Drucksache 17 / 17 201 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 16. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Oktober 2015) und Antwort Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Unterbringung und Betreuung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) wurden in diesem Jahr bis zum 10.10.2015 in Berlin in Obhut genommen (bitte nach Alter, Herkunftsland und Geschlecht getrennt ausweisen)? 2.Was hat sich bezüglich der Einreise von UMF in welcher Art und Weise im Vergleich zur Antwort des Senats auf die Schriftliche Anfrage Drs. 17/16645 bezüglich der Zahl, des Alters, der Herkunftsländer und weiterer möglicher Kriterien verändert? 3. Bei wie vielen jungen Menschen, die seit dem 01.07.2015 als UMF in Berlin eingereist sind, wurden die Inobhutnahme nicht bestätigt? Zu 1.- 3.: Wie die Flüchtlingszahlen insgesamt steigt auch die Zahl der nach Berlin kommenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) stark an. Bis zum Stichtag 30.09.2015 wurden seit Jahresbeginn 2.186 UMF neu erfasst. Folgende Hauptherkunftsländer sind in 2015 zu verzeichnen: Syrien (38 %), Afghanistan (14 %), Palästinenser aus Syrien oder dem Libanon (16 %), Albanien (5 %), westafrikanische Staaten (5 %) und Vietnam (3 %). Die überwiegende Mehrheit (87 %) ist männlich, der Anteil der unter 14-jährigen beträgt ca. 14 %. Insofern bestätigen sich die in der Antwort des Senats auf die Schriftliche Anfrage Drs. 17/16645 im Juli dieses Jahres dargelegten Angaben in Bezug auf das Alter, das Geschlecht und die Herkunftsländer. Der Anteil der nach Altersschätzung als junge Volljährige einzustufenden jungen Menschen beträgt rund 30 %. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 201 2 4. Wie positioniert sich der Senat zu der Auffassung, dass es keine wissenschaftlich haltbare Methode zur sicheren Altersfeststellung gibt? Warum hält der Senat dennoch an dieser Praxis fest? Zu 4.: Die medizinischen Altersgutachten, die die für Jugend zuständige Senatsverwaltung beim Centrum für Forensische Altersbestimmung (CFAB) Charité/Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) in Auftrag gibt, werden nach den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft für forensische Altersdiagnostik an Universitätskliniken erstellt . 5. Durch wen ist sichergestellt, dass bei der Versagung einer Inobhutnahme wegen nichtanerkannter Minderjährigkeit der junge Mensch über die Möglichkeit einer Beantragung einer Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII auch in seiner Sprache umfassend informiert und er rechtlich beraten wird? 6. Wie viele nach Meinung des Senats junge volljährige Flüchtlinge haben seit dem 01.01.2015 einen Antrag auf Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII gestellt und wie wurden diese Anträge beschieden? Zu 5. - 6.: Der Ablehnung bzw. der Beendigung einer Inobhutnahme in der Erstaufnahme- und Clearingstelle (EAC) wegen altersgeschätzter bzw. eingetretener Volljährigkeit geht ein ausführliches Gespräch unter Einbeziehung einer Sprachmittlerin / eines Sprachmittlers voraus . Der/die betroffene Geflüchtete wird über die Gründe für die Ablehnung der Inobhutnahme unterrichtet. Der persönlich ausgehändigte Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung und Hinweise, wer jetzt für die Unterbringung und Versorgung zuständig ist. Die Klärung, ob Jugendhilfebedarf im Rahmen der Hilfen für junge Volljährige besteht, erfolgt in enger Abstimmung der sozialpädagogischen Fachkräfte in den Aufnahmeeinrichtungen mit dem zuständigen bezirklichen Jugendamt. Die Halbjahresstatistik der Berliner Jugendämter weist zum Stichtag 30.06.2015 aus, dass 276 junge Geflüchtete Hilfen gemäß § 41 SGB VIII erhalten haben. Da die Zahl junger Volljähriger, die in der EAC ankommen und derer, die innerhalb sehr kurzer Zeit nach ihrer Inobhutnahme 18 Jahre alt werden, steigt, ist mit einem Anstieg der Hilfebedarfe gemäß § 41 SGB VIII zu rechnen. Hierzu werden die Verfahren mit den bezirklichen Jugendämtern abgestimmt. 7. Wie viele Plätze zur Unterbringung von UMF nach den Standards der Jugendhilfe gibt es zum jetzigen Zeitpunkt ? 8. Wie viele UMF sind gegenwärtig nicht in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe untergebracht? 9. An welchen Standorten sind in jeweils welcher Platzkapazität UMF gegenwärtig untergebracht (bitte Hostels und andere Sammelunterkünfte gesondert ausweisen , ebenfalls gesondert auszuweisen sind Einrichtungen, in denen nicht nur UMF untergebracht sind)? 10. Wer entscheidet nach welchen Kriterien über die Eignung der Unterkünfte für die jugendhilfegerechte Unterbringung von UMF? Welche Standards müssen zwingend erfüllt sein? 11. Wie hoch waren die Kosten in den Jahren 2013, 2014 und anteilig 2015 für die Unterbringung von UMF in Hostels/Sammelunterkünften und wonach berechneten sich diese? 12. Wie und durch wen gewährleistet der Senat in den Hostels/Sammelunterkünften die pädagogische Betreuung der UMF sowie den Kinderschutz? 