Drucksache 17 / 17 070 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Heiko Herberg (PIRATEN) vom 22. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. September 2015) und Antwort Steigende Mieten, steigende Bevölkerung, sinkende Zweitwohnungssteuer? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie entwickelten sich folgende Kennzahlen in Berlin von 2000 bis heute? a) Einwohnerzahl b) Steuerpflichtige nach Berliner Zweitwohnungssteuergesetz c) Aufkommen aus der Zweitwohnungssteuer Zu 1.: a) Einwohnerzahl: Jahr Einwohnerzahl 2000 3 382 169 2001 3 388 434 2002 3 392 425 2003 3 388 477 2004 3 387 828 2005 3 395 189 2006 3 404 037 2007 3 416 255 2008 3 431 675 2009 3 442 675 2010 3 460 725 2011 3 292 365 2012 3 375 222 2013 3 421 829 Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Statistische Jahrbuch 2014 b) Steuerpflichtige nach Berliner Zweitwohnungssteuergesetz : Jahr Festsetzungen Steuersignale 2000 35 133 2001 33 749 2002 34 665 2003 30 571 2004 30 849 2005 24 265 2006 24 936 2007 26 456 2008 18 110 2009 17 332 2010 17 088 2011 17 105 2012 17 426 2013 17 003 2014 16 590 c) Aufkommen aus der Zweitwohnungsteuer: Jahr Aufkommen 2000 5 335 987 DM 2001 7 872 181 DM 2002 4 807 492 € 2003 3 209 586 € 2004 3 092 331 € 2005 3 332 556 € 2006 2 125 237 € 2007 2 579 543 € 2008 2 321 250 € 2009 2 356 292 € 2010 2 280 646 € 2011 2 660 997€ 2012 2 638 672 € 2013 2 692 181 € 2014 2 973 439 € Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 070 2 2. Würde der Senat der These zustimmen, dass die Zahl der Zweitwohnungssteuerpflichtigen proportional zur Einwohnerzahl wächst? Wenn nein, warum nicht? Zu 2.: Nein. Die Zweitwohnungsteuer hat sich als geeignetes Mittel erwiesen, die Einwohnerinnen und Einwohner zu bewegen, ihrer melderechtlichen Verpflichtung nachzukommen, einen tatsächlich vorhandenen Hauptwohnsitz in Berlin hier auch als solchen anzumelden. Die Steuerpflicht betrifft nicht nur Personen, die außerhalb Berlins eine Hauptwohnung haben, sondern auch Berlinerinnen und Berliner, die in Berlin über Haupt- und Nebenwohnsitz verfügen. Die Steuerpflicht entsteht erst nach mehr als einjähriger Wohndauer am Berliner Nebenwohnsitz . Eine ganze Reihe von Inhaberinnen und Inhabern eines Berliner Nebenwohnsitzes sind gemäß § 2 Abs.7 Berliner Zweitwohnungsteuergesetz (ZwStG) von der Steuer befreit. Hieraus ist schon erkennbar, dass kein unmittelbarer empirischer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Zweitwohnungsteuerpflichtigen und den neu angemeldeten Erstwohnsitzen hergestellt werden kann. 3. Würde der Senat der These zustimmen, dass bei flächendeckend steigenden Mieten auch das Aufkommen aus der Zweitwohnungssteuer steigen müsste? Wenn nein, warum nicht. Zu 3.: Ja. Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer ist grundsätzlich die im Besteuerungszeitraum geschuldete Nettokaltmiete (§ 5 Abs. 1 ZwStG). 4. Wie berechnet sich die Zweitwohnungssteuer, wenn der Steuerpflichtige einen Zweitwohnsitz in einer selbstgenutzten Eigentumswohnung anmeldet? Zu 4.: Die Steuer bemisst sich nach der im Besteuerungszeitraum geschuldeten Nettokaltmiete. Ist die Inhaberin bzw. der Inhaber einer Zweitwohnung nicht aufgrund eines Vertrages zur Zahlung eines Mietzinses verpflichtet , tritt an die Stelle der geschuldeten Nettokaltmiete hilfsweise der Betrag, der sich unter Anwendung des jeweils gültigen Mietspiegels auf die Zweitwohnung unter Berücksichtigung des im Mietspiegel angegebenen Mittelwerts , gegebenenfalls nach Abzug der im Mietspiegel ausgewiesenen ortsüblichen Betriebskosten, ergibt (§ 5 Abs. 2 ZwStG). 5. Welche Maßnahmen hat der Senat seit der Prüfung durch den Rechnungshof (vgl. Jahresbericht 2000) unternommen um Mängel bei der Erhebung der Zweitwohnungssteuer zu beseitigen? Zu 5.: Das ZwStG wurde im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes 1998 am 12.12.1997 verabschiedet und trat am 01.01.1998 in Kraft. Das Landeseinwohneramt Berlin hatte bis zum 31.12.1999 dem zuständigen Finanzamt Mitte/Tiergarten 262.511 Datensätze zu Bürgerinnen und Bürgern mit Nebenwohnsitz übersandt. In dem vom Rechnungshof Berlin geprüften Zeitraum wurden vom Finanzamt 262.511 Steuererklärungen (für 1998 218.523 und für 1999 43.988) versandt. Davon führten 29.573 für das Kalenderjahr 1998 zu Zweitwohnungsteuerfestsetzungen . Die restlichen Fälle waren steuerfrei, nicht steuerpflichtig oder beruhten auf fehlerhaften, veralteten Meldedaten . Die Steuerverwaltung hatte sich angesichts des enormen Umfangs der zu bewältigenden Aufgaben für eine strukturierte Bearbeitung entschieden. Für die zeitnahe Bewältigung der Arbeitsaufgaben in der neu geschaffenen Zweitwohnungsteuerstelle wurde im Kalenderjahr 2001 zeitlich befristet das Personal aufgestockt. 