Drucksache 17 / 17 164 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 08. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Oktober 2015) und Antwort Islamische Bestattungen in Berlin: Mittel der Integration Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele Friedhöfe in Berlin bieten derzeit Grabstätten für islamische Bestattungen an? Bitte mit Anzahl der Grabstellen auflisten. Frage 4: Wie hoch ist zurzeit die Auslastung dieser Grabstellen? Antworten zu 1 und 4: In Berlin gibt es bisher zwei Friedhöfe in bezirklicher Trägerschaft mit speziell ausgewiesenen Grabfeldern für islamische Bestattungen: den Friedhof Columbiadamm im Bezirk Neukölln und den Landschaftsfriedhof Gatow im Bezirk Spandau. Auf dem Friedhof Columbiadamm können seit Ende 2012 aus Kapazitätsgründen keine neuen Grabstätten vergeben werden, nur Nachbeisetzungen in bestehenden Grabstätten sind hier noch möglich. Auf dem Landschaftsfriedhof Gatow gibt es laut Friedhofsverwaltung zurzeit noch 10 freie Grabstätten auf dem zuletzt für islamische Bestattungen eingerichteten Grabfeld. Im November 2015 soll ein weiteres entsprechendes Grabfeld mit ca. 250 Grabstellen eingerichtet sein. Erstmals wurde im Juni 2015 auch auf einem evangelischen Friedhof im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ein Grabfeld für islamische Bestattungen eingerichtet. Auf dem Neuen Zwölf-Apostel-Friedhof stehen insgesamt 300 Grabstellen für islamische Bestattungen zur Verfügung, wovon inzwischen zehn belegt und vier reserviert wurden. Frage 2: Planen weitere Friedhöfe die Schaffung von, für islamische Bestattungen geeignete Grabstellen bzw. planen diejenigen Friedhöfe weitere geeignete Grabstellen , die bereits entsprechende Stellen besitzen? Frage 3: Wenn Nein, welche Maßnahmen plant der Senat, um in Berlin lebenden muslimischen Menschen eine entsprechende Bestattung in Berlin zu ermöglichen? Frage 5: Welche Entwicklungspotentiale sieht der Senat für die Ausweitung islamischer Grabstellen angesichts der wachsenden Stadt Berlin? Antworten zu 2, 3 und 5: In den kommenden Jahren ist von einem erhöhten Bedarf an Flächen für Bestattungen nach islamischem Ritus auszugehen. Insbesondere Einwohnerinnen und Einwohner islamischen Glaubens, die von Geburt an hier leben, werden künftig zunehmend die letzte Ruhe in Berlin finden wollen und die Anzahl derer, die nach ihrem Tod in das Herkunftsland zurück überführt werden, wird deutlich abnehmen. Darüber hinaus werden in Auswirkung des demografischen Wandels auch die Sterbefälle in dieser Bevölkerungsgruppe in nächster Zeit stark zunehmen. Hinzu kommt, dass durch den momentan starken Zustrom von Flüchtlingen mit islamischem Glauben sich der Bedarf an entsprechenden Bestattungsplätzen zusätzlich erhöhen wird. Aufgrund dieser Entwicklung besteht die Notwendigkeit, dem voraussichtlich steigenden Bedarf an Friedhofsflächen für islamische Bestattungen unter Berücksichtigung der religiösen und traditionellen Bedürfnisse entsprechend nachzukommen . Ziel des Senats ist es, in Berlin ein dezentrales und wohnungsnahes Angebot für islamische Bestattungen in Gebieten mit einem hohen Anteil an Muslimen in der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Eine zunächst geplante Erweiterung des Friedhofs Columbiadamm im Bezirk Neukölln ist aufgrund des Volksentscheides für das Tempelhofer Feld und die Vorgaben des nunmehr geltenden Gesetzes zum Erhalt des Tempelhofer Feldes (ThF-Gesetz) nicht mehr möglich. Auf dem Landschaftsfriedhof Gatow im Bezirk Spandau kann durch sukzessive Erweiterungen der Bedarf an Grabfeldern für islamische Bestattungen in Berlin für die nächsten Jahre gesichert werden. Neben der zeitnahen Erweiterung mit 250 Grabstellen (siehe Antwort zu Fragen 1 und 4) ist für Anfang des Jahres 2016 eine zusätzliche Erweiterung mit ca. 600 Einzelgräbern geplant. Auch auf dem Evangelischen Neuen Zwölf-Apostel-Friedhof im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist eine Erweiterung bei Bedarf möglich. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 164 2 Darüber hinaus ist die Einrichtung von weiteren Grabfeldern auch auf anderen Friedhöfen geplant. Im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sollen auf dem Friedhof Ruhleben voraussichtlich ab Anfang 2016 islamische Bestattungen auf einem hierfür neu eingerichteten Grabfeld mit 125 Grabstellen möglich sein. Laut Friedhofsverwaltung ist bei Bedarf eine Erweiterung ab 2020 mit ca. 100 Grabstellen möglich. Im Bezirk Neukölln plant der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte auf dem St. Thomas Friedhof an der Hermannstraße zeitnah die Einrichtung eines Grabfeldes mit 400 Grabstellen für die Alevitische Gemeinde Berlins. Des Weiteren möchte der Bezirk Neukölln eine Teilfläche des Neuen St. JacobiFriedhofs an der Hermannstraße übernehmen, um dort islamische Bestattungen anbieten zu können. Die Möglichkeiten zum Ankauf dieser Fläche und zur konkreten Umsetzung werden derzeit geprüft. Daneben werden von einzelnen Friedhofsträgern in anderen Bezirken weitere Friedhofsflächen auf ihre Eignung für islamische Bestattungen überprüft, um so auch in anderen Stadtteilen mit hohem Anteil an Muslimen entsprechende Angebote zu schaffen. Insgesamt ist durch das bestehende und geplante Angebot an Friedhofsflächen für islamische Bestattungen eine Deckung des zu erwartenden Bedarfs in den nächsten Jahren möglich. Frage 6: Ist dem Senat bekannt, wie viele islamische Bestattungen seit der Genehmigung von sarglosen Erdbestattungen 2011 in Berlin durchgeführt wurden? Antwort zu 6: Die erste sarglose Bestattung in Berlin fand am 10. Oktober 2014 auf dem islamischen Grabfeld des Landschaftsfriedhofs Gatow im Bezirk Spandau statt. Nach Auskunft der Friedhofsverwaltungen, die Grabfelder für islamische Bestattungen ausgewiesen haben, gab es seither auf dem Landschaftsfriedhof Gatow 91 sarglose Bestattungen, auf dem Neuen Zwölf-Apostel-Friedhof 10 sarglose Bestattungen und auf dem Friedhof Columbiadamm bisher keine sarglosen Bestattungen. Frage 7: Wie viele und welche Friedhöfe in Berlin besitzen einen für rituelle Waschungen nach islamischer Tradition geeigneten Raum? Antwort zu 7: Nur auf dem Landschaftsfriedhof Gatow im Bezirk Spandau steht ein Raum für rituelle Waschungen nach islamischer Tradition zur Verfügung. Am Columbiadamm im Bezirk Neukölln besteht durch Räumlichkeiten der unmittelbar an den Friedhof angrenzenden Moschee ein entsprechendes Angebot. Grundsätzlich gilt, dass die rituelle Totenwaschung auch an anderen Orten wie zum Beispiel Krankenhäusern, Altenheimen oder bei Bestattungsunternehmen durchgeführt werden kann. Frage 8: Wie viele Angehörige einer verstorbenen Muslima bzw. eines verstorbenen Muslim haben sich entschieden eine Bestattung auf einem landeseigenen, daher für alle Weltanschauungen und Religionen offenen, Friedhof durchführen zu lassen? Antwort zu 8: Derzeit finden in Berlin jährlich insgesamt ca. 30.000 Bestattungen statt. Wie viele Verstorbene hiervon muslimischen Glaubens sind, ist nicht erfasst. Etwa 200 Personen dieser Glaubensrichtung ließen sich bisher jährlich auf den gesonderten muslimischen Grabfeldern beisetzen. Darüber hinausgehend sei erwähnt, dass ein Teil der Muslime schon jetzt die bestehenden Angebote auf landeseigenen oder evangelischen Friedhöfen nutzt, auch wenn auf diesen keine gesonderten Grabfelder für Bestattungen nach islamischem Ritus ausgewiesen sind. Frage 9: Gab oder gibt es Gespräche des Senats mit muslimischen Verbänden über eine Trägerschaft für eigene islamische Friedhöfe in Berlin? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Antwort zu 9: Die Bestattung Verstorbener ist eine öffentliche Aufgabe, die auf landeseigenen Friedhöfen und auf Friedhöfen von Kirchen und Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, wahrgenommen wird. Daneben können in Berlin unter bestimmten Umständen auch gemeinnützige Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften , die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, mit dem hoheitlichen Bestattungsrecht beliehen werden. Geregelt ist diese Möglichkeit in § 3 Absatz 2 des Gesetzes über die landeseigenen und nichtlandeseigenen Friedhöfe Berlins (Friedhofsgesetz ). Einen eigenständigen, von Muslimen getragenen islamischen Friedhof gibt es in Berlin bisher noch nicht. Erste Initiativen seitens der Muslime gibt es dazu seit einiger Zeit. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Informations - und Beratungsgespräche der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt mit Vertreterinnen und Vertretern islamischer Organisationen, bei denen das Anliegen geäußert wurde, einen eigenen Friedhof betreiben zu wollen. Ein geeigneter Träger, der in der Lage ist, einen solchen Friedhof, der möglichst allen Muslimen der verschiedenen Glaubensrichtungen des Islams offen stehen sollte, langfristig zu betreiben, hat sich nach bisheriger Kenntnis jedoch noch nicht herausgebildet. Auch ein konkreter Antrag auf Beleihung mit dem hoheitlichen Bestattungsrecht wurde bisher nicht gestellt. Frage 10: Welche Regelungen für den Zeitpunkt einer Bestattung gibt es in den anderen Bundesländern bzw. inwieweit gibt es landesrechtliche Möglichkeiten eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden nach Eintritt des Todes durchzuführen, wie manche Religionen es vorsehen ? Bitte nach Bundesländern auflisten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 164 3 Antwort zu 10: 13 von 16 Bundesländern (einschließlich Berlin) haben in ihren bestattungsrechtlichen Regelungen eine Wartefrist von 48 Stunden nach Eintritt des Todes gesetzlich geregelt. In 9 Bundesländern sind Ausnahmen zur Unterschreitung der Bestattungsfrist aus religiösen Gründen (bzw. aus wichtigem Grund oder wenn ein berechtigtes Interesse der/des Antragstellenden oder ihrer/seiner Angehörigen daran besteht) möglich. In Nordrhein-Westfalen ist eine Wartefrist von 24 Stunden nach Eintritt des Todes gesetzlich geregelt, in BadenWürttemberg und in Hamburg wird auf eine zeitliche Regelung verzichtet. Die als Anlage beigefügte Tabelle gibt Auskunft über die rechtlichen Regelungen anderer Bundesländer zum Zeitpunkt der Bestattung sowie über die landesrechtlichen Ausnahmeregelungen zur Unterschreitung der Bestattungsfrist , soweit diese im Ergebnis einer Länderumfrage zusammengetragen und aktualisiert werden konnten. Die Richtigkeit der Angaben kann nicht vollständig garantiert werden, da nicht alle Länder geantwortet haben. Frage 11: Welche Gründe sprechen gegebenenfalls für eine Beibehaltung der 48-Stundenfrist? Antwort zu 11: Der Zeitpunkt der Bestattung ist in § 21 des Bestattungsgesetzes geregelt. Dort heißt es: „Die Bestattung darf frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes stattfinden, sofern nicht die zuständige Behörde auf Grund des Infektionsschutzgesetzes eine vorzeitige Bestattung anordnet.