13. Welches Konzept liegt der mobilen pädagogischen Betreuung von UMF in Hostels/ Sammelunterkünften zugrunde? 14. Wie oft in der Woche für jeweils welche Zeitdauer werden UMF in Hostels/ Sammelunterkünften individuell pädagogisch betreut? Wer kümmert sich in der Zwischenzeit um die Kinder und Jugendlichen auch im Hinblick auf den Kinderschutz und wie wird im Not- bzw. Krisenfall pädagogische Betreuung/Intervention und medizinische Versorgung gesichert? 15. Mit welchen Trägern hat der Senat Verträge über die mobile pädagogische Betreuung von UMF abgeschlossen , wie viele UMF werden durch wie viele pädagogische Fachkräfte mobil betreut? 17. Was wird der Senat tun, um als UMF eingereiste Kinder und Jugendhilfe nach Jugendhilferecht in Obhut zu nehmen und ihnen zu jeder Zeit die für sie notwendige individuelle pädagogische und ggf. therapeutische Betreuung und medizinische Versorgung zukommen zu lassen und sie auch im Sinne des Kinderschutzes vor Schaden zu bewahren? Zu 7. - 15. und 17.: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden nicht in Sammelunterkünften untergebracht . Wenn sich in Flüchtlingsgruppen, die nach der Ankunft von Sonderzügen oder Bussen in den entsprechenden Sammelunterkünften untergebracht werden UMF befinden, werden diese an die Erstaufnahme- und Clearingstelle (EAC) weitergeleitet. In den Einrichtungen der Kinder-und Jugendhilfe werden derzeit 586 UMF im Rahmen der Hilfen zur Erziehung betreut. Hinzu kommen über 1000 Plätze gemäß § 42 SGB VIII in temporäre Unterbringungseinrichtungen . Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (SenBildJugWiss) nutzt gegenwärtig ergänzend diese temporären Unterbringungseinrichtungen und Beherbergungsbetriebe zur Abfederung der Spitzenlastsitua- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 201 3 tion. In diesen Unterbringungseinrichtungen wird zur Sicherung des Schutzauftrages und zur Vermeidung von Obdachlosigkeit von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine Erst- und Grundversorgung mit sozialpädagogischer Betreuung sichergestellt. Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, Mädchen, Schwangere und junge Mütter werden in den dauerhaft bestehenden Einrichtungen der Erstaufnahme gemäß § 42 SGB VIII versorgt . Diese Einrichtungen werden in Kooperation mit den sozialen Diensten der Johanniter-Unfall-Hilfe und des Malteser-Hilfsdienstes sowie anderen Trägern der Jugendhilfe betrieben. Weitere Objekte sind gegenwärtig in Prüfung und/oder Vorbereitung. Zusätzlich wird aktuell in unterschiedlichen Beherbergungsbetrieben (z.B. Hostels, Hotels, Jugendherbergen, Jugendgästehäuser) im Rahmen der jeweils belegbaren Kapazitäten, eine Versorgung mit ambulanter sozialpädagogischer Betreuung im Schichtbetrieb durch ein Netzwerk von derzeit 9 ambulanten sozialpädagogischen Trägern, nach den mit der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung vereinbarten Betreuungsinhalten und Leistungsumfängen, sichergestellt. Hinzu kommen einige kleinere Kontingente an Standorten an denen die Betreuung durch die anbietenden Jugendhilfeträger selbst sichergestellt werden konnte. Die medizinische Versorgung ist in allen Unterkunftseinrichtungen sichergestellt. Im Krankheitsfall sind alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge durch einen von der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung abgeschlossenen Vertrag mit der AOK gesetzlich krankenversichert. In den Jahren 2013 und 2014 waren keine UMF in temporären Unterbringungseinrichtungen untergebracht. Die anteiligen Kosten für 2015 für die Unterbringung in Hostels können derzeit noch nicht getrennt beziffert werden . Die Anzahl der Standorte und Platzkontingente in den verschiedenen Unterbringungsvarianten unterliegt den sich täglich ändernden Anforderungen. Aktuell werden in diesen temporären Unterbringungseinrichtungen rd. 1000 UMF versorgt und betreut. Über die Eignung der Unterkünfte entscheidet die für Jugend zuständige Senatsverwaltung . Da es sich bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen um eine besonders schutzbedürftige Zielgruppe handelt, ist eine Auflistung der Standorte nicht möglich. 16. Wie hoch ist die Quote der als UMF in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen, die aus den ihnen zugewiesenen Unterkünften entweichen? Wie bewertet der Senat diese Anzahl? Welche Gründe sieht der Senat für das dauerhafte Verlassen der zugewiesenen Unterkünfte und wie reagiert er darauf? Zu 16.: Die Quote der unbegleiteten jungen Flüchtlinge , die bis Ende September 2015 die Einrichtungen in denen sie in Obhut genommen wurden verlassen haben, ohne dass eine weitere Hilfeplanung erfolgen konnte, liegt bei ca. 8 %. Der Senat geht davon aus, dass der Großteil von ihnen aus unterschiedlichen Gründen nicht in Berlin verbleiben wollte, da ihr Ziel entweder in anderen Orten im Bundesgebiet oder in Skandinavien liegt Berlin, den 03. November 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Nov. 2015)