Drucksache 17 / 17 041 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Benedikt Lux und Dirk Behrendt (GRÜNE) vom 17. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. September 2015) und Antwort Berliner Polizei und Asyl (II): Strafverfahren gegen Geflüchtete Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass die Polizei Berlin zu jeder Person im strafmündigen Alter (ab 14 Jahren), die bei ihr um Asyl nachsucht, eine Strafanzeige wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts (§ 95 AufenthG) fertigt ? (bitte genauer erläutern, in welchen Fällen mit welcher Begründung Strafanzeigen gefertigt werden) In welchem Umfang erstatten das LAGeSo und andere Behörden Strafanzeigen? 2. Werden gegen die Flüchtlinge, die ihr Asylbegehren direkt beim LAGeSo vorbringen, zu einem späteren Zeitpunkt durch eine andere Behörde entsprechende Strafanzeigen erstattet oder gefertigt? Zu 1. und 2.: Vollzugskräfte der Polizei Berlin sind nach dem Legalitätsprinzip zur Verfolgung von Straftaten verpflichtet. Daher fertigen sie Strafanzeigen bei Vorliegen des Anfangsverdachts der unerlaubten Einreise oder des unerlaubten Aufenthalts einer strafmündigen Person, die bei der Polizei um Asyl nachsucht. Dieses Vorgehen entspricht nach Abstimmung mit der Generalstaatsanwaltschaft der Rechtslage. Eine Aussetzung der Anzeigenaufnahme in diesem Zusammenhang ist daher gegenwärtig nicht möglich . Diese Fragen sind jedoch Gegenstand von Beratungen zwischen den für Inneres und für Justiz zuständigen Ressorts auf Bundes- und Landesebene, um gemeinsam zu Lösungsmöglichkeiten zu kommen. Strafbar nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) macht sich, wer im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG unerlaubt einreist. Hiernach ist die Einreise einer ausländischen Person unerlaubt, die entweder einen erforderlichen Pass oder den erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Sofern eine Ausnahme greift, liegt kein strafbares Verhalten vor. Sachverhalte von Flüchtlingen, die ihr Asylbegehren direkt beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) vorbringen, gelangen der Polizei Berlin nicht zur Kenntnis, weshalb hierzu keine Strafanzeigen gefertigt werden. 3. Wie wird die Einhaltung des Pönalisierungsverbotes in Art. 31 Genfer Flüchtlingskonvention sichergestellt ? Zu 3.: Bei § 31 Genfer Flüchtlingskonvention handelt es sich um einen persönlichen Strafausschließungsgrund, der ausdrücklich in § 95 Abs. 5 AufenthG Erwähnung findet. Das Vorliegen der Voraussetzungen wird ausschließlich durch die Staatsanwaltschaft sowie in Fällen des beschleunigten Verfahrens durch die Amtsanwaltschaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens geprüft. 4. Wie ist die Einstellungsquote für die unter 1. und 2. aufgeführten Ermittlungsverfahren in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 sowie im 1. Halbjahr 2015? (bitte nach Jahren sowie der jeweiligen Rechtsgrundlage für die Einstellung aufschlüsseln) Zu 4.: Die erfragten Daten werden statistisch nicht erfasst . Das bei der Staatsanwaltschaft verwendete System erfasst lediglich, dass ein Verstoß gegen § 95 Aufenthaltsgesetz vorliegt, unterscheidet aber nicht weiter danach , ob es sich bei dem Beschuldigten um einen Flüchtling im Sinne der Anfrage oder um eine ausländische Person handelt, die aus anderen Gründen in das Bundesgebiet eingereist ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 041 2 5. Wie wird bei Flüchtlingen vorgegangen, die von der Bundespolizei angetroffen werden? Trifft es insbesondere zu, dass gegen diese durch die Bundespolizei ein Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise oder illegalen Aufenthalts (§ 95 AufenthG) eingeleitet, bevor sie zuständigkeitshalber der Polizei Berlin übergeben werden, wo erneut ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wird, so dass es zu einer Doppelerfassung kommt? Zu 5.: Von der Bundespolizei angetroffene Flüchtlinge werden von der Polizei Berlin übernommen. Das Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Einreise oder unerlaubten Aufenthalts wird durch die Bundespolizei eingeleitet . Die Aufnahme des Asylbegehrens und Bearbeitung des eingeleiteten Ermittlungsvorganges erfolgt durch die Polizei Berlin. In diesen Fällen wird kein weiteres Ermittlungsverfahren eingeleitet. 