Drucksache 17 / 17 025 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 16. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. September 2015) und Antwort Das Neuköllner Krankenhaus bröckelt und der zuständige Senator steckt seinen Kopf wieder mal in den Sand! Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Die am meisten beanspruchte Rettungsstelle Berlins am Neuköllner Vivantes-Krankenhaus, die ursprünglich für die Behandlung von 25.000 Patienten ausgelegt war, versorgt mittlerweile fast 77.000 Patienten im Jahr mit weiter steigender Tendenz. Welche politischen Konsequenzen zieht der Senat aus der Tatsache, dass diese Rettungsstelle , soll sie ihren Versorgungsauftrag weiter patientengerecht erfüllen, nicht nur dringend saniert, sondern auch entsprechend erweitert werden muss? Zu 1.: Das Vivantes Klinikum Neukölln ist mit rd. 1.200 ordnungsbehördlich genehmigten Betten und rd. 2.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines der größten Notfallzentren im Südwesten Berlins. Am Standort werden jährlich ca. 52.000 Patientinnen und Patienten stationär und ca. 81.000 Patientinnen und Patienten ambulant medizinisch-pflegerisch versorgt. Die Verdreifachung des ursprünglich geplanten Patientenaufkommens und bestehende baulich-strukturelle Defizite führen zu einer Überlastung von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern und Patientinnen /Patienten und ebenso zu kaum beherrschbaren Bedingungen bei Massenaufkommen von Verletzten. Es sind angesichts der beschriebenen Situation und der Annahme weiterer überproportionaler Entwicklungen kapazitive Anpassungen und Erweiterungen dringend notwendig, um den qualitativen, an ein modernes Notfallzentrum gerichteten Ansprüchen gerecht zu werden. Zudem liegen Erkenntnisse aus den Untersuchungen des 30-jährigen Krankenhaushauptgebäudes mit den Kernbereichen an diagnostischen und therapeutischen Einrichtungen vor, die schwerwiegende bauliche und technische Mängel aufzeigen. Eine von Vivantes erstellte Sanierungsplanung für das Klinikum Neukölln ermöglicht eine organisatorische und funktionale Optimierung des gesamten Krankenhausbetriebes unter Berücksichtigung der mit der Entwicklung der Krankenhausplanung verbundenen geplanten Erhöhung der Bettenzahlen. In einem ersten Bauabschnitt hat Vivantes mit oberster Priorität geplant, durch einen Erweiterungsbau eine moderne und bedarfsgerechte Notfallaufnahme mit einem neuen zentralen Operationsbereich, Teilen der Intensivmedizin, der Endoskopie , der Funktionsdiagnostik und 280 Allgemeinpflegebetten zur Verfügung zu stellen. In Vorbereitung dieses Vorhabens mit einem voraussichtlichen Kostenvolumen von rd. 150 Mio. € wird aktuell die Beplanung des Neubaus der Zentralsterilisation am Südende des Hauptgebäudes betrieben, die sich derzeit noch mittig im Gebäude angrenzend an den OP-Bereich befindet. Diese Maßnahme wird mit einem Betrag von 6,0 Mio. € im Rahmen des Förderprogramms Krankenhausinvestitionen “Sondervermögen Infrastruktur der wachsenden Stadt“ vom Land Berlin gefördert. Für den ferner in diesem Zusammenhang notwendigen Umbau des Präsenzlabors hat Vivantes einen Bedarf von rd. 3,5 Mio. € aus Mitteln des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes – KInvFG angemeldet. 2. Wie hoch ist die vorgesehene Investitionspauschale für die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH mit ihren neun, über ganz Berlin verteilten Krankenhäusern für das Jahr 2016? 3. Trifft es zu, dass dafür, wie es der Roten Nummer 1622A vom 22. Mai 2015 zu entnehmen ist, ein Betrag von 23.865.049 Euro vorgesehen ist und dass diese Summe damit unterhalb der im Jahr 2015 ausgereichten Summe von 26.030.468 Euro liegen wird? 4. In ihrer Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Langenbrinck (Drs. 17/16757) vom 25. August 2015 spricht die Senatsverwaltung für Gesundheit von einer Investitionsförderung für die Vivantes GmbH für das Jahr 2016 in Höhe von 33,5 Millionen Euro. Wie erklären sich die unterschiedlichen Angaben innerhalb von nur drei Monaten? Zu 2. bis 4.: Fragen zur geplanten Investitionspauschale wurden bereits mit der Antwort des Senats auf die Schriftliche Anfrage 17/16757 beantwortet. Die Investiti- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 025 2 onspauschale für die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH wird im Jahr 2016 voraussichtlich rd. 33,5 Mio. € betragen. Die Ausführungen der Roten Nummer 1622A vom 22. Mai 2015 basieren noch auf Grundlage des Jahresbetrages 2016 der Verpflichtungsermächtigung des Haushaltsplanes 2015 und sind angesichts der aktuellen (bekannten) Haushaltsplanung 2016/2017 als überholt anzusehen. 