Drucksache 17 / 17 142 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 06. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Oktober 2015) und Antwort Armbinden und Stigmatisierung? Umgang mit kranken Flüchtlingen durch die Berliner Polizei Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass die von Innensenator Henkel in der Plenarsitzung am 10. September 2015 beschriebene Führungsinformation der Bundespolizei zum Umgang mit in Deutschland ankommenden Flüchtlingen, nach der an Krätze erkrankte Personen mit weißen Armbinden mit der Aufschrift „K“ und deren Familienangehörige mit weißen Armbinden mit der Aufschrift „A“ gekennzeichnet werden , Eingang in die Einsatzanordnung der Berliner Polizei vom 8.9.2015 für die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen in Übergangsunterkünften in Berlin erhalten hat? 2. Wenn ja, zu welchem Zweck ist der Hinweis auf die Kennzeichnungspraxis in die Einsatzanordnung der Berliner Polizei, die ja die Berliner Dienstkräfte über den Umgang mit hier ankommenden Flüchtlingen informieren soll, aufgenommen worden? Zu 1. und 2.: Aus einer Lagemeldung der Bundespolizei vom 07. September 2015 über mit dem Zug ankommende , insgesamt 900 Flüchtlinge ging die Information hervor, dass zehn dieser erwarteten Personen an Krätze erkrankt seien. Diese würden von ebenfalls im Zug befindlichen Mitgliedern des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) versorgt. Darüber hinaus war der Hinweis enthalten , dass erkrankte Personen mit einer weißen Armbinde “K“ und deren Angehörige mit einer weißen Armbinde „A“ gekennzeichnet seien. Diese Information wurde in die Einsatzanordnung des Stabes des Polizeipräsidenten in Berlin vom 08. September 2015 für die polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen in Übergangsunterkünften im Bereich der Lagedarstellung aufgenommen. Hiermit sollten die eingesetzten Dienstkräfte, welche auch Ersthelferinnen und Ersthelfer bzw. Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter sein können, über eine gegebenenfalls bereits im Vorfeld erfolgte Kennzeichnung informiert und für Personen , die einer medizinischen Betreuung bedürfen, und deren Angehörige sensibilisiert werden. Es handelt sich aber nicht um eine Anordnung der Polizei Berlin, sondern um eine Darstellung der objektiven Lage. 3. Welche Dienststellen der Berliner Polizei haben wann von welchen Stellen Informationen über eine solche Kennzeichnungspraxis erhalten? Zu 3.: Die betreffende Einsatzanordnung wurde am 08. September 2015 an die Direktionen 1 bis 6, die Direktion Zentrale Aufgaben, das Landeskriminalamt und die Zentrale Serviceeinheit versandt. 4. Wer ist nach Kenntnis des Senats verantwortlich für die Entscheidung, eine solche Kennzeichnung vorzunehmen ? Zu 4.: Das DRK in Eisenhüttenstadt hat nach bisherigen Erkenntnissen eine Kennzeichnung von erkrankten Personen und deren Angehörigen auf dem Handrücken vorgenommen. Nur Ersthelferinnen und Ersthelfer des DRK trugen weiße Mullbinden am Arm, um in der Masse der Menschen schnell erkennbar zu sein. Eine Kennzeichnung am Arm erkrankter Personen konnte im Nachhinein weder durch andere Behörden noch durch das DRK bestätigt werden. 5. Wie bewertet der Senat eine solche Kennzeichnungspraxis insbesondere im Hinblick auf eine Stigmatisierung der Betroffenen und mögliche Assoziationen mit der Verwendung von Armbinden zur Kennzeichnung und Entrechtung von Menschen in der deutschen Geschichte? Zu 5.: Die Zielrichtung der vermeintlichen Kennzeichnung erkrankter, einreisender Flüchtlinge war es, den Betreffenden schnellstmöglich ärztliche Hilfe zuteil werden zu lassen. Von einer beabsichtigten Stigmatisierung ist daher nicht auszugehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 142 2 6. Wurden die vorliegenden Informationen der Bundespolizei über die Kennzeichnungspraxis innerhalb der Behördenleitung kritisch geprüft und diskutiert und wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, wie erklärt sich der Senat, dass der Hinweis auf eine solche Praxis ungeprüft Eingang in eine Anordnung der Berliner Polizei findet? Zu 6.: Die Polizei hat keinen Einfluss auf Kennzeichnungen von Personen, die von anderen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) vorgenommen werden. Mit Aufnahme der Information über bereits erfolgte Kennzeichnungen von erkrankten Personen in die Einsatzanordnung der Polizei Berlin wurden die Dienstkräfte lediglich in Kenntnis gesetzt, um eine umgehende medizinische Versorgung dieser Personen bei der Ankunft am Bahnhof Flughafen Berlin-Schönefeld zu gewährleisten. 7. Ist die Kennzeichnungspraxis nach Kenntnis des Senats irgendwo zur Anwendung gekommen und wenn ja, a. wo? b. durch wen? c. in wie vielen Fällen? d. warum wurden Erkrankte nicht direkt nach der Einreise behandelt, sondern erst durch das ganze Land gefahren? e. was hat der Senat unternommen, um eine solche stigmatisierende Maßnahme zu verhindern? Zu 7.: Auf die Beantwortung der Frage 4 wird verwiesen . Die Polizei Berlin hat keine Kennzeichnungen erkrankter Personen oder deren Angehöriger vorgenommen oder angeordnet. Mit Ankunft der Sonderzüge am Bahnhof Flughafen Berlin-Schönefeld werden die Flüchtlinge gemäß der örtlichen Zuständigkeit durch das Land Brandenburg sanitäts- und betreuungsdienstlich erstversorgt. Bei durch die/ den anwesende/n Notärztin bzw. Notarzt oder die Rettungssanitäterinnen bzw. Rettungssanitäter festgestellten Erkrankungen werden die Patientinnen und Patienten zur medizinischen Versorgung unmittelbar in ein Krankenhaus verlegt. Berlin, den 21. Oktober 2015 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Okt. 2015)