Drucksache 17 / 17 130 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 22. September 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Oktober 2015) und Antwort Rechte Hetze im Netz: Umgang mit strafbaren Inhalten sowie Kompetenz und Fortbildung zur Arbeit mit Social-Media-Kanälen bei der Berliner Polizei und dem Landeskriminalamt Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Fälle erfasste der Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen „Politisch motivierter Kriminalität – rechts“ mit dem „Tatort Internet“ in der Zeit von 2013 bis heute in den Deliktsbereichen, die §§ 86a, 111, 126, 130, 140, 166, 185, 187, 189, 240 und 241 Strafgesetzbuch (StGB) betreffen? (Aufstellung nach Jahren und Delikten erbeten.) Zu 1.: Grundlage für die Beantwortung der Anfrage bildet der „Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK). Hierbei handelt es sich entgegen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) um eine Eingangsstatistik. Die Fallzählung erfolgt tatzeitbezogen, unabhängig davon, wann das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurde. Die folgenden statistischen Angaben stellen keine Einzelstraftaten der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) dar. Bei der Darstellung handelt es sich um Fallzahlen . Ein Fall bezeichnet jeweils einen Lebenssachverhalt in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit identischer oder ähnlicher Motivlage, unabhängig von der Zahl der Tatverdächtigen, Tathandlungen, Anzahl der verletzten Rechtsnormen oder der eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Fallzahlen der PMK unterliegen bis zum Abschluss der Ermittlungen einer Bewertung gemäß der angenommenen Tätermotivation. Darüber hinaus können Fälle der PMK erst nach dem Statistikschluss bekannt und entsprechend gezählt werden. Deshalb kommt es sowohl unter- als auch überjährig immer wieder zu Fallzahlenänderungen . Der Beantwortung Ihrer Anfrage sind die Daten aus dem Zeitraum Januar 2013 bis Oktober 2015 (Stichtag 07.10.2015) für den Phänomenbereich PMK-rechts zugrunde gelegt. Für das Jahr 2015 sind noch nicht alle Straftaten im Rahmen des KPMD-PMK erfasst und bewertet worden, weshalb hierzu noch keine validen Fallzahlen vorliegen. Regelmäßig können die Fallzahlen des zurückliegenden Jahres erst zur Jahresmitte des Folgejahres valide erhoben werden. Dem Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ werden Taten der PMK zugerechnet, die sich gegen jede Art der Unterkunft als direktes Angriffsziel aber auch gegen Personen innerhalb der Unterkunft richten. Als Unterkunft werden unter anderem bestehende, im Bau befindliche sowie geplante Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und Wohnungen gewertet. Der Personenkreis umfasst z. B. Asylbegehrende, Asylberechtigte und Personen mit Flüchtlingsschutz. Das Unterthema wurde bundesweit erst zum 01. Januar 2014 eingeführt. Daher haben die für das Jahr 2013 erhobenen Fallzahlen nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 130 2 Delikt 2013 2014 2015* § 86a Strafgesetzbuch (StGB) Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 27 31 31 § 111 StGB Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 7 18 21 § 126 StGB Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten 0 5 2 § 130 StGB Volksverhetzung 55 81 55 § 140 StGB Belohnung und Billigung von Straftaten 3 2 1 § 166 StGB Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen 1 1 0 § 185 StGB Beleidigung 12 28 7 § 187 StGB Verleumdung 1 6 2 § 189 StGB Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener 0 1 2 § 240 StGB Nötigung 2 1 1 § 241 StGB Bedrohung 2 10 5 * Stichtag: 07.10.2015 2. Wie viele der unter 1. beschriebenen Fälle wurden in der Kriminaltaktischen Anfrage in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KTA-PMK) dem Unterthema „gegen Asylunterkünfte“ zugeordnet? (Aufstellung nach Jahren und Delikten erbeten.) Zu 2.: Seit 2013 wurde kein Fall mit „Tatort Internet“ registriert, bei dem die bundesweit verbindlichen Kriterien für die Vergabe des Unterthemas „gegen Asylunterkünfte “ erfüllt waren. 3. In wie vielen Fällen kam es in Fällen nach 1. und 2. zu Verurteilungen? Zu 3.: Verurteilungen zu Straftaten, welche den Bereich der PMK-rechts betreffen und über das Internet begangen werden bzw. mit der Facebook-Seite „Nein zum Heim in Köpenick“ in Verbindung stehen, werden nicht gesondert statistisch erfasst, so dass hierzu keine belastbaren Angaben gemacht werden können. 4. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit die Auswerteeinheit des Polizeilichen Staatsschutzes im Dezernat 53 eine anlass- und themenbezogene Auswertung relevanter Webseiten und Veröffentlichungen in Sozialen Netzwerken vornimmt? (Aufstellung erbeten.) Zu 4.: Die Auswerteeinheit des Landeskriminalamts (LKA) 53 nimmt anlassbezogen eine Betrachtung relevanter Webseiten und Veröffentlichungen in Sozialen Netzwerken vor, z. B. wenn Hinweise auf Sachverhalte vorliegen, die eine Gefährdungslage implizieren, der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt bzw. vermutet wird sowie die Gewinnung von polizeilich relevanten Informationen zu erwarten ist. 5. Wie viele Anzeigen gingen in der Zeit von 2013 bis heute bei der Berliner Polizei ein, die dem Deliktsfeld „Politisch motivierter Kriminalität – rechts“ mit dem „Tatort Internet“ zuzuordnen sind? (Aufstellung erbeten.) Zu 5.: Dazu kann keine Aussage getroffen werden, da das Kriterium „Tatort Internet“ oder gleichbedeutende Begriffe im Polizeilichen Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung (POLIKS) nicht recherchierbar sind. Lediglich zur Anzahl der Fälle liegen im Rahmen des KPMD-PMK valide Zahlen gemäß der Beantwortung zu Frage 1. vor. 6. Wie viele Strafanzeigen hat es in Bezug auf die Facebook-Seite „Nein zum Heim in Köpenick“ und dort veröffentlichte Äußerungen seit Bestehen gegeben? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 6.: Strafanzeigen mit Bezug zu Internetseiten werden in POLIKS nicht strukturiert erfasst. Lediglich zur Anzahl der Fälle liegen im Rahmen des KPMD-PMK valide Zahlen vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 130 3 Delikt 2014 2015* § 111 Strafgesetzbuch (StGB) Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 3 5 § 130 StGB Volksverhetzung 6 2 § 185 StGB Beleidigung 1 1 § 187 StGB Verleumdung 1 0 § 241 StGB Bedrohung 1 0 PMK - rechts gesamt 12 8 * Stichtag: 07.10.2015 7. In wie vielen Fällen kam es bei den unter 6. beschriebenen Fällen zu einem Ermittlungsverfahren und in wie vielen Fällen zu einer Verurteilung? (Aufstellung nach Jahren erbeten.) Zu 7.: In allen unter Frage 6. aufgelisteten Fällen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Etwaige Verurteilungen werden nicht statistisch erfasst. 8. Wie viele Ermittlungsverfahren, der unter 5. beschriebenen Fälle wurden aufgrund von Anzeigen durch Bürgerinnen und Bürger und wie viele auf Grundlage der unter 4. beschriebenen Auswertung des Polizeilichen Staatsschutzes eingeleitet? (Aufstellung nach Jahren seit 2013 erbeten.) Zu 8.: Eine Statistik, die zwischen Ermittlungsverfahren unterscheidet, die aufgrund von Anzeigen durch Bürgerinnen und Bürger und solchen, die im Rahmen der Auswertetätigkeit der Dienstkräfte eingeleitet wurden, wird nicht geführt. 9. Werden Berliner Polizeibeamtinnen und -beamte bzgl. unter 1. genannter Delikte im Internet geschult und weitergebildet? Wenn ja, wie? Wenn nicht, warum nicht? Zu 9.: Das Thema „Rechtsextremismus“ besitzt in der Aus- und Fortbildung der Polizei Berlin und dem Studium für den gehobenen Polizeivollzugsdienst einen hohen Stellenwert und wird in unterschiedlichen Fächern bzw. Seminaren themenbezogen unterrichtet. In der Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst werden die zu Frage 1. aufgeführten Delikte in den Fächern Strafrecht bzw. Besonderes Ordnungsrecht behandelt . Zusätzlich wird auf das Thema „Rechtsextremismus “ im Fach Politische Bildung intensiv eingegangen . Nachwuchskräfte des mittleren Polizeivollzugsdienstes werden darüber hinaus im Rahmen der Informationstechnik (IT)-Ausbildung in einem Seminar zum Thema „Cybercrime“ geschult. Die entsprechenden Ausbildungsinhalte orientieren sich hauptsächlich an den Aufgaben der Zielgruppe des „Informations- und Kommunikations (IuK)- Ersteinschreiters“, zum Beispiel Einsatzkräfte der Abschnitte. Ein Schwerpunkt ist die Vermittlung technischer Ermittlungsansätze zur Verfolgung und Beweissicherung von Straftaten im Internet. Zu den Kompetenzen, die mit dem Bachelor-Studium für den gehobenen Polizeivollzugsdienst vermittelt werden , zählt insbesondere auch ein effektiver Einsatz von Informationstechnologien. Den Studierenden werden die IuK-Delikte und die Spurenentstehung bei Straftaten, die mittels Computer und Internet begangen werden, vermittelt . Ferner erlernen sie die Grundprinzipien der Suche, Sicherung und Auswertung kriminalistisch relevanter Hard- und Software. IuK-Delikte und die kriminalistische Untersuchung von Computerhard- und Software werden insbesondere im Fach Informationstechnik behandelt. Die polizeiliche Bekämpfung des politischen Extremismus ist unter anderem Bestandteil des Fachs Politikwissenschaften . Im Rahmen der Fortbildung bietet die Landespolizeischule ein zweitägiges Seminar zum Thema „Rechtsextremismus “ an. Hier werden die in der Anfrage genannten Delikte mitbehandelt. Ergänzend werden im Rahmen der politischen Bildung Tagesseminare zum Rechtsextremismus angeboten. Speziell zum Thema „Internet“ bietet die Landespolizeischule in Zusammenarbeit mit dem LKA Berlin einen viertägigen Kurs zum Thema „Cybercrime“ an. Zielgruppe sind hier Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, die Delikte mit Internetbezug bearbeiten, so genannte „IuKSachbearbeiter “. Die Internet-Kurse werden mit der zuständigen Fachdienststelle des LKA Berlin eng abgestimmt und enthalten Inhalte, die sich u. a. mit den technischen Ermittlungsansätzen bei Straftaten im Internet, z. B. auch in Sozialen Netzwerken, beschäftigen. Darüber hinaus erfolgt die „Cybercrime“-Fortbildung der oben genannten so genannten „IuK-Ersteinschreiter“ dezentral über bei der Landespolizeischule ausgebildete Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 130 4 10. Werden Inwieweit finden Fort- und Weiterbildungen bzgl. oben genannter Delikte für Beamtinnen und Beamte der Berliner Polizei und dem Landeskriminalamt gemeinsam statt? Zu 10.: Die in der Fortbildung angebotenen Seminare richten sich zielgruppenabhängig an alle Dienstkräfte der Polizei Berlin und schließt somit das LKA Berlin ein. Berlin, den 16. Oktober 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Okt. 2015)