Drucksache 17 / 17 077 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 22. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. September 2015) und Antwort »Heartbreak Hotel« - Unterbringung von Flüchtlingen in Hostels (V) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Anzahl der tatsächlich in Berlin aufgenommenen Personen fiel nahezu während des gesamten laufenden Jahres signifikant höher aus, als vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gemäß § 44 Absatz 2 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) prognostiziert worden war. Lediglich im Mai entsprach das reale Asylaufkommen etwa der Einschätzung des Bundes. Insbesondere ist ein sprunghafter Anstieg der Zuzugszahlen – ausgehend von einem bereits deutlich höheren Niveau als im Vorjahr – in der zweiten Jahreshälfte festzustellen, wodurch bereits im Juli das Doppelte der auf Grund der Bundesprognose erwarteten Zahl übertroffen und im August sogar annährend das Dreifache der erwarteten Größenordnung erreicht worden ist. Mit über 8.200 nach Berlin verteilten Personen im September ist eine weitere exorbitante Steigerung der Zugänge erreicht worden. Von Januar bis September 2015 sind damit nahezu 30.000 Asylbegehrende nach Berlin verteilt worden. Um für die erfolgreiche Bewältigung dieser enormen Herausforderung alle auf Landesebene verfügbaren Ressourcen zu bündeln und nutzbaren Potentiale zu erschließen , beschloss der Senat am 11.08.2015 u. a. die Einrichtung eines landesweiten Koordinierungsstabes Flüchtlingsmanagement (LKF) unter Federführung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Dieses Gremium soll das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo ) bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben unterstützen, insbesondere bei der Erstaufnahme von Anträgen im Asylverfahren und der Unterbringung von Flüchtlingen. Die Einrichtung dieses Gremiums bildet das Kernstück eines vom Senat initiierten Sofortprogramms, welches die administrativen und organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen soll, dass Berlin - ungeachtet der immens angestiegenen Zuzugszahlen - der Herausforderung , alle aufgenommenen Flüchtlinge angemessen unterzubringen und zu versorgen, gerecht werden kann. Hierfür müssen allerdings die zu lösenden Aufgaben priorisiert und nach ihrem Stellenwert für das vorrangige Ziel, für alle aufzunehmenden Flüchtlinge eine menschenwürdige Unterbringung und bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten, geordnet werden. Vor diesem Hintergrund muss derzeit der Schaffung ausreichender Unterkunftsplätze durch zügige Inbetriebnahme weiterer Notunterkünfte einerseits und der möglichst baldigen Rückkehr zu einem geordneten und kundenorientiertem Dienstbetrieb bei der Erstvorsprache und Registrierung von neu eintreffenden Asylsuchenden andererseits der unbedingte Vorrang vor allen anderen Aufgaben beigemessen werden. Die im LAGeSo verfügbaren Ressourcen müssen folgerichtig auf diese beiden Aufgabenschwerpunkte fokussiert werden, was notwendigerweise bedeutet, andere, in der derzeitig überaus angespannten Situation als nachrangig zu bewertende Vorhaben zurückzustellen oder zumindest zu reduzieren. 1. In der Antwort auf die Schriftliche Anfrage (Drs. 17/15713) vom 10. März 2015 gibt der Senat an, dass dem LAGeSo eine zeitliche Planung vorliegt, wonach auch alle bereits für die Unterbringung Asylsuchender genutzten Hostels mittels Fragebogen und Begehung einer Überprüfung unterzogen werden. Wie sieht die zeitliche Planung, die dem LAGeSo vorliegt, um alle bereits genutzten Hostels einer Überprüfung zu unterziehen, im Detail aus? (Bitte zeitliche Planung anfügen.) 2. Welche Standards und Kriterien legt das LAGeSo der Überprüfung der Hostel- und Pensionsbetriebe zugrunde ? (Bitte exemplarisches Begehungsprotokoll anfügen ?) 7. Wie viele Quadratmeter stehen einer Person, die in einem Hostel untergebracht ist, jeweils mindestens zu und wie überprüft der Senat die Einhaltung der Quadratmeterzahl pro Person? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 077 2 8. Welche konkreten Maßnahmen unternimmt der Senat in Fällen, bei denen in Hostels die jeder Person zustehende Mindestquadratmeterzahl unterschritten wird? Zu 1., 2., 7., 8.: Die Unterbringung von Flüchtlingen in Hostels und Pensionen stellt keine angemessene Unterbringung von Schutz und Zuflucht suchenden Personen dar. Sie war in der Vergangenheit daher nur für plötzliche Engpässe, also bei tageweisen Notfällen gedacht. Nur den ständig steigenden Zugangszahlen ist es zuzuschreiben, dass diese Unterbringungsmöglichkeit ein solches Ausmaß angenommen hat. Ziel des Senats ist es, die Unterbringung in Hostels und Pensionen konsequent zu reduzieren und sie baldmöglichst auf ihre ursprüngliche Notfallfunktion zurückzuführen. Daher sind die momentanen Aufgaben der Berliner Unterbringungsstelle (BUL) darauf konzentriert, genügend andere Einrichtungen zu schaffen, in denen nach und nach auch die bisher in Hostels untergebrachten Personen Platz finden sollen, anstatt Standards für Hostels zu schaffen und diese kontinuierlich zu überprüfen . Gegenwärtig werden die Begehungen anlassbezogen durchgeführt. Bei den Begehungen werden die Qualitätsstandards für vertragsgebundene Unterkünfte hinsichtlich des Brandschutzes, der Hygiene und Unfallgefahr als Grundlage zugrunde gelegt. 