Drucksache 17 / 17 074 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 22. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. September 2015) und Antwort Rechtsextremer Aufmarsch in der Rigaer Straße am 12. September 2015 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Lagen dem Senat im Vorfeld Erkenntnisse über Planungen der rechtsextremen Szene vor, im Falle eines rechtskräftigen Verbotes der Demonstration „Tag der Patrioten“ in Hamburg am 12.09.2015 Aktionen in Berlin durchzuführen? Zu 1.: Nein. 2. Lagen dem Senat im Vorfeld Erkenntnisse über eine geplante rechtsextreme Zusammenkunft am Morgen des 12.09.2015 in Friedrichshain vor und wenn ja, welche ? Zu 2.: Nein. 3. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat bezüglich des Anreiseweges der rechtsextremen Gruppe nach Friedrichshain am 12.09.2015 vor? 4. Wann genau und auf welchem Weg erlangte die Berliner Polizei am Morgen des 12.09.15 erstmals Kenntnis von der rechtsextremen Zusammenkunft? 5. Sind Berichte zutreffend, dass Polizeibeamte in bürgerlicher Kleidung bereits bei deren Ankunft in Friedrichshain auf die rechtsextreme Gruppe aufmerksam geworden sind und diese beobachteten? Zu 3. - 5.: Dem Polizeilichen Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) Berlin lagen Erkenntnisse über eine mögliche Beteiligung von Personen der „rechten Szene“ aus Berlin an der Versammlung „Tag der deutschen Patrioten“ („TddP“) in Hamburg vor. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde eine Ausreiseüberwachung veranlasst. Am Morgen des 12. September 2015 wurde eine Gruppe von ca. 50 Personen am Bahnhof Lichtenberg festgestellt. Darunter befanden sich auch amtsbekannte Personen der „rechten Szene“. Gegen 07:45 Uhr fuhren ca. 40 Personen dieser Gruppe geschlossen mit der UBahn in Richtung Alexanderplatz und verließen diese gemeinsam am U-Bahnhof Samariter Straße. Dabei wurden sie vorübergehend durch eingesetzte Kräfte der Polizei Berlin und der Bundespolizei in bürgerlicher Kleidung begleitet. Aufgrund dieser Ausgangssituation wurden umgehend uniformierte Unterstützungskräfte angefordert. 6. Wann genau trafen die ersten Polizeieinsatzkräfte vor Ort ein und um welche Kräfte handelte es sich dabei? Zu 6.: Nach der Anforderung von uniformierten Unterstützungskräften trafen wenige Minuten später Kräfte der Bundespolizei und Kräfte von zwei Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei Berlin am Einsatzort ein. 7. Wie viele Polizeieinsatzkräfte welcher Gliederungen (LKA, Einsatzhundertschaft, Direktion, Abschnitt) waren insgesamt an dem Einsatz beteiligt? Zu 7.: An dem Einsatz waren zu unterschiedlichen Zeiten insgesamt ca. 150 Beamtinnen beziehungsweise Beamte der Bundespolizei und der Polizei Berlin beteiligt. Bei den Kräften der Polizei Berlin handelte es sich um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bereitschaftspolizei, des Landeskriminalamts sowie der örtlich zuständigen Polizeidirektion 5. 8. Laut Pressemitteilung der Polizei Berlin wurden 41 Personen aus der Gruppe, die skandierend durch die Rigaer Straße gezogen ist, im Anschluss festgenommen. a. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte auf Grund welcher Straftatbestände wurden gegen diese Personen eingeleitet? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 074 2 b. Wie viele dieser Personen sind in Berlin polizeilich gemeldet (bitte wenn möglich nach Bezirken aufschlüsseln )? c. Wie viele dieser Personen haben ihre Meldeanschrift in anderen Bundesländern (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? d. Wie viele dieser Personen wurden in eine Gefangenensammelstelle verbracht und wie viele wurden nach welchen Kriterien vor Ort entlassen? Zu 8.: a. Gegen die 41 festgenommenen Personen wurde ein Verfahren wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs im besonders schweren Fall (§ 125a Strafgesetzbuch (StGB) eingeleitet. b. Von den 41 festgenommenen Personen sind 34 Personen polizeilich in Berlin gemeldet. Der überwiegende Anteil der Personen ist in Lichtenberg, MarzahnHellersdorf , Treptow-Köpenick und ein geringer Anteil im übrigen Stadtgebiet gemeldet. c. Sieben Personen sind im Land Brandenburg gemeldet . d. Die 41 festgenommenen Personen wurden zur Durchführung weiterer polizeilicher Maßnahmen der Gefangenensammelstelle zugeführt. Dort erfolgte in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Berlin nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen individuell die Entlassung. 9. