Drucksache 17 / 17 176 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 13. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Oktober 2015) und Antwort Was tut der Senat, um das schlechte Abschneiden bei den Vera 3 Ergebnissen zu beenden? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Seit 2008 werden an den Berliner Grundschulen die Vergleichsarbeiten Jahrgangsstufe 3 (VERA) durchgeführt. Dabei werden die Mindeststandards , die die Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Klasse beherrschen sollen in der dritten Jahrgangsstufe überprüft. Hintergrund des Verfahrens ist, dass die Schulen bzw. die Lehrkräfte in den Grundschulen einen Überblick über den Leistungsstand ihrer Schülerinnen und Schüler erhalten und im Hinblick auf die zu erreichenden Mindeststandards am Ende der Klasse Vier entsprechend agieren können. 1. Wie begründet der Senat, dass die Ergebnisse bei den VERA3-Tests in den letzten Jahren keine signifikanten Verbesserungen vorweisen? Zu 1.: Die Vergleichsarbeiten sind kein Instrument des Bildungsmonitorings und die Ergebnisse nicht für eine längsschnittliche Betrachtung geeignet. Den Vergleichsarbeiten (VERA 3) liegen die Bildungsstandards zugrunde, die Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Jahrgangsstufe erreichen sollen. Es wird somit ein Zwischenstand gemessen, auf dessen Grundlage Lehrkräfte Schlussfolgerungen für ihren Unterricht ziehen können. Damit werden die Vergleichsarbeiten auf andere Anforderungen zugeschnitten als ein Instrument des Systemmonitorings wie z.B. der Ländervergleich des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Dies wiederum führt zu Messunschärfen , die insbesondere aus folgenden Umständen resultieren : • In der Stichprobe zum Ländervergleich werden verschiedene Testheftversionen und damit eine Vielzahl von Aufgaben eingesetzt, sodass die Testdomänen umfassend bearbeitet werden. Bei VERA 3 ist es für die Ableitung von Maßnahmen durch die einzelnen Lehrkräfte jedoch wichtig, dass alle Schülerinnen und Schüler die gleichen Aufgaben bearbeiten. Da die Testsitzungen nicht zu lang sein dürfen, können nur vergleichsweise wenige Aufgaben eingesetzt und dadurch nur ein Ausschnitt der jeweiligen Domäne abgebildet werden . • Die Lehrkräfte führen die Tests mit ihren Klassen selbst durch, korrigieren die Hefte anhand vorgegebener Auswertungsanleitungen und besprechen die Ergebnisse mit ihren Schülerinnen und Schülern sowie in Fachkonferenzen. Für eine Vergleichbarkeit der Testergebnisse über die Jahre hinweg, müssten die Tests durch geschulte Testleiterinnen und Testleiter durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass in allen Testungen die gleichen Bedingungen eingehalten werden. • Durch die Geheimhaltung der Aufgaben bei der Durchführung durch Externe kann im Rahmen des Ländervergleichs ein Teil der Aufgaben in jedem Durchgang eingesetzt und so die Stabilität der Messung sichergestellt werden, während bei VERA in jedem Jahr andere Aufgaben bearbeitet werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 176 2 2. Welche Erkenntnisse haben die Grundschulen aus den anhaltend schlechten Ergebnissen geschlossen und inwiefern hat der Senat Kenntnis darüber, dass die Schulen Veränderungen in der Unterrichtsmethodik vorgenommen haben? Zu 2.: Mit den VERA-Ergebnissen erhalten die Lehrkräfte die Möglichkeit Vergleiche anzustellen, z. B. mit Schulen, die eine ähnliche Schülerschaft aufweisen sowie mit den Klassen und Schülerinnen und Schülern innerhalb der Schule. Die jeweiligen Fachkonferenzen an den Schulen leiten daraus Maßnahmen für die weitere Unterrichtsarbeit ab. Schwerpunkte liegen hier im Entwickeln des Leseverständnisses (Schulbibliothek, Lesepaten, Erwerb der Fachsprachenkompetenz, etc.) und einer Veränderung der Aufgabenkultur, insbesondere im Fach Mathematik, mit verstärkten Sachinhalten und gesteigerter Problemorientierung . Die VERA-Ergebnisse und der Umgang der Schule sind auch Bestandteil der schulinternen Evaluation und der mit der zuständigen Schulaufsicht geführten Schulgespräche . In diesen Schulgesprächen und den daraus resultierenden Zielvereinbarungen ist die Unterrichtsentwicklung ein zentraler Bestandteil. Auch die Schulinspektion untersucht seit ihrem Bestehen , wie die Schulen mit dem Diagnoseinstrument VERA 3 umgehen. 