussbewirtschaftung (hier sind übrigens auch 2 sächsische Behörden und 1 Ministerium aus Sachsen vertreten) obliegt“? Antwort zu 7 und 7.1: Dem Senat sind die Antworten auf die o.g. Kleine Anfrage bekannt. Grundsätzlich teilt der Senat die Auffassung, dass alle Akteurinnen und Akteure in der Lausitz an der Einhaltung der Zielwerte zu beteiligen sind. Jedoch sieht der Berliner Senat bei den Bergbauunternehmen aufgrund der hohen Sulfateinträge insbesondere des aktiven Bergbaus eine besondere Verantwortung bei der Einhaltung der SulfatZielwerte . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 014 3 Frage 8: Mit welchen Kosten ist aufgrund der steigenden Sulfatfracht in der Spree in der Zukunft zu rechnen? Frage 8.1: Von welchen zusätzlichen Aufwendungen seitens der Berliner Wasserbetriebe (Versorgung mit Trinkwasser) zur Einhaltung des Sulfat-Grenzwertes von 250 mg/l ist mittelfristig (in den nächsten 5 Jahren) und längerfristig (5 – 15 Jahren) auszugehen, wenn die Tendenz der steigenden Sulfatfrachten in der Spree anhält und die Abwehrmaßnahmen in Brandenburg bzw. Sachsen keine Wirkung zeigen (bitte auch die Kosten angeben )? Antwort zu 8.1: Die Berliner Wasserbetriebe gehen weiter davon aus, dass keine zusätzlichen Aufbereitungsschritte notwendig werden, um den Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 250 mg/l in allen Wasserwerken einzuhalten. Im Rahmen der Vorsorge werden Verfahrensvarianten untersucht, mit denen eine Sulfattrennung aus dem Trinkwasser möglich wäre. Die Kosten für eine solche zusätzliche Aufbereitungsstufe werden mit 20 bis 50 Cent pro Kubikmeter aufbereitetem Wasser abgeschätzt . Frage 8.2: Ist dabei auch die Verschneidung mit Rohwasser aus anderen Wasserwerken vorgesehen und wenn ja, zu welchen weiteren Problemen (auch hinsichtlich Energieverbrauch, Naturschutz) würde das führen? Antwort zu 8.2: Eine Verschneidung mit Rohwasser aus anderen Wasserwerken ist gegenwärtig nicht vorgesehen . Frage 8.3: Welche Erkenntnisse hat der Senat über notwendige Schutzmaßnahmen und Kosten dafür, die den Berliner Wasserbetrieben schon jetzt und auch zukünftig infolge der erhöhten Betonkorrosion und anderen Materialschäden entstehen, die auf zunehmende Beaufschlagung durch das aus den Sulfatfrachten im Abwasser sich bildende Gas H2S zurückzuführen sind? Antwort zu 8.3: Eine eindeutige Zuordnung der Maßnahmen und Kosten infolge Betonkorrosion und anderer Materialschäden zu der zusätzlichen Beaufschlagung des Trink- und Abwassers mit Sulfat aus der Spree ist bisher nicht möglich. In der Literatur werden unterschiedliche Abhängigkeiten der biogenen Schwefelsäurekorrosion von der Sulfatkonzentration angegeben. Außerdem wirken weiter Faktoren auf den Prozess der Sulfidbildung ein. Fest steht jedoch, dass eine Erhöhung der Sulfatfracht zu einem erhöhten Korrosionspotenzial und einer zunehmenden Geruchsbildung im Abwasserkanal führt. Um systematisch die Ursachen zu bestimmen und gezielt Gegenmaßnahmen zu ergreifen, haben die Berliner Wasserbetriebe eine Strategie zum Geruchs- und Korrosionsmanagement etabliert. Gezielt werden im Abwasserkanal Schwerpunkte selektiert und Maßnahmen ergriffen, die Geruch und Korrosion im Abwasserkanal am Ort der Entstehung vermindern. Frage 8.4: Wie entwickelten sich diese Kosten seit 2012 (bitte für jedes Jahr angeben) und wie sieht die Planung für die Folgejahre bis 2018 aus? Antwort zu 8.4: Da die Instandhaltungskosten und Investitionen nicht eindeutig der Sulfatbelastung in der Spree zugeordnet werden können, ist eine Aussage zu den Kosten nicht möglich. Frage 9: Inwieweit werden sich diese zusätzlichen Aufwendungen bzw. Schutzmaßnahmen auf die zukünftigen Trinkwasser- bzw. Abwasserentgelte in Berlin auswirken ? Antwort zu 9: Die Berliner Wasserbetriebe gehen weiter davon aus, dass keine zusätzlichen Aufbereitungsschritte notwendig werden, um den Grenzwert der Trinkwasserverordnung von 250 mg/l in allen Wasserwerken einzuhalten. Da die Instandhaltungskosten und Investitionen in Folge Betonkorrosion nicht eindeutig der Sulfatbelastung in der Spree zugeordnet werden können, ist eine Aussage zu den Auswirkungen auf die zukünftigen Abwasserentgelte nicht möglich. Frage 10: Wie sind die Haftungsfragen gegenüber den Braunkohle-Bergbauunternehmen als Einleiter geregelt? Inwieweit müssen diese entsprechend ausreichende Rückstellungen zur Bekämpfung der Folgeschäden infolge der Sulfateinleitungen vornehmen, und wenn ja, wie hoch sind diese? Frage 11: Wenn nein, inwieweit geht der Senat davon aus, dass die Bergbauunternehmen als Verursacher der Gewässerbeeinträchtigung zum Ersatz der daraus entstandenen Schäden entsprechend Wasserhaushaltsgesetz zivilrechtlich z.B. durch die Berliner Wasserbetriebe verpflichtet werden können? Antwort zu 10 und 11: Haftungsrechtlich relevante Inhalte können sich einerseits aus vertraglichen Vereinbarungen der Länder Sachsen und Brandenburg mit dem Betreiber der Tagebaue in der Lausitz Vattenfall Europe Mining AG (VEM) sowie aus den Festlegungen der ordnungsbehördlichen Zulassungsbescheide, insbesondere der wasserrechtlichen Einleitungserlaubnisse, der genannten Bundesländer ergeben. Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Darüber hinaus gibt es gesetzliche Haftungstatbestände nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG). § 89 WHG regelt eine auf dem Grundsatz der Gefährdungshaftung beruhende Schadensersatzpflicht eines Einleiters von Stoffen in ein Gewässer bzw. eines Betreibers einer Anlage gegenüber einem anderen, unter der Voraussetzung, dass der andere durch eine Änderung der Wasserbeschaffenheit , die der Einleiter von Stoffen bzw. Anlagenbetreiber verursacht hat, einen Schaden erlitten hat. § 90 WHG, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 014 4 der in Verbindung mit dem Umweltschadensgesetz die EG-Umwelthaftungsrichtlinie 2001/35/EG vom 21.4.2004 umsetzt, verpflichtet eine verantwortliche Person nach dem Umweltschadensgesetz, die eine Schädigung eines Gewässers mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen verursacht hat, dazu, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen an dem Gewässer zu treffen. Inwieweit die genannten gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind, ist im Falle des § 89 WHG durch den Anspruchsberechtigten darzulegen sowie im Falle des § 90 WHG durch die unmittelbar zuständigen Behörden der Länder Sachsen und Brandenburg zu prüfen. Berlin, den 30. September 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Okt. 2015)