3. Wie viele Hostels wurden bereits im Jahr 2015 wann einer Überprüfung unterzogen und mit welchem Ergebnis jeweils? (Bitte einzeln aufschlüsseln nach Name des Hostels, Adresse, Datum und Prüfergebnis.) 4. Hat das LAGeSo in Fällen, bei denen bei der Überprüfung Mängel festgestellt wurden, Konsequenzen gezogen und wenn ja, welche Maßnahmen der Mängelbeseitigung wurden in jedem Einzelfall ergriffen? Zu 3. und 4.: Begangene Hostels im Jahre 2015: Hostel Datum der Begehung Fazit Hostel am Luisenbad 16.01. / 01.04.2015 Bedenken zur Unterbringung bestehen nicht. Apartmenthaus 21.08.2015 Aufgrund fehlender Nutzungsgenehmigung kann keine weitere Unterbringung erfolgen Rixpack Hostel 29.09.2015 Unter Einhaltung der bauaufsichtlichen Auflagen kann eine Unterbringung von ca. 50 Personen weiterhin erfolgen Berlin Hostel 23.07.2015 Hier wurden kleinere Mängel in den Sanitäranlagen der Einrichtung festgestellt, die zu beheben sind. Nach Abstellung ist hier eine ausreichende Unterbringung gewährleistet. Erneute Begehung geplant. Aap Hotel 23.07.2015 Bedenken zur Unterbringung von ca. 204 Personen bestehen seitens des LAGeSo nicht. Zwischenzeitlich wurde auch ein ordnungsgemäßer Brandschutz durch die Bauaufsichtsbehörde bestätigt. Hotel/Pension Delta 02.10.2015 Bedenken zur Unterbringung bestehen nicht. Alle Zimmer entsprachen einfachen Hostel Standards 5. Mit folgenden Hostels bestanden zum Zeitpunkt der Anfrage am 10. März 2015 Kontingentvereinbarungen: - Tempelhofer Damm 124 - Sophienstraße 19 - Citadines Apart‘Hotel - Enjoy Hotel - Metropol Hostel Berlin - Pension/Hotel Stern - BB-Hotel - Hostel die Etage East - Hostel Hermsdorf Mit dem Hostel City 54, Chausseestraße bestand ein Gruppenbelegungsvertrag. Bestehen die Kontingentvereinbarungen und der Gruppenbelegungsvertrag mit den oben aufgeführten Hostels nach wie vor? a) Wenn nein, aus welchen genauen Gründen nicht? b) Wenn ja, haben sich die in den Kontingentvereinbarungen und im Gruppenbelegungsvertrag der einzelnen Hostels festgelegten Platzkapazitäten jeweils verändert und wie genau? (Bitte aufschlüsseln nach Name des Hostels , Adresse und nach Erhöhung- oder Verringerung der Platzkapazitäten jeweils.) Zu 5.: Da die Unterbringung in Hostels schrittweise beendet werden soll, werden auslaufende Kontingentvereinbarungen möglichst nicht mehr verlängert, zumindest aber erheblich reduziert, wie die Kontingentvereinbarung mit dem Hostel „Sophienstraße 19“ oder die Einrichtung in der Chausseestraße (beendet). In den Einrichtungen Citadines Apart’Hotel (neu: 4 Plätze) und Hostel die Etage East (neu: 10 Plätze) fand eine Reduzierung der Kapazität statt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 077 3 9. Hat das LAGeSo die in Frage 5. aufgeführten Hostels in 2015 bereits einer Besichtigung unterzogen? a) Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis jeweils? (Bitte aufschlüsseln nach Name des Hostels und Adresse, Datum und Prüfergebnis.) b) Wenn nein, warum nicht und für wann ist eine Überprüfung der angegebenen Hostels geplant? (Bitte Zeitplan anfügen.) Zu 9.: Das Objekt Chausseestraße wurde am 13.03.2015 begangen. Mängel wurden dabei nicht festgestellt . 10. Durch welche konkreten Maßnahmen schließt der Senat aus, dass HostelbetreiberInnen untereinander keinen "Handel mit Hostelgutscheinen" betreiben? Zu 10.: Dem Senat ist bekannt, dass Gerüchte über Handel mit Hostelgutscheinen kursieren. Bisher haben die Ermittlungsbehörden dazu noch keine Ergebnisse. 11. Schließt der Senat aus, dass Asylsuchende trotzdem weiterhin durch Annahme von Gutscheinen in Hostels untergebracht werden, auch nachdem diese vom LAGeSo für die Unterbringung Asylsuchender ausgenommen wurden? 12. Durch welche konkreten Maßnahmen schließt der Senat aus, dass die Hostelgutscheine nicht in den vom LAGeSo ausgenommen Hostel eingelöst werden und Asylsuchende darin untergebracht werden? Zu 11. und 12.: Es gibt weder eine rechtliche noch praktische Handhabe, um Hostelbetrieben die Einquartierung von Flüchtlingen zu untersagen. Allerdings wird durch die explizite Benennung der von der Kostenübernahme ausgenommenen Häuser auf der Bescheinigung auch für die jeweiligen Betriebe hinreichend deutlich, dass die Beherbergungskosten nicht vom LAGeSo übernommen werden, so dass keine Kostendeckung gegeben ist. Der Senat geht daher davon aus, dass die betroffenen Betriebe - im Sinne eines marktwirtschaftlichen, gewinnorientierten unternehmerischen Handelns - schon wegen des Finanzierungsrisikos davon absehen, Personen ohne eine valide Kostenübernahmebescheinigung aufzunehmen . Berlin, den 12. Oktober 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Okt. 2015)