Drucksache 17 / 17 047 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 21. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. September 2015) und Antwort Hochschulzugang für Asylsuchende und Geduldete Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Versieht die Ausländerbehörde Berlin Aufenthaltsgenehmigungen von Asylsuchenden und Geduldeten immer noch grundsätzlich mit der Auflage „Studium nicht gestattet“? Wenn ja, warum? Zu 1.: Die Berliner Ausländerbehörde versieht Aufenthaltsgestattungen von Asylsuchenden seit dem 15. September 2015 nicht mehr mit der Auflage, dass ein Studium nicht gestattet sei (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ). Jede/r Asylsuchende kann hiernach ein Hochschulstudium aufnehmen, soweit die hochschulrechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Ist das Asylverfahren rechtskräftig erfolglos abgeschlossen worden, ist die Fortsetzung eines Studiums durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 16 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu ermöglichen, wenn die sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und Abs. 4 AufenthG vorliegen und eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen - etwa nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen eines nicht zu vertretenden Ausreisehindernisses - zu erteilen wäre. Kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht in Betracht, wird die Fortsetzung eines bereits aufgenommenen Studiums nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens weiterhin ermöglicht durch die Erteilung einer Duldung mit der Nebenbestimmung, dass sie mit Beendigung des Studiums an einer staatlich anerkannten Hochschule und/oder mit dem Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II, SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erlischt. Darüber hinaus wird diese Duldung dann mit der Nebenbestimmung erteilt, dass eine Beschäftigung nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde gestattet ist und eine selbständige Tätigkeit nicht gestattet ist. Anders als die Aufenthaltsgestattung einer Asylbewerberin /eines Asylbewerbers, die während des Asylverfahrens zu einem rechtmäßigen Aufenthalt führt, stellt die Duldung gemäß 60 a AufenthG eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung einer/eines Ausreisepflichtigen dar, die/der kein Aufenthaltsrecht hat. Daher wird die Auflage, dass ein Studium nicht gestattet ist, für gemäß § 60 a AufenthG Geduldete weiterhin in der Regel als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt erteilt. Sobald sich die/der geduldete Ausländer/in seit vier Jahren rechtmäßig, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufgehalten hat (aktuelle Wartefrist zur Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ), ist diese Auflage anlassbezogen - insbesondere bei der Verlängerung der Duldung - zu streichen. Vor einem vierjährigen rechtmäßigen, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet ist die Auflage auf Antrag zu streichen, wenn die Zulassungszusage einer Berliner Hochschule vorliegt, nachgewiesen wird, dass der Lebensunterhalt während des Studiums ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG, SGB II oder SGB XII finanziert wird und nicht absehbar ist, wann mit einem Wegfall des Duldungsgrundes zu rechnen ist. 2. Wie groß ist der Personenkreis in Berlin, der derzeit mit einer „Studierverbotsauflage“ versehen ist (bitte nach Aufenthaltstitel und Anzahl aufschlüsseln)? Zu 2.: Diese erbetenen Daten werden statistisch nicht erfasst, so dass dazu keine verbindlichen Angaben gemacht werden können. Zum Stichtag 21. September 2015 gab es jedoch 13.967 Asylbewerber/innen mit Aufenthaltsgestattungen, von denen der überwiegende Teil noch die genannte Auflage hat. Diese wird bei Vorsprache in der Ausländerbehörde anlassbezogen gestrichen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 047 2 3. Welche vorgelagerten Studierangebote halten die Berliner Hochschulen für Asylsuchende und Geduldete bereit, die aufgrund einer „Studierverbotsauflage“ durch die Ausländerbehörde keinen Zugang zum regulären Studium haben? Zu 3.: Für Personen die nicht studieren dürfen, wird auch kein Studienangebot bereitgestellt oder bereitgehalten . Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einzelne Lehrveranstaltungen an den Berliner Hochschulen als Gasthörerin oder Gasthörer zu besuchen. Dies gilt auch für alle ausländischen Studieninterinteressentinnen Studieninteressenten unabhängig von besonderen aufenthaltsrechtlichen Maßgaben. 4. Wie viele Asylsuchende und Geduldete haben in den Jahren seit 2011 bei der Ausländerbehörde Berlin die Streichung der „Studierverbotsauflage“ beantragt und wie vielen Anträgen wurde stattgegeben? Wie bewertet der Senat die Zahl der Antragsteller*innen sowie die Bewilligungsquote ? Zu 4.: Die erbetenen Angaben werden statistisch nicht erfasst. Allerdings hat die Berliner Ausländerbehörde mitgeteilt, dass Asylbewerber/innen und Geduldete in den vergangenen Jahren nur in sehr wenigen Einzelfällen, Anträge auf Genehmigung eines Hochschulstudiums gestellt haben. Die Zulassung für ein Hochschulstudium ist an hochschulrechtliche Voraussetzungen gebunden, die auch für deutsche Studienbewerber/innen schwer zu erfüllen sind. Umso schwieriger ist der Zugang für ausländische Studienbewerber /innen, die dafür ebenfalls die hochschulrechtlichen Voraussetzungen wie ausreichende Sprachkenntnisse , Hochschulreife usw. erfüllen müssen. 5. Trifft es nach Kenntnis des Senats zu, dass das Land Berlin bundesweit eine der restriktivsten Anwendungspraxen beim Hochschulzugang von Asylsuchenden und Geduldeten hat? Wenn ja, warum und wie bewertet er dies? 6. Wie rechtfertigt der Senat die restriktive Anwendungspraxis der Ausländerbehörde, grundsätzlich „Studierverbotsauflagen “ zu verhängen, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in Berlin und der hohen Anzahl von in Berlin ankommenden und hier bereits lebenden Geflüchteten mit hohem Bildungsstand? 7. Hat es seit dem Senatsbeschluss zum „Versorgungs - und Integrationskonzept für Asylbegehrende und Flüchtlinge“ eine Änderung der Weisungslage der Ausländerbehörde bezüglich des Hochschulzugangs für Asylsuchende und Geduldete gegeben? Wenn ja, inwiefern (bitte Originalwortlaut der Weisung beifügen)? Wenn nein, warum nicht? 8. Wann und wie setzt Innensenator Henkel den Senatsbeschluss aus dem „Versorgungs- und Integrationskonzept für Asylbegehrende und Flüchtlinge“ (S. 26) um, Asylsuchenden und Geduldeten einen Zugang zum Studium zu ermöglichen und die Aufnahme eines Studiums nicht mehr aufenthaltsrechtlich zu untersagen? 9. Wann und inwiefern wird Innensenator Henkel die ihm unterstellte Ausländerbehörde anweisen, die Aufnahme eines Studiums nicht mehr grundsätzlich aufenthaltsrechtlich zu untersagen? Zu 5. bis 9.: Es gab und gibt keine konkreten gesetzlichen Regelungen, unter welchen Voraussetzungen eine /einem Asylbewerber/in ein Hochschulstudium zu gestatten ist. Um dem genannten Versorgungs- und Integrationskonzept gerecht zu werden und einem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, versieht die Berliner Ausländerbehörde Aufenthaltsgestattungen von Asylsuchenden seit dem 15. September 2015 nicht mehr mit der Auflage, dass ein Studium nicht gestattet sei und verfährt wie in der Antwort zu Frage 1 dargestellt. Damit wurde das Verfahren an die überwiegende Praxis der anderen Bundesländer angepasst und das bisherige Studierverbot mit Erlaubnisvorbehalt aufgehoben. Dies hat zur Folge, dass ein/e Asylbewerber/in nunmehr nur noch die einschlägigen hochschulrechtlichen Voraussetzungen erfüllen muss, um ein Studium aufnehmen zu dürfen. Die Verfahrenshinweise der Berliner Ausländerbehörde sind bereits entsprechend angepasst worden und werden demnächst aktualisiert auf ihrer Homerpage bekannt gegeben. 10. Welcher Personenkreis mit welchem Aufenthaltstitel jeweils wird von der neuen Weisungslage der Ausländerbehörde erfasst werden, und in welcher Form wird die Möglichkeit zur Aufnahme eines Studiums künftig von der Ausländerbehörde bescheinigt werden? Zu 10.: Von der neuen Weisungslage profitieren Asylbewerber/innen, deren Aufenthalt nach § 55 Asylverfahrensgesetz gestattet ist. Mit der Aufenthaltsgestattung wird das Studium gestattet. Sofern die genannten Voraussetzungen vorliegen, wird das Studium auch mit der Duldung gestattet. Einer darüber hinausgehenden Bescheinigung durch die Ausländerbehörde zur Aufnahme eines Studiums bedarf es nicht. Berlin, den 30. September 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Okt. 2015)