Drucksache 17 / 17 106 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 28. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. September 2015) und Antwort Novelle des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum: Beabsichtigte und erforderliche Änderungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1:Warum plant der Senat bei der beabsichtigten Änderung des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum nicht die Einführung einer Regelung, mit der die Einweisung von Mieterinnen und Mietern in zweckentfremdete Wohnungen durch die Behörden , z.B. über einen Treuhänder, ermöglicht wird, sofern Eigentümer der Aufforderung zur Beseitigung der Zweckentfremdung nicht nachkommen? Frage 2:Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Senat und Bezirke bislang, nicht genutzten Wohnraum bzw. nicht für Zwecke des dauerhaften Wohnens genutzte Wohnungen in Anspruch zu nehmen und wie wird die Novelle des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum die rechtlichen Voraussetzungen verändern? Antwort zu 1. und 2.: Zuständige Behörde für die Umsetzung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes sind die Bezirke. Die gegen das Verbot Handelnden sollen mit Hilfe von Verwaltungszwang zur Vornahme einer Handlung (Rückführung des zweckfremd genutzten Wohnraumes zu Wohnzwecken) gebeugt werden. Sobald dieses Ziel erreicht ist, ist der Vollzug einzustellen. Gegen die Anwendung von Verwaltungszwang sind außerdem Rechtsmittel möglich. Bei der Anwendung von Verwaltungszwang mit den nach § 9 des VerwaltungsVollstreckungsgesetz (VwVG) vorgesehenen Zwangsmitteln der Ersatzvornahme (§ 10 VwVG), des Zwangsgeldes (§ 11 VwVG) und des unmittelbaren Zwanges (§ 12 VwVG) gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel, d.h. besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, dass im Rahmen von Verwaltungszwangsverfahren ein angemessenes Verhältnis zum angestrebten Erfolg bestehen muss. Das Zwangsmittel ist möglichst so zu bestimmen , dass die/der Betroffene und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt werden. Vorrangig und regelmäßig wird deshalb im Falle einer unter Zwangsmittelandrohung stehenden Rückführungsaufforderung zunächst das Zwangsgeld zur Anwendung gelangen. Wobei Zwangsgelder auch erneut und in der Höhe unterschiedlich zur Anwendung gelangen können. Führt das Zwangsgeld nicht zum Ziel, kann, sofern für den Einzelfall zutreffend, auch mit den Mitteln der Ersatzvornahme oder des unmittelbaren Zwanges, wozu die angeführte Einweisung von Mieterinnen oder Mietern in Wohnungen durch die Behörde wie auch über einen Treuhänder zählt, vorgegangen werden. Einer diesbezüglich ausdrücklichen Ermächtigung im Zweckentfremdungsverbot -Gesetz bedarf es nicht, da § 6 des Zweckentfremdungsverbot -Gesetzes (ZwVbG) die Anwendung von Verwaltungszwang als solchen bereits vorsieht. Frage 3: Warum hält der Senat angesichts der stark erhöhten Nachfrage nach Wohnraum die Verkürzung der Frist von sechs (§ 2 Abs. 1 Nr. 4) bzw. zwölf (§ 2 Abs. 2 Nr. 4) Monaten Leerstand auf drei (oder vier) Monate nach Hamburger Vorbild für nicht erforderlich? Antwort zu 3.: Die Fristen in Berlin resultieren aus der Neuimplementierung eines Zweckentfremdungsverbotes in Berlin. In Hamburg besteht seit Jahrzehnten ein Zweckentfremdungsverbot mit entsprechendem Bekanntheitsgrad . Der Senat schließt für Berlin nicht aus, dass mittelfristig die Leerstandfristen ggf. auch verkürzt werden könnten. Frage 4: Warum sieht der Senat bei der geplanten Novelle keine Regelungen zur Erfassung und zum gesamtstädtischen Monitoring des Leerstands von Wohnraum vor, obwohl ohne solche Daten ein wirksamer Vollzug des Gesetzes nicht möglich ist? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 106 2 Frage 5: Warum sieht der Senat bei der geplanten Novelle keine Regelungen zur Erfassung von und zur Berichtspflicht über Abrissanträge für Wohnraum vor, obwohl etliche solche Anträge aktuell gestellt werden und die Bezirke damit sehr unterschiedlich verfahren? Frage 6: Welche Erkenntnisse hat der Senat über derzeit vorliegende Abrissbegehren in den Bezirken und in welcher Weise wirkt er darauf hin, dass Genehmigungen dafür von den Bezirken nicht erteilt werden? Wie viele verwaltungsgerichtliche Klageverfahren sind seit dem Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes in Berlin diesbezüglich bzw. bezüglich darauf beruhendem Verwaltungshandeln anhängig (Bitte um Aufschlüsselung nach Bezirken)? Antwort zu 4. bis 6.: Nach § 5 ZwVbG ist das zuständige Bezirksamt befugt, Daten zu Verfügungsberechtigten , Nutzungsberechtigten und sonstigen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie zur Wohnung, Nutzungsnachweisen und Gewerbe zu erheben und zu verarbeiten. Damit ist eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Datenerfassung vorhanden. Zur Erfassung, Verarbeitung sowie Bescheidung wird den Bezirksämtern zur DV 1 -technischen Unterstützung das sog. InWo 2 -Teilverfahren ZWOL 3 zur Verfügung gestellt. Aus den in diesem DV-Verfahren abgelegten Daten lassen sich verschiedenste Statistiken generieren, auf die die Bezirke wie auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zugreifen können. In Planung ist derzeit eine auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen verfügbare Auswertung zur Zahl der Wohnungen der in einem bestimmten Zeitraum gültigen Leerstands-, Zweckentfremdungs- und Abrissgenehmigungen, so dass z.B. auch die Entwicklung des genehmigungspflichtigen längerfristigen Leerstandes beobachtbar ist. Derzeit erfolgen außerdem regelmäßig - alle drei Monate - Abfragen bei den Bezirken zum Umsetzungsstand des Zweckentfremdungsverbotes (vgl. aktuell in Anlage zum Bericht der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 15. September 2015 an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin zur Ergänzung und Aktualisierung der roten Nr. 1473 B). Wie aus diesen Abfragen ersichtlich, liegen bisher keine Klageverfahren zu bezirklichen Entscheidungen in zweckentfremdungsrechtlichen Abrissverfahren vor. Neuere Auswertungen liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. 1 Datenverarbeitung 2 Integriertes Wohnungswesen 3 Zweckentfremdung und Wohnungsleerstand Nicht notwendig oder sinnvoll wäre eine Berichtspflicht der für die Umsetzung des Zweckentfremdungsverbotes in Berlin zuständigen Bezirke, ggf. sogar nur isoliert über Abrissanträge, auf gesetzlicher Ebene zu implementieren. Eine derartige Berichtspflicht müsste mit detaillierten inhaltlichen Angaben über das Was, Wann, an Wen etc. untersetzt werden und würde damit ein Gesetz nicht nur rechtssystematisch „überfrachten“. Beachtlich wäre im Weiteren, dass evtl. Änderungen oder inhaltliche Ergänzungen auch nur jeweils über aufwändige und zeitintensive erneute Novellierungsverfahren überhaupt möglich wären. Da sich das Zweckentfremdungsverbot als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt darstellt, in dem die Versagung einer zweckfremden Nutzung von Wohnraum - so auch die Beseitigung/der Abriss von Wohnraum - die Regel und die Genehmigung die Ausnahme bilden, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Bezirke nicht im Sinne dieser Maxime entscheiden. Zur Gewährleistung eines rechtlich einheitlichen und gleichmäßigen Verwaltungshandelns bestehen zudem Verwaltungsvorschriften zum Zweckentfremdungsverbot. Wie bereits in Antwort vom 7. August 2015 zur Schriftlichen Anfrage 17/16711 dargelegt, hat der Senat bisher auch noch keinen Anlass gesehen, von seinem im § 13a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten in der Allgemeinen Berliner Verwaltung (AZG) beschriebenen Eingriffsrecht Gebrauch zu machen. Berlin, den 06. Oktober 2015 In Vertretung Prof. Dr.-Ing. Engelbert Lütke Daldrup ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Okt. 2015)