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat zum Hintergrund der rechtsextremen Zusammenkunft vor? Zu 9.: Dem Senat lagen Erkenntnisse vor, dass sich Personen der „rechten Szene“ für eine Teilnahme an der Versammlung „Tag der deutschen Patrioten“ („TddP“) in Hamburg für eine gemeinsame Anfahrt in Berlin sammeln wollten. Vermutlich wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der kurzfristigen Bestätigung des Versammlungsverbotes durch das Bundesverfassungsgericht überrascht, da in der Vergangenheit entsprechende Entscheidungen regelmäßig zugunsten der Veranstalter ausgefallen sind. Bei dem Zug durch die Rigaer Straße, in der es linke Szeneobjekte gibt, dürfte es sich um eine gezielte Provokation durch Rechtsextremisten gehandelt haben. Mit der „Rigaer 94“ befindet sich in der Rigaer Straße unter anderem die wichtigste Institution der Berliner Anarchoszene. Dabei handelt es sich vordergründig um einen Gebäudekomplex in der zweiten Häuserreihe der Rigaer Straße. Die linksextremistische Szene reklamiert für sich, einen „autonomen Freiraum“ erkämpft zu haben, den es um jeden Preis zu verteidigen gelte. Das bedeutet ganz konkret , dass dort rechtsstaatlichen Normen die Geltung abgesprochen wird und dass dieser Raum dem Zugriff des Staates und von Investoren entzogen werden soll. 10. Haben Festgenommene gegenüber den vor Ort eingesetzten Polizeibeamten Angaben zu Ziel und Zweck ihrer Zusammenkunft gemacht und wenn ja, welche? 11. Wurden bei Festgenommenen Gegenstände sichergestellt , die auf die Absicht ihrer Zusammenkunft schließen lassen wie beispielsweise Transparente, Fahnen, Megafone, Vermummungsutensilien, pyrotechnische Erzeugnisse, Waffen, gefährliche Gegenstände? Zu 10. - 11.: Vor dem Hintergrund eines laufenden Ermittlungsverfahrens sind Angaben hierzu derzeit nicht möglich. 12. Wie viele der festgenommenen Personen gehören nach Einschätzung des Senates der rechtsextremen Szene an und a. zu wie vielen der 41 festgenommenen Personen lagen staatsschutzrelevante Vorerkenntnisse vor? b. wie viele der festgenommenen Personen sind bereits zuvor durch Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität – Rechts in Erscheinung getreten? Zu 12.: Nach vorläufiger Bewertung stehen alle festgenommenen Personen der „rechten Szene“ zumindest nahe. a. Zu 31 der festgenommenen Personen lagen bereits staatsschutzrelevante Erkenntnisse vor. b. Insgesamt sind 28 der festgenommenen Personen bereits durch Straftaten der politisch motivierten Kriminalität -Rechts in Erscheinung getreten. 13. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat über Zugehörigkeiten der 41 festgenommenen Personen zu rechtsextremen Parteien und Organisationen vor und a. befanden sich unter den Festgenommenen Personen mit Verbindungen zur „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD)“ und wenn ja, wie viele? b. befanden sich unter den Festgenommenen Personen mit Verbindungen zur Partei „Die Rechte“ und wenn ja, wie viele? c. befanden sich unter den Festgenommenen Personen mit Verbindungen zur Partei „Der III. Weg“ und wenn ja, wie viele? d. befanden sich unter den Festgenommenen Personen mit Verbindungen zum rechtsextremen Netzwerk „Nationaler Widerstand Berlin (NW-Berlin)“ und wenn ja, wie viele? e. befanden sich unter den Festgenommenen Personen mit Verbindungen zu verbotenen rechtsextremen Kameradschaften (insb. „Kameradschaft Tor“ und „Frontbann 24“)? f. befanden sich unter den Festgenommenen Personen mit Verbindungen zu den Anmeldern/ Organisatoren von rechtsextremen Aufmärschen gegen Flüchtlingsunterkünfte in Berlin? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 074 3 Zu 13., a., d., e., f. : Unter den 41 festgenommenen Personen befanden sich Angehörige und Führungskader des Netzwerks „Freie Kräfte“ und von subkulturell geprägten Rechtsextremisten, darunter auch Personen mit Verbindungen zu Anmeldern und Organisatoren von rechtsextremistischen Aufmärschen gegen Flüchtlingsunterkünfte in Berlin sowie zu verbotenen rechtsextremistischen Kameradschaften wie der „Kameradschaft Tor Berlin“. Dem Senat ist zudem unter den Festgenommenen eine Person als Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) bekannt. Zudem befand sich ein polizeibekannter Anmelder von Versammlungen vor Gemeinschaftsunterkünften für geflüchtete Menschen und Asylbegehrende unter den Festgenommenen. b. und c. Hierzu liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. d. Das Kürzel „NW Berlin“ stand für die fiktive Bezeichnung „Nationaler Widerstand Berlin“. Eine Homepage mit diesem Namen (www.nw-berlin.net) wurde den rechtsextremistischen „Autonomen Nationalisten“ zugerechnet . Eine Gruppierung gleichen Namens existierte im rechtsextremistischen Spektrum Berlins nicht. Berlin, den 06. Oktober 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Okt. 2015)