Drucksache 17 / 17 118 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 30. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Oktober 2015) und Antwort Gender Mainstreaming in der Verkehrspolitik Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Warum wurde das im 2003 beschlossenen Stadtentwicklungsplan Verkehr unter dem Qualitätsziel 5 der sozialen Zieldimension genannte Ziel „Herstellung vergelichbarer Mobilitätschancen auch ohne PKW“ in der 2011 beschlossenen Fortführung des Stadtentwicklungsplans Verkehr nicht mehr aufgeführt? Hält der Senat dieses Ziel für bereits erreicht? Wenn ja, wie wurde das Ziel erreicht? Frage 2: Warum wurde das unter dem Qualitätsziel 5 der sozialen Zieldimension im 2003 beschlossenen Stadtentwicklungsplan Verkehr genannte Handlungsziel „Abbau der Geschlechterdifferenz bei der Mobilität“ im 2011 nicht mehr explizit genannt? Hält der Senat dieses Ziel für bereits erreicht? Wenn ja, wie wurde dies evaluiert und mit welchen Maßnahmen wurde dieses Ziel erreicht? Wenn nein, warum wird der Abbau von Diskriminierung von Frauen im Zugang zu Mobilität nicht mehr als notwendig erachtet? Frage 3: Mit welchen konkreten Maßnahmen wurde das im 2011 beschlossenen Stadtentwicklungsplan Verkehr unter Qualitätsziel 5 in der sozialen Zieldimension genannte Handlungsziel „Ermöglichung von Mobilität unabhängig von Geschlecht und Lebenssituation“ im entsprechenden Mobilitätsprogramm konkretisiert? Konnten hier bereits Erfolge erzielt werden? Wenn ja, durch welche Maßnahmen? Wenn nein, warum nicht? Wann und durch wen wird eine Evaluierung erfolgen? Frage 4: Wie wurden die Erreichung der Zielsetzungen des 2003 beschlossenen Stadtentwicklungsplans evaluiert und wie gingen die Ergebnisse der Evaluation in die 2011 beschlossene Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Verkehr ein? Antwort zu 1, 2, 3 und 4: In 2003 war das Thema „Zugänglichkeit zu Mobilität für Frauen auch ohne Pkw“ explizit thematisiert. Im Erarbeitungsprozess des 2011 beschlossenen Stadtentwicklungsplans Verkehr (StEP Verkehr) wurde unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Umsetzung des StEP Verkehr von 2003 die Ermöglichung von Mobilität für ALLE thematisiert - unabhängig von Alter, Geschlecht und Herkunft - wie es der Auftrag zum Gender Mainstreaming vorsieht, und nicht nur explizit auf Frauen bezogen. Dies bedeutet nicht, das die Belange der Frauen nicht mehr berücksichtigt werden, sondern dass Mobilitätsangebote flächendeckend und diskriminierungsfrei erfolgen sollen. Die Tatsache, dass Frauen – gerade in höheren Altersgruppen – seltener über einen Führerschein verfügen als Männer, sollte nicht als Anlass genommen werden, verkehrspolitische Maßnahmen zu definieren. Grundsätzlich sieht der StEP Verkehr eine diskriminierungsfreie Zugänglichkeit zur Mobilität mit dem Fokus auf den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds vor. Zu Frage, ob bereits Erfolge erzielt wurden: Ja, hier hat es Erfolge gegeben, die Fußverkehrsstrategie mit dem Querungsstellenprogramm, der Ausbau der Radverkehrsnetze , die zusätzlichen Angebote im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sind Maßnahmen, die auch durch die ursprünglichen Zielsetzungen in 2003 begründet sind und mit der Neuformulierung aus 2011 weiterhin wesentlich sind. Die Analysen zur Verkehrsteilnahme haben beispielsweise im Rahmen der Untersuchung „Mobilität in Städten - SrV 2008“ gezeigt, dass Frauen nicht weniger unterwegs sind, sondern in bestimmten Altersgruppen deutlich mehr Wege machen als Männer, dies aber teilweise mit anderen Verkehrsmitteln. Ein Grund für eine andere Verkehrsmittelnutzung lag in der Vergangenheit auch in einer geringeren Führerscheinquote von Frauen gerade in den höheren Altersgruppen. Die jetzt vorliegende Daten aus „Mobilität in Städten – SrV 2013“ untermauert diese Aussagen. Sie zeigt, dass anteilig in den höheren Altersgruppen ein höherer Führerscheinbesitz bei Männern vorliegt. In der Altersgruppe 17-45 Jahre sind die Führerscheinquoten mittlerweile nahezu identisch (82 % bei Frauen bzw. 83 % bei Männern). Bei 45 bis unter 65 Jahren liegt dies bei 85 % bzw. 92 %, noch deutlicher Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 118 2 wird dies bei der Altersgruppe ab 65 Jahren mit 64 % und 89 %. (siehe http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/ zahlen_fakten/download/SrV_2013_Berlin_Steckbrief.pdf) Die Angleichung der Führerscheinquoten ist damit in den Altersgruppen bis 45 Jahren bereits erfolgt, für eine stadtverträgliche