3. Welche Maßnahmen hat der Senat in den vergangenen Jahren unternommen, um die Grundschulen beim Erreichen der geforderten Mindeststandards zu unterstützen ? Zu 3.: Im Bereich der regionalen Fortbildung bestehen seit Jahren in allen Regionen Fortbildungs- und Beratungsangebote , die auf eine Steigerung der Schul- und Unterrichtsqualität und somit auch auf eine verstärkte Kompetenzentwicklung in den Bereichen Deutsch und Mathematik abzielen. Speziell in Bezug auf VERA 3 wurden darüber hinaus vom Institut für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg e.V. (ISQ) in den vergangenen Jahren zwei Informationsveranstaltungen jährlich durchgeführt, die von allen an VERA 3 teilnehmenden Lehrkräften und Interessierten wie bspw. Schulleitungen, Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärtern freiwillig besucht werden konnten. Die Durchführung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM). Inhalte der Veranstaltungen waren im Schuljahr 2014/2015 das Konzept der KMK-Bildungsstandards und der VERA-Aufgaben allgemein; Informationen zu den Testbereichen Rechtschreiben und Lesen mit Aufgabenformaten und Beispielantworten in Bezug auf das Fach Deutsch sowie datengestützte Unterrichtsentwicklung (mit Bezug zum Aufgabenbrowser des ISQ) im Fach Mathematik. 4. Laut Artikel der Morgenpost vom 12. Oktober 2015 erklärt der Senat, dass die Fachbereichsleitungen für Deutsch in den Schulen die Vera-Ergebnisse überprüfen sollen. Inwiefern verfügen die Grundschulen über Fachbereichsleitungen bzw. mit welchen Ressourcen sind diese ausgestattet? Zu 4.: An Grundschulen werden für alle Fächer Fachkonferenzen gebildet. Dabei können mehrere Fächer zusammengefasst werden, soweit dies fachlich-didaktisch und organisatorisch geboten ist. Jede Fachkonferenz hat einen gewählten Vorsitz für den jedoch keine Ressourcen zur Verfügung stehen. 5. Auch wird in dem Artikel auf die Möglichkeit verwiesen, dass Schulen auf Fachcoaches zurückgreifen können. Laut Roter Nummer 2312 sind die Fachcoaches teil der Maßnahme proSchul für Schulen in besonderer Lage. Inwiefern können Schulen eigenständig auf Fachcoaches zurückgreifen? Wie viele Fachcoaches stehen im Fach Deutsch insgesamt berlinweit zur Verfügung? Wie viele Schulen können auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen zurückgreifen? Zu 5.: Die Fachcoaches beraten Fachbereiche von Integrierten Sekundarschulen, die über mehrere Jahre unterdurchschnittliche Ergebnisse des Mittleren Schulabschlusses (MSA) hatten. Fachcoaches für Grundschulen gibt es nicht. 6. Inwiefern kann der Senat auf motivierte Grundschullehrkräfte hoffen, wenn diese mehr unterrichten müssen und zugleich schlechter bezahlt werden als ihre Kolleginnen an Oberschulen sowie über so gut wie keine Funktionsstellen verfügen, die solche Probleme angehen könnten? Zu 6.: Für die Berliner Schulen, einschließlich der Grundschule, sind in den vergangenen Jahren sehr viele junge und engagierte Lehrkräfte eingestellt worden. Die individuelle Motivation jeder Grundschullehrerin und jedes Grundschullehrers ist dem Senat sehr wichtig. Einen unmittelbaren Zusammenhang zur allgemeinen Vergütung , dem Unterrichtsdeputat oder der Ausstattung der Grundschulen mit Funktionsstellen lässt sich nicht herstellen . 7. Warum verfügt der Senat über keinen schulscharfen bzw. klassenscharfen Überblick der VERAErgebnisse , wie kann der Senat mit der bisherigen Datenlage strukturelle Maßnahmen ergreifen? Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft verfügt über schul-, jedoch nicht klassenscharfe Daten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 176 3 Im Rahmen der eigenverantwortlichen Schule nutzen die Schulen ihre schulspezifischen Daten sowohl der einzelnen Klassen als auch die der einzelnen Schülerinnen und Schüler, für die interne und externe Evaluation. Wie in der Antwort zu Frage 2 bereits erläutert, werden die Ergebnisse in den jeweiligen Fachkonferenzen diskutiert und Maßnahmen für die weitere Unterrichtsarbeit abgeleitet . 8. Inwiefern lässt sich aus den VERA-Ergebnissen sowie anderen vorhandenen Daten und Untersuchungen dennoch die These bestätigen, dass die Unterschiede in der Unterrichtsqualität bzw. im Unterrichtserfolg zwischen einzelnen Lehrkräften/Klassen an Schulen meist größer sind als die zwischen unterschiedlichen Schulen? 9. Sofern der Senat diese These teilt, welche Schlussfolgerungen zieht er daraus? Welche Rolle spielen die KlassenlehrerInnen und welche spielt das Thema Teamarbeit in diesen Überlegungen? Zu 8. und 9.: Anhand der VERA-Ergebnisse lässt sich eine solche These weder bestätigen noch widerlegen, da zur Beurteilung des Unterrichtserfolgs und der Unterrichtsqualität weitere Informationen berücksichtigt werden müssen, wie z.B. die individuellen Leistungsstände und Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler sowie der Lernerfolg in einem bestimmten Zeitraum. Berlin, den 26. Oktober 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Okt. 2015)