“ Die Frage, welche Argumente für oder gegen die Beibehaltung der 48-Stundenfrist sprechen, kann nur gemeinsam mit den Behörden und Institutionen erörtert werden, die von dieser Regelung betroffen sind, denn der Zeitpunkt der Bestattung unterliegt insofern grundsätzlichen Beschränkungen, als eine Bestattung grundsätzlich nicht erfolgen darf, bevor a) eine ärztliche Leichenschau vorgenommen worden ist, bei der zweifelsfrei sichere Zeichen des Todes festgestellt worden sind bzw. jede Möglichkeit des Scheintodes ausgeschlossen wurde; b) der Sterbefall dem Standesamt angezeigt und ein Bestattungsschein ausgestellt worden ist; c) ggf. die schriftliche Genehmigung der zuständigen Staatsanwaltschaft erteilt worden ist, falls Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder es sich um die Leiche einer/eines Unbekannten handelt. Eine Bestattung kann darüber hinaus erst erfolgen, wenn auf den Friedhöfen die zur Anmeldung der Bestattung erforderlichen administrativen Formalitäten erledigt sowie die Einrichtung einer Grabstätte erfolgt ist. Derzeit sind keine bzw. über 24 Stunden an 7 Tagen verfügbaren (gerichts-)ärztlichen und administrativen (für Dokumente zuständige Behörden) Mechanismen vorhanden , die eine 24-Stunden-Frist in jedem Fall sicherstellen würden. Berlin, den 27. Oktober 2015 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Okt. 2015) Anlage zu Frage 10 der Schriftlichen Anfrage 17-17164 - Ländervergleich –- Stand 14.10.2015 1 Bundesland Regelungen für den Zeitpunkt der Bestattung Ausnahmeregelungen zur Unterschreitung der Bestattungsfrist Bestehen landesrechtliche Möglichkeiten, eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden nach Eintritt des Todes durchzuführen? BadenWürttemberg Seit 01. April 2014 keine zeitliche Vorgabe für den frühesten Bestattungszeitpunkt (vgl. § 36 BestattG)): „§ 36 Frühester Bestattungszeitpunkt (1) Verstorbene dürfen bestattet werden, wenn durch ärztliche Leichenschau jede Möglichkeit eines Scheintods ausgeschlossen ist. (2) Die zuständige Behörde kann aus gesundheitlichen Gründen den Zeitpunkt der Bestattung anordnen.“ Ob die Bestattung innerhalb von 24 Stunden erfolgen kann, wie es die jüdische und die muslimische Religion vorschreibt, ist meist auch eine organisatorische Frage. Bayern Frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes (§ 18 Abs.1 BestV); spätestens 96 Stunden nach Todesfeststellung bzw. die Leiche muss min. für eine Überführung auf den Weg gebracht worden sein (§ 19 Abs. 1 BestV); Ausnahmen von der 48-Stunden-Frist sind zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Antragstellers oder seiner Angehörigen daran besteht, der Einhaltung der Frist wegen besonderer örtlicher Verhältnisse erhebliche Hindernisse entgegenstehen oder gesundheitliche Gefahren zu befürchten sind (§ 18 Abs. 2 BestV). Die Gemeinde kann Ausnahmen von der 96-Stunden-Höchstfrist zulassen, wenn gesundheitliche Gefahren nicht zu befürchten sind (§ 19 Abs. 2 BestV). Die Bestattungs- und Beförderungsfrist gilt nicht, wenn Leichen zu medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken in ein Krankenhaus oder in eine wissenschaftliche Einrichtung gebracht werden oder im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen untersucht werden. Die Leichen sind zu bestatten, sobald sie nicht mehr diesen Zwecken dienen (§ 19 Abs. 3 BestV). Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, entscheidet die Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen anhand der Einzelfallumstände. Bei der Ermessensausübung ist der Religionsfreiheit Rechnung zu tragen. Berlin Frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes, sofern nicht die zuständige Behörde auf Grund des Infektionsschutzgesetzes eine vorzeitige Bestattung anordnet (§ 21 BestG). Keine Ausnahme möglich. Brandenburg Frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes (§ 22 BbgBestG), eine Verkürzung der Wartefrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 BbgBestG ist möglich, § 22 Abs. 1 Satz 2 BbgBestG; spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Todesfeststellung, Ausnahmen sind möglich (§ 19 Abs. 3 BbgBestG). Ausnahmen von der Frist des § 22 Abs. 1 Satz 1 BbgBestG erteilt die untere Gesundheitsbehörde (§ 22 Abs. 1 Satz 2 BbgBestG). Eine Verkürzung der Wartefrist des § 22 Abs. 1 Satz 1 BbgBestG wird aus hygienischen Gründen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Verwesungszustand des Leichnams bereits weit fortgeschritten ist. Anträge sind auch bei der Bestattung von Verstorbenen muslimischen Glaubens zu erwarten (vgl. Scheiper, in: dies. [Hrsg.], Brandenburgisches Bestattungsgesetz, 1. Aufl. 2008, § 22 Ziff. 1). Unverzichtbare Bedingung für die Erteilung einer Erlaubnis zur vorzeitigen Bestattung ist, dass der eingetretene Tod mit Sicherheit feststeht und dass die Leichenschau durchgeführt wurde. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BbgBestG bedarf es zudem der Vorlage einer Bescheinigung mit dem Vermerk der Eintragung in das Sterbebuch (oder der Genehmigung der für den Bestattungsort zuständigen Ordnungsbehörde). Zum Hintergrund der Regelung einer Mindestwartezeit in § 22 Abs. 1 BbgBestG führt die amtliche Begründung (LT-Drs. 3/2535 S. 20) aus, dass die Bestattung von vermeintlich Toten (Scheintoten) ausgeschlossen werden soll. Der Vorschrift kommt darüber hinaus eine beruhigende Funktion zu, denn von nicht wenigen Menschen dürfte die Vorstellung, als Scheintoter beerdigt oder verbrannt zu werden, als eine der schlimmsten Todesarten angesehen werden (Scheiper a. a. O.). Bremen Frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes (§ 17 Abs. 1 LeichenG). „Über Ausnahmen entscheidet die zuständige Behörde“. Zuständige Behörde für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ist das Institut für Rechtsmedizin. An welche Voraussetzungen oder Nachweise die Ausnahme geknüpft ist, legt das Institut im Rahmen der Entscheidungsfindung auf der Grundlage des Leichenwesengesetzes fest. Anlage zu Frage 10 der Schriftlichen Anfrage 17-17164 - Ländervergleich –- Stand 14.10.2015 2 Bundesland Regelungen für den Zeitpunkt der Bestattung Ausnahmeregelungen zur Unterschreitung der Bestattungsfrist Bestehen landesrechtliche Möglichkeiten, eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden nach Eintritt des Todes durchzuführen? Hamburg Wird für eine in eine Leichenhalle eingelieferte Leiche kein Antrag auf Bestattung gestellt, so kann die zuständige Behörde 14 Tage nach Einlieferung die Bestattung in einer Reihengrabstätte veranlassen. Wird kein Antrag auf Beisetzung einer Urne gestellt, so kann die zuständige Behörde einen Monat nach der Einäscherung die Beisetzung in einer Reihengrabstätte veranlassen (§ 10 Abs. 1 S. 5 BestattG). Die Erdbestattung ist zulässig, wenn eine Leichenschau durchgeführt worden ist und eine Bescheinigung mit dem Vermerk der Eintragung in das Sterbebuch oder eine Genehmigung der zuständigen Behörde vorgelegt wird (§ 12 Abs. 1 S. 1 BestattG). Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesens (BestattG) ist keine zeitliche Vorgabe für den frühest möglichen Zeitpunkt zur Durchführung der Bestattung vorgesehen. Der Zeitpunkt wird maßgeblich durch die personenstandsrechtlichen Bestimmungen beeinflusst. Probleme in der praktischen Umsetzung bzw. Einhaltung der Vorgaben sind bisher nicht bekannt geworden. Hessen Leichen sind frühestens 48 Stunden und nicht später als 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes zu bestatten (§ 16 Abs. 1 FBG). Ausnahmen sind möglich, „wenn Glaubensregelungen dies verlangen ... und die Verwesung der Leiche soweit fortgeschritten ist, dass ein Scheintod nicht mehr in Betracht kommen kann.