6. Welche Auswirkungen haben diese Maßnahmen auf a) die Zahl der bearbeitet Fälle, b) die Zahl der Zweitwohnungssteuerpflichtigen, c) das Steueraufkommen gesamt und pro Zweitwohnungssteuerpflichtigen und d) die Kosten für Erhebung und Einzug? Zu 6. a-c): Für die Zweitwohnungsteuer gibt es heute - 17 Jahre nach der Einführung - ein geordnetes, etabliertes Besteuerungsverfahren. Zahl der bearbeiteten Fälle: Kalenderjahr Versandfälle 2012 15.779 2013 17.083 2014 15.083 Da in dem für die Zweitwohnungsteuer zuständigen Finanzamt Mitte/Tiergarten keine nennenswerten Bearbeitungsrückstände bestehen, ist die Zahl der Bearbeitungsfälle , der Steuerpflichtigen, des Steueraufkommens insgesamt und pro Zweitwohnungsteuerpflichtigen nicht durch Maßnahmen der Steuerverwaltung beeinflussbar. Zu 6. d): Zum Vergleich der Kostenentwicklung wurden die Daten der Kosten-Leistungsrechnung herangezogen , welche ab dem Jahr 2003 zuverlässig vorhanden sind. Im Jahr 2003 betrugen die Kosten für Erhebung und Einzug 1,01 Mio. € und im Jahr 2014 0,68 Mio. €. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 070 3 7. Wie schätzt der Senat die Auswirkungen einer Erhöhung des Zweitwohnungssteuersatzes von aktuell 5% auf 10% bzw. 15% im Hinblick auf a) Aufkommen aus Zweitwohnungssteuergesetz bzw. b) Ummeldungen des Wohnsitzes in einen Erstwohnsitz zur Vermeidung der Steuerpflicht ein? Zu 7.: Bei einer Erhöhung des Zweitwohnungsteuersatzes von 5% auf 10% würde das Aufkommen aus der Zweitwohnungsteuer von rd. 3 Mio. € (Ist 2014) auf voraussichtlich rd. 6 Mio. € steigen; bei einer Steuersatzerhöhung auf 15% auf rd. 9 Mio. €. Wie viele Zweitwohnsitze aus Gründen der Steuervermeidung in Erstwohnsitze umgewandelt würden, kann nicht quantifiziert werden, da hierbei die jeweiligen persönlichen Motive der Zweitwohnungsinhaberinnen und Zweitwohnungsinhaber ausschlaggebend sind. Festhalten lässt sich jedoch, dass mit steigendem Zweitwohnungsteuersatz der Anreiz sinkt, seinen Zweitwohnsitz in Berlin und seinen Erstwohnsitz in einer anderen Stadt zu nehmen, da Berlin mit 5% bundesweit bisher fast den niedrigsten Zweitwohnungsteuersatz hat. Hiervon wären auch zukünftige Entscheidungen über die Wahl des Erst-/Zweitwohnsitzes betroffen. 8. Welche Auswirkung ergäben sich durch die Verlagerungseffekte von Zweit- auf Erstwohnsitz bei einer Steuersatzerhöhung um 5 bzw. 10 Prozentpunkte im Hinblick auf die Einnahmen Berlins im Länderfinanzausgleich ? Zu 8.: Grundsätzlich stünden die unter Frage 7 genannten Mehrbeträge aus einer Zweitwohnungsteuersatzerhöhung dem Landeshaushalt vollständig zur Verfügung , da die Zweitwohnungsteuer als "sonstige Gemeindesteuer " nicht in den Länderfinanzausgleich (LFA) eingeht . Käme es durch eine Steuersatzanhebung zur Umwandlung von Zweitwohnsitzen in Erstwohnsitze oder könnten durch einen hohen Zweitwohnungsteuersatz zukünftige Entscheidungen über die Erstwohnsitzwahl zu Gunsten von Berlin gefällt werden, dann würden sich diese zusätzlichen Erstwohnsitze auf allen Stufen der Steuerverteilung , der Steuerzerlegung, dem Länderfinanzausgleich und den Allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen positiv auswirken. Die finanziellen Auswirkungen können nur sehr grob geschätzt werden: Geht man von einer Ummeldequote von z. B. 7,5% aller Zweitwohnungsfälle aus, dann könnte dies zu einem Steuermehraufkommen aus der Zerlegung von Lohn- und Abgeltungsteuer (vor LFA) von bis zu rd. 25 Mio. € p. a. führen sowie zu weiteren rd. 6 Mio. € p. a. bei der Umsatzsteuerverteilung und im Finanzausgleich. 9. Welche Kooperationen gibt es bezüglich der Zweitwohnsitzsteuer zwischen Finanzämtern und anderen Behörden? Zu 9.: Zur Sicherung des gleichmäßigen Vollzugs der Zweitwohnungsteuer übermittelt das Landeseinwohneramt Berlin dem Technischen Finanzamt Berlin monatlich die Meldedaten der Personen, die sich mit Nebenwohnsitz in Berlin angemeldet haben. Berlin, den 06. Oktober 2015 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2015)