Verkehrsentwicklungsplanung ist es aber wesentlich, dass die Förderung der Nutzung des Umweltverbunds alle Menschen – unabhängig von Geschlecht oder Alter – gleichermaßen anspricht. Die Berücksichtigung von Genderaspekten ist auch eine Querschnittsaufgabe des Berliner Nahverkehrsplans (NVP). Inwieweit diese Aufgabe erfüllt wird, wird seit 2006 im Rahmen eines Gender Checks regelmäßig überprüft . Der Gender Check dient der Überprüfung der Standards ebenso wie der Umsetzung und Ergebnisse der Angebotsplanung. Er folgt dem Grundsatz des GenderMainstreaming und berücksichtigt dabei insbesondere die diesbezüglichen Hinweise der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Arbeitsgruppe Verkehrsplanung „Hinweis zu Gender-Aspekten in Nahverkehrsplänen . Ausgabe 2004“. Im Rahmen des Gender-Checks werden vor allem die Fahrgastgruppen berücksichtigt, deren Bedürfnisse traditionell nicht im Fokus der Planung stehen. Neben Angebots - und Infrastrukturkennziffern werden dabei auch die persönlichen Sichtweisen der Nutzerinnen und Nutzer in die Bewertung einbezogen. Frage 5: Wie werden darüber hinaus Genderaspekte in der Arbeit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung berücksichtigt? Mit welchen Konzepten und konkreten Maßnahmen wurde in dieser Legislaturperiode Gender Mainstreaming in der Verwaltung umgesetzt? Gibt es bereits eine Evaluation? Antwort zu 5: Der im Vorfeld der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes 2014-2018 durchgeführte Gender Check zeigte, dass zahlreiche Anforderungen an einen geschlechtergerechten ÖPNV im Land Berlin bereits als erfüllt angesehen werden können. Die Bewertung zeigt jedoch hinsichtlich einiger Aspekte weiteren Handlungsbedarf auf. Dazu gehören vorrangig: - Erschließung neuer Baugebiete mit dem ÖPNV: Qualität und Leistung entsprechend der Erschließung bestehender Gebiete, vor allem Einhaltung der Erschließungs -, Bedienungs- und Verbindungsstandards zur Gewährleistung einer ausreichenden Verkehrsbedienung; - Prüfung weiterer Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der objektiven sowie zur Erhöhung der subjektiven Sicherheit der Fahrgäste in Bahnhöfen, Stationen, Fahrzeugen und auf Zu- bzw. Abwegen zum / vom ÖPNV; - Verbesserung der Kapazität auf Strecken/Linien, bei denen aufgrund der hohen Nachfrage Kapazitätsengpässen entstehen; - Bereitstellung von ausreichend Mehrzweckabteilen in Fahrzeugen. Im Rahmen der Angebotskonzeption des Nahverkehrsplanes 2014-2018 wurden geeignete Maßnahmen entwickelt, um Verbesserungen in den genannten Handlungsfeldern zu erzielen. Alle Ergebnisse des Gender Checks wurden im Rahmen des „ÖPNV-Monitorings 2009-2011“ dokumentiert und veröffentlicht. Der Monitoringbericht wurde auf der Webseite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zum Download bereitgestellt unter http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik _planung/oepnv/nahverkehrsplan/download/NVP2014- 2018_Anhang.pdf (dort Anhang 5 im Downloadbereich). Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt beteiligt sich darüber hinaus an einem Forschungsvorhaben „30 Jahre Gender in der Stadtentwicklung“, das vom Deutschen Institut für Urbanistik durchgeführt, am 1. November 2015 starten soll. Ebenfalls beteiligt sind die Städte München und Wien sowie der Regionalverband Ruhr. Die Evaluation in Berlin soll 2016 erfolgen. Frage 6: Für wann ist eine erneute Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Verkehr geplant? In welchem Rahmen ist geplant, in der sozialen Zieldimension eine Evaluation der Qualitäts- und Handlungsziele hierbei einfließen zu lassen? Wie sollen Genderaspekte verankert werden? Antwort zu 6: Der Prozess zur Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Verkehr 2025 wird voraussichtlich im Jahr 2016 anlaufen und wieder ein mehrjähriger Erarbeitungsprozess sein. Ein konkretes Startdatum kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht genannt werden. Die Ergebnisse der Evaluation aus dem Forschungsvorhaben „30 Jahre Gender in der Stadtentwicklung“ sollen auch Aussagen zur Verankerung von Genderaspekten beinhalten. Diese werden nach Vorliegen ausgewertet und entsprechend in den Prozess einfließen. Darüber hinaus liegen der Senatsverwaltung selbst Daten aus unterschiedlichen Jahren zum Mobilitätsverhalten der Wohnbevölkerung vor, die hierzu die oben gemachten Aussagen ermöglichen und damit auch für die Evaluation des StEP Verkehr eine Rolle spielen. Berlin, den 15. Oktober 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Okt. 2015)