“ MecklenburgVorpommern Erdbestattungen dürfen frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes vorgenommen werden; innerhalb von zehn Tagen nach Todeseintritt soll die Erdbestattung vorgenommen, bei einer Feuerbestattung die Leiche in ein Krematorium befördert oder zur Bestattung an einem anderen Ort auf den Weg gebracht worden sein. Das Gesundheitsamt kann Ausnahmen genehmigen. Niedersachsen Leichen dürfen erst nach Ablauf von 48 Stunden seit Eintritt des Todes bestattet werden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BestattG). „Die untere Gesundheitsbehörde [Landkreise und Kreisfreien Städte] kann aus wichtigem Grund Ausnahmen zulassen“ (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BestattG). Leichen sollen innerhalb von acht Tagen seit dem Eintritt des Todes bestattet oder eingeäschert worden sein (§ 9 Abs. 2 BestattG). Die Bestattung darf erst erfolgen, wenn der Sterbefall durch das für den Sterbeort zuständige Standesamt beurkundet worden ist (§ 9 Abs. 3 BestattG). Voraussetzung für die Zulassung einer Ausnahme von der Mindestfrist für die Bestattung von 48 Stunden gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BestattG ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Die Ausnahmemöglichkeit dient insbesondere der Berücksichtigung religiöser und weltanschaulicher Gründe. Wie sich aus dem in § 3 Abs. 1 BestattG normierten zwingenden Erfordernis einer Leichenschau ergibt, die nach der Bestattung nicht mehr möglich wäre, muss auch vor einer sofortigen Bestattung eine Leichenschau durchgeführt worden sein. NordrheinWestfalen Erdbestattungen dürfen gem. § 13 Abs. 2 BestG NRW frühestens vierundzwanzig Stunden nach Eintritt des Todes vorgenommen werden. Die örtliche Ordnungsbehörde kann eine frühere Bestattung aus gesundheitlichen Gründen anordnen oder auf Antrag von Hinterbliebenen genehmigen, wenn durch ein besonderes, aufgrund eigener Wahrnehmung ausgestelltes Zeugnis einer Ärztin oder eines Arztes, die nicht die Leichenschau nach § 9 durchgeführt haben, bescheinigt ist, dass die Leiche die sicheren Merkmale des Todes aufweist oder die Verwesung ungewöhnlich fortgeschritten und jede Möglichkeit des Scheintodes ausgeschlossen ist. Nach § 13 Abs. 3 BestG NRW müssen Erdbestattungen oder Einäscherungen spätestens innerhalb von zehn Tagen durchgeführt werden. Die Totenasche ist innerhalb von sechs Wochen beizusetzen. Die örtliche Ordnungsbehörde kann auf Antrag von hinterbliebenen Personen oder deren Beauftragen sowie im öffentlichen Interesse diese Fristen verlängern. Liegen bei einer Erdbestattung innerhalb der Frist nach Satz 1 die Voraussetzungen des Absatzes 1 [Anm.: Ausstellung der Todesbescheinigung, standesamtliche Eintragung oder Ausnahmegenehmigung] nicht vor, so hat die Bestattung unverzüglich nach deren Eintritt zu erfolgen. Montags bis freitags könnte eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden ermöglicht werden, wenn ein Friedhof einen entsprechend kurzfristigen Termin vergeben würde. Da am Samstag und Sonntag die kommunalen Standesämter und Ordnungsbehörden üblicherweise nicht geöffnet sind, lässt sich am Wochenende de facto keine Bestattung innerhalb von 24 Stunden organisieren. Anlage zu Frage 10 der Schriftlichen Anfrage 17-17164 - Ländervergleich –- Stand 14.10.2015 3 Bundesland Regelungen für den Zeitpunkt der Bestattung Ausnahmeregelungen zur Unterschreitung der Bestattungsfrist Bestehen landesrechtliche Möglichkeiten, eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden nach Eintritt des Todes durchzuführen? Rheinland-Pfalz Eine Leiche darf frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes bestattet werden. Die Erdbestattung oder Einäscherung muss innerhalb von sieben Tagen nach Eintritt des Todes erfolgen (§ 15 Abs. 1 BestG). Ausnahmen sind möglich. Auf Antrag kann von der örtlichen Ordnungsbehörde im Ausnahmefall die Bestattungsgenehmigung vor Ablauf der 48-Stunden-Frist erteilt werden. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs 2 BestG ist eine Verkürzung der Bestattungsfrist auf Anordnung der Ordnungsbehörde möglich, wenn gesundheitliche Gefahren zu befürchten sind [insbesondere Seuchen]. In der Praxis ist jedoch eine Verkürzung auch aus religiösen Gründen möglich. Wenn nach den Umständen des Einzelfalls ausgeschlossen werden kann, dass der Tod durch Fremdeinwirkung eingetreten ist oder der Mensch noch lebt. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (Tod im Krankenhaus/Unfall) wird die Stellungnahme/ Zustimmung des Gesundheitsamtes oder ggfls. eines zweiten Arztes eingeholt. Saarland Leichen dürfen frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes bestattet bzw. eingeäschert werden (§ 31 Abs. 1 BestattG). Leichen müssen spätestens sieben Tage nach Eintritt des Todes erdbestattet sein oder bei einer Beförderung in das Gebiet einer anderen Gemeinde auf den Weg gebracht werden (§ 32 Abs. 1 BestattG). Ausnahmen sind möglich, „wenn offenkundig jede Möglichkeit eines Scheintodes ausgeschlossen ist oder wenn gesundheitliche oder religiöse Gründe hierfür vorliegen“. Sachsen Die Bestattung (Erdbestattung oder Einäscherung) darf frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes (regelmäßige Mindestwartefrist) und muss bei Erdbestattungen innerhalb von fünf Tagen, bei Feuerbestattungen innerhalb von sieben Tagen nach Eintritt des Todes (längste regelmäßige Wartefrist) durchgeführt werden (§ 19 Abs. 1 Sächs-BestG). Keine Ausnahme möglich Sachsen-Anhalt Leichen dürfen frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes bestattet werden. Die Erdbestattung oder die Einäscherung soll innerhalb von zehn Tagen nach Todeseintritt vorgenommen werden (§ 17 Abs. 1, 2 BestattG LSA). Keine Ausnahme möglich. SchleswigHolstein Leichen dürfen frühestens 48 Stunden nach Eintritt des Todes bestattet werden; innerhalb von neun Tagen nach Todeseintritt soll die Erdbestattung oder die Einäscherung vorgenommen werden (§ 16 Abs. 1 BestattG). Es sind keine Ausnahmen zu der Mindestwartefrist von 48 Stunden gesetzlich definiert. Faktisch gibt es aber Ausnahmen in Einzelfällen durch pflichtgemäßes Ermessen der Gemeinden. Dies ist insbesondere bei drohenden gesundheitlichen Gefahren durch die Leiche gegeben (z.B. möglich bei Infektionsleichen gemäß § 2 Abs. 3 BestattG S-H). Thüringen Die Bestattung von Leichen ist nur zulässig, wenn seit Eintritt des Todes 48 Stunden verstrichen sind (§ 20 Abs. 1 S. 1 ThürBestG). Die Erdbestattung oder Einäscherung ist innerhalb von zehn Tagen nach Feststellung des Todes durchzuführen (§ 17 Abs. 3 ThürBestG). Ausnahmen sind möglich (§ 20 Abs. 1 S. 2 ThürBestG). Die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 1 Satz 2 ThürBestG soll insbesondere in den Fällen, in denen aus religiösen Gründen eine sehr rasche Bestattung erwünscht ist, eine entsprechende Rechtsgrundlage für die ordnungsgemäße Bestattung sichern (Thüringer Landtag -. 3. Wahlperiode, Drucksache 3/3937). Zuständig ist die untere Gesundheitsbehörde (Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte). Die Erteilung der Ausnahme erfolgt einzelfallabhängig. S17-17164 s1717164_Anlage