Drucksache 17 / 17 082 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 24. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. September 2015) und Antwort Nazigrüße von E. H. - wie geht die Polizei mit rechten Parolen im eigenen Haus um? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Nachgefragt wird unter anderem die Übermittlung personenbezogener Daten zu einem Beamten sowie zu seinen Vorgesetzen und Kolleginnen und Kollegen. Personenbezogene Daten im Sinne des Berliner Datenschutzgesetzes sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), § 4 Absatz 1 Satz 1 Berliner Datenschutzgesetz. Auch wenn keine Namen genannt werden, sind die oben Aufgeführten bestimmbare Personen, da sie mit Zusatzwissen bestimmt werden können. Aus diesem Grund kollidiert vorliegend Ihr verfassungsrechtliches Informationsrecht mit den Grundrechten der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikeln 1, 2 Grundgesetz. Ihr Informationsanspruch ist daher mit den Grundrechten der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen. Die Rechtsprechung löst das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Daten und dem Informationsrecht des Parlaments, das ebenfalls Verfassungsrang genießt, nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz. Beide Rechte müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten (Bundesverfassungsgericht , Urteil vom 17.07.1984, Aktenzeichen: 2 BvE 11/83, 2 BvE 15/83, zitiert nach juris). Das bedeutet, dass das Kontroll- bzw. Informationsrecht des Parlaments wegen seiner Bedeutung für die parlamentarische Demokratie und für das Ansehen des Staates nur dann hinter dem Persönlichkeitsrecht des Einzelnen zurücktritt, wenn Informationen in Rede stehen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist (vgl. Verfassungsgericht des Freistaates Sachsen, Urteil vom 30.09.2014, Aktenzeichen: Vf. 69 I- 13, Rn. 13, zitiert nach juris). Bei der Beantwortung Ihrer Fragen wurde dieser Maßstab jeweils zugrunde gelegt. 1. Ist dem Senat der Fall des zu einer Geldstrafe verurteilten Polizeibeamten E. H. bekannt, nachdem er rechtsextreme Weihnachtsgrüße („Ho-Ho-Holocaust“) verschickt hatte? Ist in diesem Fall ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden? Wenn ja: Welches Ergebnis hatte das Verfahren bzw. wann ist mit einem Ergebnis zu rechnen? Ist H. aufgrund des Vorfalls versetzt worden und in welcher Dienststelle arbeitet H. aktuell? Zu 1.: Dem Senat ist der Fall bekannt. Das disziplinarrechtlich Erforderliche wurde von dem Polizeipräsidenten in Berlin veranlasst. Der Beamte versieht derzeit seinen Dienst im Bereich der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung einer örtlichen Direktion. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 2. Inwieweit wurden Dienststelle und Wohnung des H. auf rechtsextremes Material untersucht und welches Ergebnis hatte diese Untersuchung? Zu 2.: Das Strafverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Auskünfte hierzu können nicht gegeben werden. 3. Wie vielen KollegInnen schickte H. rechtsextreme Inhalte und welche Funktionen besetzten diese? Wurde die Tat von einem oder mehreren dieser KollegInnen zur Anzeige gebracht? Zu 3.: Es haben maximal ca. 15 bis 16 Dienstkräfte der Polizei Kenntnis von den verschickten rechtsextremen Inhalten genommen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 082 2 4. Waren unter den EmpfängerInnen direkte Vorgesetzte des H. und wenn ja, haben diese Vorgesetzten – wann? - das Verhalten zur Anzeige gebracht? Wann haben die Vorgesetzten sonst von dem Vorgang erfahren und wie hätten diese grundsätzlich reagieren müssen? Welche Dienstvorschriften zum Umgang mit derartigen Vorfällen existieren innerhalb der Berliner Polizei? Sind KollegInnen bzw. Vorgesetzte verpflichtet, solche Vorfälle zur Anzeige zu bringen? Wenn ja: Welche Vorschriften gibt es bei Zuwiderhandlungen gegen diese Verpflichtung und wie wurde in diesem konkreten Fall verfahren? Wenn nein: wieso nicht? Zu 4.: Für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte gilt das Legalitätsprinzip gemäß § 163 Absatz 1 Strafprozessordnung (StPO) (Strafverfolgungszwang). Ziffer 1.2 und 1.7 der Geschäftsanweisung (GA) Landeskriminalamt Nr. 9/2007 über die Entgegennahme von Strafanzeigen enthält folgende Regelung: „Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte sowie Angestellte im Polizeivollzugsdienst haben ohne Einschränkung in allen Fällen Anzeigen zu erstatten, wenn sie dienstlich Kenntnis von Straftaten erlangen. Dies gilt für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte grundsätzlich auch bei außerdienstlicher Erlangung der Kenntnis von Straftaten; für Angestellte im Polizeivollzugsdienst bei Kenntniserlangung von schwerwiegenden Straftaten, entsprechend dem Straftatenkatalog des § 138 Strafgesetzbuch (StGB).