Drucksache 17 / 17 181 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 13. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Oktober 2015) und Antwort 3. Stadtforum 2015 - Wachstum. Wohlstand. Lebensqualität. Klimaneutrales Berlin? – Wie bereit ist der Senat von Berlin, sich klimaneutral zu verhalten? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Welche in Berlin regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen (bitte getrennt in den Bereichen Kultur, Sport, Bildung, Stadtentwicklung auflisten) sind bereits klimaneutral geplant und durchgeführt worden? Frage 2: Wie wirkt der Senat darauf hin, dass anzeigeund genehmigungspflichtige Veranstaltungen in Berlin grundsätzlich klimaneutral zu planen und durchzuführen sind? Frage 3: Wie setzt sich der Senat dafür ein, dass bei regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen Reduktionsziele bei CO2-Emissionen vereinbart werden (bitte Beispiele auflisten)? Antwort zu 1 bis 3: Unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität bzw. des Klimaschutzes sind im Land Berlin Veranstaltungen nicht genehmigungspflichtig. Insofern liegen keine Erkenntnisse vor, ob und welche Veranstaltungen bereits klimaneutral geplant bzw. durchgeführt werden. Das in Erarbeitung befindliche Berliner Energie und Klimaschutzprogramm sieht zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele in 2050 im Handlungsfeld Haushalt und Konsum eine entsprechende Maßnahme: „Klimafreundliche öffentliche Veranstaltungen“ vor. Frage 4: Welche Kompetenzen sind zu diesen Zwecken innerhalb der Senatsverwaltungen und bei den durch die Senatsverwaltungen für die Planung und Durchführung von klimaneutralen Veranstaltungen beauftragten Firmen vorhanden (z. B. Kulturprojekte Berlin GmbH, VisitBerlin, Messe Berlin GmbH, Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH)? Wie werden diese Kompetenzen geprüft und aktualisiert? Antwort zu 4: Entfällt, siehe Antwort zu den Fragen 1 bis 3. Frage 5: Welche Wettbewerbsvorteile haben Veranstalterinnen und Veranstalter in Berlin, wenn sie die Klimaneutralität bei der Planung und Durchführung ihrer Veranstaltungen berücksichtigen? Antwort zu 5: Die aktuelle Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) enthält bisher keine Vorgaben zur Klimaneutralität für Veranstaltungen, so dass bisher auch keine Wettbewerbsvorteile für Bieter zum Tragen kommen. Frage 6: Wie beeinflussen bisher die Regeln innerhalb der Berliner Landeshaushaltsordnung das Streben nach Klimaneutralität bei Beschaffung von Leistungen und Produkten für die Senatsverwaltungen? Antwort zu 6: Die Vorgaben der Landeshaushaltsordnung in Verbindung mit dem Berliner Ausschreibungsund Vergabegesetz und der Verwaltungsvorschrift „Beschaffung und Umwelt“ unterstützen eine klimaverträgliche Beschaffung von Produkten und Leistungen. Eine aktuelle Untersuchung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt dokumentiert, dass durch eine solche Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen relevante Umwelt- und Kosteneinsparungen erzielt werden können (www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetzestexte/de /beschaffung/studien.shtml). Frage 7: Nach welchem Rechenmodell werden in Berlin entstehende CO2-Emissionen durch welche Maßnahmen neutralisiert? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 181 2 Antwort zu 7: CO2-Emissionen werden in keinem Rechenmodell neutralisiert. Die Energie- und CO2-Bilanz des Landes Berlin wird auf Basis einer bundesweit einheitlichen , durch die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen formulierten, Methodik erstellt. Berechnungen, u.a. zu Emissionen im Beschaffungswesen , werden in der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) des Landes Berlin dargestellt und erläutert (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetzeste xte/de/beschaffung/). Frage 8: Welche Erwartungen hat der Senat an die Stadtgesellschaft durch deren Beteiligung an der OnlineDebatte (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtforum /de/klimaneutral/debatte.shtml): „Was meinen Sie? Sind Sie bereit sich klimaneutral zu verhalten?“ Antwort zu 8: Der Senat hat die Erwartung, mit der Online-Debatte der Stadtgesellschaft eine Beteiligungsmöglichkeit zu bieten und damit Kenntnisse über Haltungen der Stadtgesellschaft zur Klimaneutralität zu gewinnen . Diese Kenntnisse dienen zur Vorbereitung der Veranstaltung . Die Onlinedebatte und die Debatte vor Ort im 3. Stadtforum Berlin dienen dem Austausch von Argumenten , der thematischen Sensibilisierung bei allen Akteursgruppen und – idealerweise – der Motivation zum aktiven Handeln für den Energie- und Klimaschutz. Frage 9: Welche Produkte und Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge des Landes Berlin sind heute schon klimaneutral? Antwort zu 9: Durch die öffentliche Beschaffung beispielsweise von Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft, von Elektrofahrzeugen, von ressourcenschonend hergestellten und recyclingfähigen Produkten sowie von regenerativem Strom können schon jetzt Beschaffungen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. In den nächsten Jahren sollen derartige Beschaffungen sukzessive ausgebaut werden (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetz estexte/de/beschaffung/index.shtml). Frage 10: Ist nach Auffassung des Senates ein klimaneutrales Leben und Arbeiten in Berlin heute schon möglich ? Wie begründen der Senat oder seine Verwaltungen diese Auffassung? Antwort zu 10: Anhand nicht weniger Einzelbeispiele – vom Einkauf emissionsfreien Stroms über Passivenergiehäuser bis zum klimaneutralen Fliegen – kann diese Frage grundsätzlich bejaht werden. Ein die gesamte stadtgesellschaftliche Breite umfassendes klimaneutrales Leben und Arbeiten ist heute noch nicht möglich. Dies setzt die Änderung bzw. Schaffung organisatorischer und rechtlicher Grundlagen, nachhaltig belastbarer dekarbonisierter Energieerzeugungs- und Energiebeschaffungsstrukturen sowie eine nachhaltige Änderung von Verhaltensmustern aller beteiligten Akteure voraus. Insbesondere die Umstellung der noch zu einen bedeutenden Anteil auf fossilen Energieträgern basierenden Energieversorgung ist ein Prozess, der von zahlreichen Faktoren abhängig ist, die durch das Land Berlin nicht oder nicht unmittelbar beeinflusst werden können. Unbeschadet der Möglichkeit, einzelne Maßnahmen auch kurzfristig oder ad hoc zu ergreifen, müssen die erforderlichen Transformationsprozesse konzertiert geplant und durchgeführt werden. Die Entwicklung der Stadtgesellschaft - wie auch ihrer öffentlichen Verwaltung - zur Klimaneutralität ist deshalb nur über längere Frist erreichbar. Gleichwohl hat der Senat mit dem Berliner Energiewendegesetz bereits ein wichtiges rechtliches Instrument für die Erreichung der Klimaneutralität auf den Weg gebracht. Mit dem kurz vor der Fertigstellung befindlichen Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm sollen konkrete Schritte und Maßnahmen sowie Fristen und Verantwortlichkeiten für den Weg zur Klimaneutralität verbindlich geregelt werden. Frage 11: Wie und wo sind z. B. Kompensationsleistungen innerhalb des Landes für heute noch unvermeidbare CO2-Emissionen umsetzbar (ggf. Fläche