6. Wie hoch war der Jahresgewinn der Vivantes GmbH jeweils in den Jahren 2010 bis 2015? Zu 6.: Siehe nachstehende Tabelle. testierte Bilanz 2010 testierte Bilanz 2011 testierte Bilanz 2012 testierte Bilanz 2013 testierte Bilanz 2014 Mio. € Mio. € Mio. € Mio. € Mio. € Vivantes Konzern Jahresfehlbetrag/- Überschuss 6,31 5,11 6,75 7,88 7,93 Vivantes GmbH Jahresfehlbetrag/- Überschuss 5,98 3,95 5,33 6,92 7,35 7. Wie hoch sind die Verbindlichkeiten der Vivantes GmbH, die sich zum Beispiel aus dem aus "Eigenmitteln" finanzierten Neubau im Krankenhaus am Friedrichshain ergeben? Zu 7.: Soweit sich die Fragestellung auf Kreditverbindlichkeiten bezieht, betrugen die bilanziellen Verbindlichkeiten per 31.12.2014 gegenüber Kreditinstituten 38,7 Mio. €. Diese betrafen in Höhe von 34,4 Mio. € die Inanspruchnahme des in 2012 abgeschlossenen Konsortialkreditvertrages , mit dem die Baumaßnahme im Krankenhaus am Friedrichshain finanziert wird. In den genannten Verbindlichkeiten von 38,7 Mio. € sind ferner 3,9 Millionen € für ein Darlehen der Vivantes – Forum für Senioren GmbH und 0,4 Millionen € eines Darlehens der Vivantes Ida-Wolff-Krankenhaus GmbH, welches im Rahmen eines Krankenhausfinanzierungsprojektes durch das Land Berlin gefördert wurde. Die gesamten Verbindlichkeiten der Vivantes GmbH betrugen per 31.12.2014 zusammen 166,6 Mio. €. 5. Der Investitionsbedarf für den geplanten Um- und Erweiterungsbau zur Sanierung der Rettungsstelle am Standort des Krankenhauses Neukölln, der dringend auch aus Gründen des Erhalts der Funktionsfähigkeit der Patientenversorgung notwendig ist, liegt nach den Angaben der Senatsverwaltung bei 150 Mio. Euro. Wie soll diese Investitionssumme aus „Eigenmitteln“ des Unternehmens finanziert werden? 8. Aus welchen Quellen fließen diese „Eigenmittel“? 9. Welche finanziellen Konsequenzen zieht der Senat aus seiner eigenen Erkenntnis in der oben genannten Drucksache, dass aufgrund der hohen Investitionssumme von 150 Mio. Euro dafür zusätzliche Mittel additiv zur Investitionspauschale notwendig sind? 10. Teilt der Senat die Einschätzung, dass er sich mit dem letzten Satz seiner Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Langenbrinck in der Drs 17/16757: „Die Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH prüft die Möglichkeit der Bereitstellung von Eigenmitteln.“ einen schlanken Fuß macht und sich der Verantwortung für die medizinische Versorgung der Menschen im Einzugsgebiet des Neuköllner Krankenhauses entzieht? Zu 5., 8., 9. und 10.: Im Rahmen der Dualen Krankenhausfinanzierung obliegt es den Ländern, notwendige Investitionskosten der Plankrankenhäuser zu finanzieren, um die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaften Krankenhäusern zu gewährleisten und um zu einem sozial tragbaren Kosten für die Benutzer (Krankenkassen) beizutragen . Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales fördert bei den Berliner Krankenhäusern, die mit ihren Betten im Berliner Krankenhausplan enthalten sind, Investitionskosten für die Wiederbeschaffung von kurz-, mittel und langfristigen Anlagegütern sowie die Ersterrichtung von Krankenhäusern gemäß den gesetzlichen Grundlagen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Landeskrankenhausgesetzes (LKG). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 025 3 Der deutsche Krankenhaus-Sektor ist seit Jahren einem erheblichen Strukturwandel ausgesetzt. Dieser wird durch die demografische Entwicklung, den medizinischen Fortschritt sowie neue Vergütungs- und Versorgungsmodelle weiter vorangetrieben. Krankenhäuser arbeiten unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die im Gesundheitssektor durch zunehmende gesetzliche Reglementierung , Tarif- und Sachkostensteigerungen sowie Budgetdeckelung gekennzeichnet sind. Die angebotenen Leistungen müssen einerseits die Patientenversorgung unter Berücksichtigung der Qualitätsanforderungen