Drucksache 17 / 17 146 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 06. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Oktober 2015) und Antwort Warum werden Berliner Kinder und Jugendliche nicht beschult und landen in der Jugendhilfe? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kinder und Jugendliche wurden 2012, 2013, 2014 und 2015 aufgeschlüsselt nach Bezirken nach dem Schulgesetz von der Schulpflicht befreit? 2. Wenn zu 1. keine Angaben gemacht werden können , warum werden diese Daten trotz der Anfrage 17/10670 nicht erfasst? 3. Welche Gründe rechtfertigen eine Schulbefreiung und was wird aus den Kindern und Jugendlichen, die nicht regulär beschult werden? Zu 1. und 2. und 3.: Die Schulaufsichtsbehörde kann eine Schülerin oder einen Schüler nach § 41 Abs. 3 Satz 3 Schulgesetz von der Schulbesuchspflicht befreien, wenn ein besonderer Grund vorliegt. Dies geschieht häufig zum Zwecke der Rückstellung. Die Auswertung der zentralen Erfassung dieser Fälle der Rückstellung nach § 42 Abs. 3 Schulgesetz erfolgte in den Schriftlichen Anfragen Nr. 17/13805 und 17/17131. Ein besonderer Grund liegt insbesondere vor, wenn aufgrund der Häufigkeit und des Schweregrades der Störungen der Entwicklungs-, Lernund Arbeitsfähigkeit sowie des Interaktionsgeschehens in der Umwelt eine Teilnahme am Unterricht nicht möglich ist und die Beeinträchtigung des Kindes bzw. Jugendlichen ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann. Die temporäre Schulpflichtbefreiung steht in diesen Fällen im Zusammenhang eines engen und verbindlichen Zusammenwirkens von Schule und Jugendhilfe, um die Weichen richtig zu stellen, Beziehungsabbrüche und Misserfolgserlebnisse soweit als möglich zu vermeiden und zielt auf eine schnellstmögliche Wiedereingliederung in eine geeignete Schule. Alle Schulen arbeiten im Rahmen der Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages mit den Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe zusammen (vgl. Handlungsempfehlung zur Kooperation von Schule und Jugendhilfe). Eine zentrale Erfassung der im beschriebenen Kontext der Kooperation von Schule und Jugendhilfe ausgesprochenen Schulpflichtbefreiungen erfolgt nicht. 4. Wie hoch sind die Kosten, die das Land Berlin für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 pro Bezirk aufwenden musste, um Kinder und Jugendliche, die schulbefreit waren, in Ersatzprojekten (teilstationär und stationär) der Kinder- und Jugendhilfe unterzubringen? 5. Wie lang ist regelmäßig die Verweildauer eines Berliner Kindes oder Jugendlichen, welches schulbefreit ist, in einem Ersatzprojekt der Kinder- und Jugendhilfe? Zu 4. und 5.:m Die gewünschten Merkmale werden in der Hilfeplanstatistik nicht erhoben. Deshalb kann die gewünschte Darstellung nach Bezirken und Jahren nicht erfolgen. Auf der Grundlage, dass es in Berlin 149 Plätze in teilstationären Jugendhilfeeinrichtungen gibt, in denen die Kinder und Jugendlichen, die von der Schulpflicht befreit sind, durch die Einrichtung gefördert werden (vgl. Schriftliche Anfrage 17/13805), die entsprechend der jährlichen Erhebung der Einrichtungsaufsicht (jeweils zum Stichtag 31.12.) seit vielen Jahren voll ausgelastet sind, ergeben sich unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Leistungsentgeltes gemäß Berliner Rahmenvertrag für Hilfen in Einrichtungen und durch Dienste der Kinder- und Jugendhilfe (BRVJug) in Höhe von 91 € pro Tag für das Land Berlin kalkulatorische Kosten in Höhe von ca. 5 Mio. € pro Jahr, die aus den Haushalten der Bezirke (aus Kapitel 4042) erbracht werden. Die durchschnittliche Dauer der o. g. Hilfen beträgt nach Angaben der Leistungserbringer rund 30 Monate. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 146 2 6. Welche rechtlichen Vorschriften zwischen den Bereichen Schule und Jugendhilfe gibt es, um eine schnellstmögliche Reintegration der betroffenen Kinder und Jugendlichen in die Regelschule zu gewährleisten? 7. Wenn es solche verbindlichen Vorschriften nicht gibt, warum nicht? Zu 6. und 7.: Die schnellstmögliche Reintegration der betroffenen Schülerinnen und Schüler ist Grundlage jeder Entscheidung über die Befreiung von der Schulpflicht gemäß § 41, Abs. 3 Schulgesetz. Weitergehende Regelungen werden für nicht erforderlich erachtet. Jede Befreiung ist daran gebunden, dass hierfür ein besonderer Grund vorliegt (§ 41 Absatz 3 Schulgesetz). Jede Hilfeplanung in ein Ersatzprojekt der Jugendhilfe soll darauf ausgerichtet sein, die Fähigkeiten zur Reintegration zu stärken und damit den „Grund“ der Schulbefreiung aufzulösen . Fällt der Grund weg - egal wann - ist auch eine längerfristige ausgesprochene Befreiung zurückzunehmen . 8. Welche Maßnahmen hat das Land Berlin ergriffen, um die Zahl der Schulbefreiungen von Kindern und Jugendlichen und ihre Ersatzweise Unterrichtung in der Jugendhilfe zu reduzieren? Zu 8.: Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe und der Schulen sind darauf ausgelegt, Kinder und Jugendliche in ihrer positiven Entwicklung zu fördern und Gefährdungen dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Im schulischen Bereich sind hier besonders die pädagogische und sonderpädagogische Förderung im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung, der Unterricht in temporären schulbezogenen sonderpädagogischen Kleinklassen in Verbindung mit Leistungen der Jugendhilfe, z.B. mit Tagesgruppen gemäß § 32 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII), der Unterricht in Klinikklassen der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Einzel- und Hausunterricht zu nennen. Berlin, den 22. Oktober 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Okt. 2015)