Drucksache 17 / 17 073 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 22. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. September 2015) und Antwort Tatort Internet: Polizeiliche Ermittlungen zu rechten Hetzkommentaren in Sozialen Netzwerken (V) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Hierbei handelt sich entgegen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen . Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Einem Fall können unter Umständen mehrere Themenfelder und Unterthemen zugeordnet werden. Deshalb lässt die Anzahl der Themenfeld- und Unterthemennennungen keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Fallaufkommen zu. Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen – gegebenenfalls bis zum endgültigen Gerichtsurteil – einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikabschluss abschließend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen. Die Abfrage umfasst den Zeitraum vom 01. Januar 2014 bis 28. September 2015 und bezieht sich nur auf den Phänomenbereich PMK-rechts. Für den angefragten Zeitraum sind noch nicht alle relevanten Straftaten im Rahmen des KPMD-PMK erfasst und bewertet worden. Aus diesem Grund liegen noch keine validen Fallzahlen vor. Regelmäßig können die Fallzahlen des zurückliegenden Jahres erst in der Mitte des Folgejahres valide erhoben werden. Um das Fallaufkommen gegen Unterkünfte für asylbegehrende und geflüchtete Menschen trennscharf auswerten zu können, wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2014 das Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ im bundesweit verbindlichen Themenfeldkatalog erstmals eingeführt . Dem Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ werden Taten der PMK zugerechnet, die sich gegen jede Art der Unterkunft als direktes Angriffsziel aber auch gegen Personen innerhalb der Unterkunft richten. Als Unterkunft werden unter anderem bestehende, im Bau befindliche sowie geplante Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen gewertet. Der Personenkreis umfasst zum Beispiel Asylbegehrende, Asylberechtigte und Personen mit Flüchtlingsschutz. 1. Wie viele der durch die Berliner Polizei seit Januar 2014 registrierten Straftaten, die dem Phänomenbereich PMK-rechts zugeordnet wurden, hatten den Tatort „Internet “ (bitte Antwort nach Jahr, Themenbereichen und jeweiligem Zähldelikt aufschlüsseln)? Zu 1.: Die Fallzahlen PMK-rechts mit Tatort „Internet “ im Jahresvergleich und gelistet nach Zähldelikten1 sind nachfolgender Tabelle zu entnehmen. Für das Jahr 2015 wurden Straftaten im Zeitraum von Jahresbeginn bis 28. September 2015 gezählt. 1 Bis Mitte des Jahres 2014 erfolgte lediglich eine einfache Erfassung des Tatorts „Internet“. Seit Mitte des Jahres 2014 wird eine Differenzierung bei der Erfassung des Tatorts nach „Internet“ (keine nähere Zuordnung möglich), „E-Mail“, „Facebook “, „Twitter“, WhatsApp“ und „Youtube“ vorgenommen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 073 2 2014 2015 Internet – „allgemein“ (nicht näher zuzuordnen) 110 21 § 111 Strafgesetzbuch (StGB) - Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 15 2 § 126 StGB - Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 2 0 § 130 StGB - Volksverhetzung 36 10 § 140 StGB - Belohnung und Billigung von Straftaten 1 0 § 185 StGB - Beleidigung 17 0 § 187 StGB - Verleumdung 4 0 § 189 StGB - Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 1 0 § 201 StGB - Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 1 0 § 203 StGB - Verletzung von Privatgeheimnissen 1 0 § 240 StGB - Nötigung 1 0 § 241 StGB - Bedrohung 6 0 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 25 9 E-Mail - gesamt 34 6 § 126 StGB - Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 2 0 § 130 StGB - Volksverhetzung 23 2 § 140 StGB - Belohnung und Billigung von Straftaten 1 0 § 166 StGB - Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften 1 0 § 185 StGB - Beleidigung 5 0 § 241 StGB - Bedrohung 0 2 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 2 2 Facebook - gesamt 39 74 Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz (KUG) 2 1 Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) 1 0 § 111 StGB - Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 2 14 § 126 StGB - Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 1 2 § 130 StGB - Volksverhetzung 16 33 § 185 StGB - Beleidigung 6 4 § 187 StGB - Verleumdung 1 2 § 189 StGB - Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 0 1 § 240 StGB - Nötigung 0 1 § 241 StGB - Bedrohung 4 2 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 6 14 Twitter - gesamt 3 3 § 130 StGB - Volksverhetzung 2 0 § 140 StGB - Belohnung und Billigung v. Straftaten 0 1 § 185 StGB - Beleidigung 0 1 § 189 StGB - Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 0 1 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 1 0 WhatsApp - gesamt 1 8 § 130 StGB - Volksverhetzung 1 4 § 185 StGB - Beleidigung 0 1 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 0 3 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 073 3 YouTube - gesamt 6 5 § 111 StGB - Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 1 0 § 130 StGB - Volksverhetzung 4 5 § 187 StGB - Verleumdung 1 0 2. Wie viele der registrierten Delikte richteten sich gegen geplante bzw. bestehende Flüchtlingsunterkünfte in Berlin und ihre Bewohner*innen (bitte Antwort nach Jahr, Themenbereichen und jeweiligem Zähldelikt aufschlüsseln )? Zu 2.: 2014 2015 Internet – „allgemein“ (nicht näher zuzuordnen) 28 4 § 111 StGB - öffentliche Aufforderung zu Straftaten 14 2 § 130 StGB - Volksverhetzung 7 2 § 140 StGB - Belohnung und Billigung von Straftaten 1 0 § 185 StGB - Beleidigung 1 0 § 187 StGB - Verleumdung 2 0 § 201 StGB - Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes 1 0 § 203 StGB - Verletzung von Privatgeheimnissen 1 0 § 241 StGB - Bedrohung 1 0 E-Mail - gesamt 2 2 § 130 StGB - Volksverhetzung 1 0 § 185 StGB - Beleidigung 1 0 § 241 StGB - Bedrohung 0 2 Facebook - gesamt 22 47 Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz (KUG) 1 0 § 111 StGB - öffentliche Aufforderung zu Straftaten 2 13 § 126 StGB - Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 1 2 § 130 StGB - Volksverhetzung 9 22 § 185 StGB - Beleidigung 5 3 § 187 StGB - Verleumdung 1 1 § 189 StGB - Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 0 1 § 241 StGB - Bedrohung 3 1 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 0 4 YouTube - gesamt 2 2 § 111 StGB - öffentliche Aufforderung zu Straftaten 1 0 § 130 StGB - Volksverhetzung 0 2 § 187 StGB - Verleumdung 1 0 Twitter - gesamt 0 1 § 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 0 1 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 073 4 3. Wie viele der registrierten Delikte richteten sich gegen Mitglieder und/oder Einrichtungen von Willkommensinitiativen und anderen Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen (bitte Antwort nach Jahr, Themenbereichen und jeweiligem Zähldelikt aufschlüsseln)? Zu 3.: Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen sind kein Erfassungskriterium des KPMD-PMK. 4. Wie viele Tatverdächtige hat die Polizei im Zusammenhang mit den unter 1.-3. genannten Straftaten jeweils ermittelt (bitte aufschlüsseln nach Jahr sowie Alter und Geschlecht des/der Tatverdächtigen)? Zu 4.: Tatverdächtige zu 1.: Geschlecht Altersgruppe 2014 2015 männlich Erwachsener 79 59 männlich Heranwachsender 4 2 männlich Jugendlicher 4 3 weiblich Erwachsener 8 8 weiblich Heranwachsender 2 0 Tatverdächtige zu 2.: Geschlecht Altersgruppe 2014 2015 männlich Erwachsener 28 33 männlich Heranwachsender 3 0 männlich Jugendlicher 1 0 weiblich Erwachsener 3 6 Tatverdächtige zu 3.: Entfällt. 