6. Welche Maßnahmen ergreift der Senator für Inneres und Sport um etwaige Doppelerfassungen und die damit verbundene doppelte Arbeit künftig zu vermeiden? Zu 6.: Die Polizei Berlin unterstützt derzeit in den Räumlichkeiten der Kruppstr. 15 das LAGeSo bei der Aufnahme von Asylbegehren. Den gesetzlichen Verpflichtungen der Behörden zur Entgegennahme von Asyl- begehren und den Anforderungen an das Legalitätsprinzip wird dabei entsprochen. Durch die enge Verzahnung der Arbeitsschritte ist insbesondere sichergestellt, dass sich Asylbegehrende nicht mehrfach identischen Arbeitsschritten - wie der Angabe von Personalien oder einer erkennungsdienstlichen Behandlung - bei den Behörden unterziehen müssen. Darüber hinaus werden weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Behörden geprüft, um auch hier Synergieeffekte zu erzielen. 7. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Einschleusens von Ausländern (§ 96 AufenthG ) wurden in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 sowie im 1. Halbjahr 2015 jeweils von der Polizei Berlin, dem LAGeSo oder einer anderen Behörde im Zusammenhang mit der Entgegennahme von Asylanträgen gefertigt bzw. erstattet und wie viele Tatverdächtige konnten hierzu ermittelt werden? (bitte nach Jahren und jeweiliger Behörde aufschlüsseln) Zu 7.: In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden folgende Ermittlungsverfahren aufgrund des Einschleusens von Ausländern (§ 96 AufenthG) erfasst. PKSWerte aus dem laufenden Jahr werden nicht veröffentlicht : Fälle und Tatverdächtige gemäß PKS Berlin zum Einschleusen von Ausländern gemäß § 96 Aufenthaltsgesetz 2011 2012 2013 2014 Fälle 349 383 380 293 Tatverdächtige 94 123 103 108 Quelle: PKS Berlin, Schlüsselnummer 725200 Darüber hinaus wurden bei der Staatsanwaltschaft Berlin im Jahr 2014 hierzu 173 und im ersten Halbjahr 2015 101 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine weitere Differenzierung ist nicht möglich. Seitens des LAGeSo wurden keine diesbezüglichen Ermittlungsverfahren eingeleitet. 8. In wie vielen der unter 7. aufgeführten Ermittlungsverfahren wurden diese mit einer Verurteilung abgeschlossen ? In wie vielen dieser Fälle handelte es sich um eine Verurteilung mit einer (ggf. zur Bewährung ausgesetzten ) Haftstrafe? Zu 8.: Wegen der Einschleusung von Ausländern nach § 96 AufenthG wurden 22 Personen im Jahr 2014 verurteilt , davon zwei zu Freiheitsstrafen ohne und fünf Personen zu Freiheitsstrafen mit Bewährung. Weitere zwei Personen wurden wegen Einschleusens im besonders schweren Fall nach § 97 AufenthG zu Freiheitsstrafen mit Bewährung verurteilt. Eine weitere Differenzierung ist nicht möglich. 9. Gegen wie viele Geflüchtete, die noch keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten hatten, wurden in den Jahren 2011, 2012, 2013, 2014 sowie im 1. Halbjahr 2015 bei Antreffen im öffentlichen Personen Nahverkehr Ermittlungsverfahren wegen des Erschleichens von Leistungen eingeleitet? (bitte aufschlüsseln nach Jahren sowie Ermittlungen von Amts wegen oder aufgrund Strafantrag des jeweiligen Verkehrsunternehmens ) Zu 9.: Es erfolgt keine statische Erfassung der Sozialdaten . Zudem wird keine Statistik zur Ermittlung von Amts wegen oder auf Strafantrag des Verkehrsunternehmens geführt. Berlin, den 02. Oktober 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Okt. 2015)