“ Nach der Polizeidienstvorschrift (PDV) 350 BE, Ziffer 3.1.1 müssen sich Angehörige der Berliner Polizei durch ihr gesamtes dienstliches und außerdienstliches Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und für ihre Erhaltung eintreten. Es kommen des Weiteren insbesondere Verstöße gegen § 258 a StGB, Strafvereitelung im Amt, § 357 StGB, Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat, § 101 Landesbeamtengesetz, Pflichten der Polizeivollzugskräfte , und § 34 Satz 3 Beamtenstatusgesetz, Verhalten, in Betracht. Bei Verstößen gegen diese Bestimmungen wird das straf- und disziplinarrechtlich Notwendige veranlasst. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 5. Haben Beamte oder Angestellte dienstrechtliche oder sonstige negative Konsequenzen zu befürchten, wenn sie KollegInnen wegen rechtsextremer Äußerungen anzeigen? Wann sind die KollegInnen, die das Verhalten zur Anzeige gebracht haben, das letzte Mal befördert worden? Wie stellen sich die Beförderungen der Anzeigenden im Verhältnis zu vergleichbaren KollegInnen dar? Zu 5.: Polizeidienstkräfte haben keine Konsequenzen zu befürchten, wenn sie straf- oder disziplinarrechtlich relevante Sachverhalte zur Anzeige bringen. Die Verbindung zum Aspekt der Beförderung ist daher sachfremd. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. 6. Welche weiteren Fälle von rechtsextremen Äußerungen durch Beamte oder Angestellte der Berliner Polizei sind dem Senat jeweils aus den Jahren 2010-2015 bekannt? Welche Dienststellen waren jeweils betroffen? Wie wurden diese zur Anzeige gebracht und welche Konsequenzen wurden für die Täter gezogen? Zu 6.: Eine belastbare statistische Auswertung ist anhand der Daten des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMDPMK ) nicht möglich. Beim Polizeilichen Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin wurden im Zeitraum 2010 bis 2015 vier Ermittlungsverfahren gegen Dienstkräfte des Polizeipräsidenten in Berlin geführt, in denen jeweils der Anfangsverdacht einer Volksverhetzung gegeben war. Drei der Verfahren wurden durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Absatz 2 StPO und ein Verfahren gemäß § 153 a Absatz 1 Ziffer 2 StPO eingestellt. In allen Fällen wurde eine disziplinarrechtliche Relevanz geprüft, in zwei Fällen wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, die im Ergebnis eingestellt wurden. Die Anzeigenerstattung war in zwei Verfahren durch Dienstkräfte der Polizei und in zwei Verfahren durch Bürgerinnen bzw. Bürger erfolgt. 7. Sind dem Senat Fälle bekannt, bei denen Beamte oder Angestellte der Berliner Polizei über rechtsextreme Äußerungen von KollegInnen informiert wurden, es aber keine dienstrechtlichen Konsequenzen gab? Wenn ja: wie begründet der Senat diese Vorgehensweise? Zu 7.: Derartige Fälle sind dem Senat nicht bekannt. 8. Ist die Darstellung von ProzessbeobachterInnen korrekt, wonach der Kommissariatsleiter des H. zunächst vor Gericht darstellte, nicht von den KollegInnen informiert worden zu sein und diese Aussage von der Staatsanwaltschaft widerlegt wurde? Wenn ja: welche Konsequenzen hat so eine falsche Darstellung vor Gericht? Zu 8.: Soweit dem Senat bekannt, ist diese Darstellung unzutreffend. 9. In welchen Abteilungen hat H. im Laufe seiner Karriere bei der Berliner Polizei gearbeitet? Sind Pressedarstellungen korrekt, wonach H. unter anderem beim Staatsschutz gearbeitet hat und dort rechtsextreme Straftaten bearbeitet hat? Wenn ja: wie bewertet der Senat diesen Umstand? Hält der Senat vor diesem beruflichen Hintergrund die Aussage des H. für glaubhaft, die Verschickungen seien „aus Spaß“ erfolgt? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 082 3 Zu 9.: Der Beamte wurde zeitweise beim Landeskriminalamt (LKA 5) sowie in der kriminalpolizeilichen Sachbearbeitung einer Direktion verwendet. Der Senat sieht auch angesichts der disziplinar- und strafrechtlichen Relevanz keinen Anlass für weitere Bewertungen und Einschätzungen. Berlin, den 07. Oktober 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Okt. 2015)