sicherstellen , andererseits ist der Wirtschaftlichkeit Rechnung zu tragen. Um im Wettbewerb bestehen zu können, müssen die Krankenhäuser ihr Leistungsangebot optimieren , medizinische Schwerpunkte bilden und die internen Abläufe verbessern. Investitionen in Gebäude und medizinische Geräte zur Verbesserung der Betriebsabläufe sind eines der zentralen Instrumente zur Senkung der laufenden Betriebskosten von Krankenhäusern; sie sichern Fortschritt, Qualität und stetige Verbesserung der Versorgung. Die seit dem Jahr 2001 deutlich zurückgegangenen Fördermittel des Landes Berlin mit einem Tiefpunkt im Jahr 2010 wurden teilweise durch Eigenmittel der Krankenhäuser , Förderung durch die Träger/Anteilseigner oder Kreditfinanzierung kompensiert. Das Deutsche Krankenhausinstitut hatte bereits für das Jahr 2005 einen Anteil bundesweit von fast 30 % Eigeninvestitionen ermittelt. Das KHG verpflichtet zwar die Länder zu einer vollständigen Finanzierung der notwendigen Investitionskosten, die reale Situation erfordert von den Krankenhäusern allerdings, auch Eigenmittel zur Finanzierung nach dem KHG an sich förderungsfähiger Investitionen einzusetzen. Die Möglichkeiten, Eigenmittel teilweise zur Verfügung zu stellen, lassen jedoch nach, da sich die finanzielle Gesamtsituation der Krankenhäuser verschlechtert hat. Auf Grund der Kostensteigerungen einerseits und den Anpassungen bei der Betriebsmittelfinanzierung andererseits werden kurzfristige Rationalisierungs-investitionen mit den Mitteln der Krankenhausträger zunehmend schwieriger. Seit dem Jahr 2011 ist es jedoch gelungen, die jährlichen Investitionsfördermittel des Landes Berlin von Jahr zu Jahr wieder anzuheben. Die Berliner Krankenhäuser erhalten in den kommenden Jahren deutlich höhere Mittel für Investitionen vom Land Berlin. Für 2016 sind rund 107 Millionen € und für das Jahr 2017 rund 109 Millionen € vom Senat beschlossen worden, die über die Investitionspauschale zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden den Krankenhäusern für die Jahre 2016 - 2018 für konkrete Maßnahmen noch einmal rund 55 Millionen € aus dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA-Programm) bewilligt. Im laufenden Doppelhaushalt 2014/2015 wurde bereits eine Erhöhung um rd. 20 % im Vergleich zum vorherigen Haushalt erreicht, dieser Doppelhaushalt sieht eine Steigerung der Krankenhausinvestitionen um rd. 40 % vor. Der Senat kommt im Rahmen der haushaltspolitischen Möglichkeiten insgesamt mit diesem guten Ergebnis seinen Investitionsverpflichtungen nach und stärkt damit weiter die Berliner Krankenhauslandschaft. Das erreichte Fördermittelvolumen und die ab Mitte 2015 wirksam gewordene Umstellung der Förderung auf eine Investitionspauschale räumen den Krankenhausträgern eine höhere Flexibilität beim Einsatz dieser Mittel ein. Ihr Spielraum für ökonomisches Handeln und ihre Eigenverantwortlichkeit bei der Entscheidung über Zeitpunkt und Umfang bedarfsnotwendiger Baumaßnahmen und bei der Absicherung der Gesamtfinanzierung werden erweitert und gestärkt. Die Bedarfsdeckung notwendiger und wirtschaftlicher Krankenhausinvestitionen bleibt gleichwohl eine Herausforderung . In den nächsten 10 - 20 Jahren wird für die Berliner Krankenhäuser ein zusätzliches Milliardenvolumen erforderlich sein. Der Senat sieht diese Entwicklung und wird sein Handeln weiter daran orientieren. Dies vorangestellt, wurden im Zeitraum 1988 – 2014 dem Krankenhaus Neukölln für Einzelbaumaßnahmen (langfristige Anlagegüter mit durchschnittlichen Nutzungsdauern von 30 bis 50 Jahren) rd. 410 Mio. € an Fördermitteln durch das Land Berlin gewährt. Vivantes plant aktuell, Mittel der Investitionspauschale ab dem Jahr 2016 für die Ausstattung des Neubaus einzusetzen, die ohnehin der geplanten Erneuerung unterliegen . Der Einsatz weiterer Mittel aus der Investitionspauschale der kommenden Jahre als auch der von eigenen Mitteln ist vor dem Hintergrund der Prioritätensetzung der Vivantes zu prüfen. Vivantes erwägt u. a. für die Finanzierung die aktuell und in absehbarer Zeit nicht mehr betriebsnotwendigen Grundstücke zu veräußern und den Veräußerungserlös als Eigenkapitalfinanzierungsanteil in die Maßnahme einzubringen. Berlin, den 02. Oktober 2015 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Okt. 2015)