für einen Klimawald für verbrauchte Fernwärme aus Berliner Kohlekraftwerken )? Antwort zu 11: Die Stiftung Naturschutz Berlin hat sich dafür entschieden, mit den Mitteln aus der Klimaschutzabgabe des Landes Berlin mit höchster Priorität Projekte zur klimawirksamen Erhaltung oder Renaturierung von Berliner Mooren zu finanzieren. Hintergrund ist, dass entwässerte und degradierte Moore eine starke Quelle für das Treibhausgas CO2 und andere klimawirksame Stoffe sind. Mit Projekten zur Renaturierung von Berliner Mooren werden bestehende und künftige Emissionen von klimawirksamen Gasen erheblich und effizient vermindert . Wie in der „Machbarkeitsstudie Klimaneutrales Berlin 2050“ festgestellt wird, leisten Maßnahmen zu Schutz, Pflege und Renaturierung von Moorstandorten einen hohen Beitrag zum Klimaschutz. Neben der CO2- Kompensation hat die Moorrenaturierung positive Wirkungen auf den Wasserhaushalt, das lokale Klima und die Tier- und Pflanzenwelt. Im Rahmen des UEP 1 -II-Projekts „Berliner Moorböden im Klimawandel – Entwicklung einer Anpassungsstrategie zur Sicherung ihrer Ökosystemleistungen" wurden von einer Forschungsgruppe am Fachgebiet Bodenkunde und Standortlehre der Humboldt-Universität zu Berlin 76 Berliner Moore u. a. hinsichtlich ihrer Klimaschutzleistungen untersucht. Während in der historischen geologischen Karte (Geologische Karte von Preußen 1874-1937) in Berlin ca. 2.900 ha Flächen mit Torfsubstraten ausgewiesen sind, wurden aktuell nur noch ca. 740 ha Moorböden gefunden. Derzeit sind in diesen Mooren mehr als 4.010.046 t CO2-Äquivalente gespeichert (durchschnittlich > 5.840 t/ha Moorfläche). 1 Umweltentlastungsprogramm Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 181 3 Jedoch ist mehr als ein Zehntel des in den Mooren gespeicherten Kohlenstoffs (rund 360.000 t CO2-Äquivalente ) durch Entwässerung von Mineralisierung bedroht, wodurch das CO2 in die Atmosphäre freigesetzt werden würde. Dieser Kohlenstoffspeicher wird als gefährdet eingestuft. Klimaschutzmaßnahmen in den Mooren haben hinsichtlich der Kompensation von CO2-Emissionen vorrangig zwei Ziele: Erstens sollen der in den Mooren vorhandenen Kohlenstoff-Speicher erhalten und somit CO2- Emissionen verhindert werden, die ohne Durchführung der Maßnahmen entstehen würden. Zweitens sollen wachsende Moore entwickelt werden, die wieder CO2 aus der Atmosphäre binden und somit ihre Klimaschutzleistung optimal erfüllen. Die in diesem Jahr vorgelegten Ergebnisse des UEPII -Projekts „Berliner Moorböden im Klimawandel" zeigen einen entsprechenden Handlungsbedarf auf und bieten gute Voraussetzungen für die Auswahl von Kompensationsflächen im Bereich der Berliner Moore. Jedoch ist wegen der Vielfalt der Berliner Moore und der zahlreichen auf die Moore einwirkenden Faktoren, die Einfluss auf ihre Entwicklung haben (z.B. Grundwasserstand und Wasserdargebot), bei der Planung von Maßnahmen jeweils eine Einzelfallbetrachtung mit Berücksichtigung von Erfolgs- und Risikofaktoren erforderlich. Frage 12: Welche Rolle spielt das Ziel eines klimaneutralen Lebens bisher in der Berliner Bildungslandschaft ? Welche Vorschläge des Senates für Lerninhalte in den unter-schiedlichen Schulformen konnten in den letzten 5 Jahren für dieses Ziel umgesetzt werden? Antwort zu 12: Das Ziel eines „klimaneutralen Lebens “ wurde bisher zwar nicht formuliert, bildet aber im Unterricht zum Klimaschutz, in Klimaschutzprojekten und in Energiesparprojekten der Bezirke (z.B. „Energie und Klimaschutz in Schulen [EKiS]“, „Fifty-Fifty“, „Köpfchen statt Kohle“) ein zentrales inhaltliches Element . An möglichst vielen Schulen soll das Thema Klimaschutz in den Unterricht und Schulalltag dauerhaft integriert werden (pädagogisches Ziel) und gleichzeitig an den Schulstandorten der Verbrauch von Ressourcen, speziell der Energie, signifikant gesenkt werden (klimapolitisches Ziel). Die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage versetzt werden, sich selbst möglichst klimaschonend zu verhalten und auf ihre Umwelt entsprechenden Einfluss zu nehmen. Darüber hinaus sollen sie politische Diskussionen und staatliche Maßnahmen besser beurteilen können. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft verfolgt schon seit langem das Ziel mit Hilfe der Projekte „Klimaschutz am Schulstandort“ (z.B. Wettbewerb „Berliner Klima Schulen“ und Gütesiegel „Berliner Klima Schule“) und „Zukunft gestaltet Schule“ (z.B. Auszeichnung „Umweltschule in Europa – Internationale Agenda 21 Schule“) als zusätzliche Anreize für Schulen, sich mit dem Thema Klimaschutz intensiv zu beschäftigen . Innerhalb des Projekts „Zukunft gestaltet Schule“ wurden darüber hinaus in den Jahren 2013 und 2014 über 60 Vorträge von Klimawissenschaftlerinnen und Klimawissenschaftlern des „Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung “ (PIK) vermittelt. Im Rahmen der Klimaschutzaktivitäten wird zusammen mit dem PIK eine Onlineplattform für Schulen zum Klimawandel entwickelt. Zudem werden Fortbildungen und Regionalkonferenzen für Lehrerinnen und Lehrer innerhalb der regionalen Fortbildung und auch überregional zum Thema „Klimaschutz “ angeboten. Im Entwurf des Rahmenlehrplans, der im Schuljahr 2017/18 die bisher gültigen Rahmenlehrpläne für die Grundschule, für die Sekundarstufe I sowie für den sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Lernen" ablösen wird, findet Klimawandel in dem übergreifenden Themengebiet „Nachhaltige Entwicklung/Lernen in globalen Zusammenhängen“ ausdrücklich Erwähnung. Auch in den Unterrichtsfächern spielt „Klimaschutz“ eine wichtige Rolle. Im Fach Geografie beispielsweise sind die Themenfelder „Klimawandel und Klimaschutz“ und „Umgang mit Ressourcen“ für die Klassenstufen 9/10 jeweils für ein Halbjahr vorgesehen. Unterrichtshilfen und Unterrichtsbeispiele sind zu den übergreifenden Themen und den Themenfeldern der Unterrichtsfächer der neuen kompetenzorientierten Rahmenlehrpläne in der Entwicklung. In den Curricularen Vorgaben für den Lernbereich „Lernen in globalen Zusammenhängen“, die seit dem Schuljahr 2012/13 in Berlin gelten, passt „Klimawandel/ Klimaschutz/ klimaneutrales Leben“ zu mehreren der dort vorgeschlagenen Themenbereichen, wie z.B. „Globale Umweltveränderungen, Waren aus aller Welt: Produktion, Handel und Konsum, Landwirtschaft und Ernährung, Globalisierte Freizeit, Schutz und Nutzung natürlicher Ressourcen und Energiegewinnung und Mobilität, Stadtentwicklung und Verkehr. Klimawandel und Klimaschutz ist der Schwerpunkt einer der die Curricularen Vorgaben begleitenden Handreichungen „Die große Transformation. Klima - kriegen wir die Kurve?“. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 181 4 Angesichts des Ziels des Senats, Berlin mit Hilfe des Berliner Energie und Klimaschutzprogramms (BEK) und dem neuen Berliner Energiewendegesetz (§ 14 „Klimaschutz als Bildungsinhalt“) bis zum Jahr 2050 zu einer klimaneutralen Stadt zu entwickeln, werden zurzeit Maßnahmen zur Umsetzung unter der Federführung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz diskutiert, die auch das Konzept eines „klimaneutralen Lebens“ beinhalten. Berlin, den 28. Oktober 2015 In Vertretung R. Lüscher ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Okt. 2015)