5. Wie bewertet der Senat die quantitative und qualitative Entwicklung des Phänomens von Bedrohungen, volksverhetzenden und sonstigen strafbaren Äußerungen, die in Beiträgen und Kommentaren auf Seiten der Social Media-Plattform Facebook veröffentlicht werden und die sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin bzw. Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen wenden , im unter 1.-3. abgefragten Zeitraum? Zu 5.: Im sozialen Netzwerk Facebook dominiert das Flüchtlingsthema alle rechtsextremistischen Seiten und Profile. Die rechtsextremistischen „Nein-zum-HeimSeiten “ haben ihre zentrale Rolle bei der Agitation gegen Flüchtlinge und gegen die Flüchtlingspolitik weitgehend eingebüßt, einige dieser Facebook-Seiten werden seit Jahresanfang nicht mehr aktualisiert. Die Facebook-Seite „Kein Asylanten- Containerdorf in Falkenberg“ bekennt sich offen zur Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Seitdem beobachtet der Senat im Bereich der Agitation gegen Flüchtlinge im Internet eine Zunahme von Seiten von Einzelpersonen ohne Bezug zur organisierten rechtsextremistischen Szene wie beispielsweise die Facebook -Seite „Berlin wehrt sich“, gegen deren Betreiber wegen eines strafbewehrten Eintrags ermittelt wird. Derartige Posts bleiben nicht immer folgenlos: Zwei der mutmaßlichen Täter, die am 20. August 2015 einen Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Marzahn verübten , hatten vorher auf ihren Facebook-Accounts militante Aktionen befürwortet. 6. Welche Maßnahmen hat der Senat im unter 1.-3. abgefragten Zeitraum ergriffen, um die Urheber der Äußerungen zu ermitteln? Zu 6.: Beim Vorliegen von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Straftat prüft die Polizei Berlin in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft alle strafprozessualen Maßnahmen und leitet entsprechende Ermittlungsverfahren ein. Zu Details entsprechender Maßnahmen kann im Rahmen dieser Schriftlichen Anfrage keine Stellung genommen werden, weil durch eine Veröffentlichung etwaige Ermittlungserfolge gefährdet werden würden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 073 5 7. Wie viele Dienstkräfte im zuständigen Dezernat 53 – PMK-rechts – des Landeskriminalamtes waren im unter 1.-3. abgefragten Zeitraum mit der Auswertung von volksverhetzenden und sonstigen strafbaren Äußerungen im Internet befasst? Zu 7.: Die Auswerteeinheit im Dezernat 53 des Landeskriminalamtes (LKA) führt neben allgemeinen Auswertetätigkeiten eine anlassbezogene Auswertung von für den Phänomenbereich relevanten Internetseiten durch. Bei festgestellten strafrechtlich relevanten Sachverhalten werden alle gebotenen polizeilichen Maßnahmen ergriffen . Zum bestmöglichen Ressourceneinsatz werden im Rahmen der Schwerpunktsetzung unterschiedlich viele Dienstkräfte mit diesen Aufgaben betraut. Im Jahr 2015 wurden im Phänomenbereich PMKrechts zwei Dienstkräfte eingestellt, die sich im Schwerpunkt mit der Thematik im Sinne der Fragestellung befassen . 8. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden im unter 1.- 3. abgefragten Zeitraum basierend auf Internet-Auswertungsergebnissen des LKA 53 eingeleitet und a. wie viele davon haben veröffentlichte Beiträge auf Facebook-Präsenzen, die sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin richten, zum Gegenstand? b. wie viele haben sonstige Facebook-Beiträge zum Gegenstand? c. wie viele haben Beiträge auf Twitter oder anderen sozialen Netzwerken zum Gegenstand? Zu 8.: Eine statistische Erfassung über eingeleitete Ermittlungsverfahren im Rahmen der Auswertetätigkeit der Dienstkräfte erfolgt nicht. Berlin, den 06. Oktober 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Okt. 2015)