Drucksache 17 / 17 202 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 16. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Oktober 2015) und Antwort Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Kostensätze und Leistungsgewährung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch sind die Aufwendungen Berlins pro Tag/Woche/Monat für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Flüchtling (UMF)? 2. Wie gliedern sich diese Aufwendungen auf? 3. In welcher Höhe sind Aufwendungen für die Integration der Kinder und Jugendlichen enthalten? 6. Welche Kostensätze gelten für die Unterbringung der UMF in der Clearingphase, die das Land Berlin mit freien Trägern der Jugendhilfe vereinbart hat? 7. Wie erklärt der Senat etwaige Unterschiede in der Höhe des mit den Trägern vereinbarten Kostensatzes? 8. Wie erklärt der Senat die Zusammensetzung des Kostensatzes? Zu 1. - 3. und 6. - 8.: Für Leistungen nach § 42 und § 34 SGB VIII werden die Entgelte einrichtungsbezogen mit den Trägern/Leistungserbringern vereinbart. Die Zusammensetzung der Entgelte erklärt sich anhand des jeweiligen Kostenblattes, in dem alle vereinbarten Kostenpositionen dargestellt werden und das der jeweiligen Leistung zugrunde liegt. Es werden Personalaufwendungen (z.B. pädagogische Kräfte, Supervision und Fortbildung , Hauswirtschaft etc.), Investitionskosten (z.B. Mieten , Wirtschaftsgüter, Abschreibungen) und Sachmittel (Lebensmittel, Verwaltungskosten, Fahrgeld etc.) abgebildet , die für die Leistungserbringung erforderlich sind. Für die Unterbringung nach § 42 und § 34 SGB VIII betragen die Entgelte zwischen 100 und 160 Euro pro Platz und Tag. Die Unterschiede in den Entgelten erklären sich aufgrund der einrichtungsbezogenen Ermittlung entsprechend der rahmenvertraglichen Grundlagen im Berliner Rahmenvertrag für Hilfen in Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe (BRVJug). Der Kostensatz für eine temporäre Betreuungseinrichtung setzt sich nach einem Bausteinprinzip aus Kosten für Unterbringung, Verpflegung, Objektschutz und sozialpädagogischer Betreuung, sowie Mobilität zusammen. Für die sozialpädagogische Betreuung in den temporären Unterkünften ist ein einheitlicher Standard entwickelt und berechnet worden. Die Höhe des Kostensatzes einschließlich der Essensversorgung beträgt durchschnittlich 100 € pro Person und Tag. 4. Welche Verabredung haben die Länder mit dem Bund über die Verteilung und Verwendung der insgesamt für UMF zur Verfügung stehenden 350 Mio. Euro getroffen ? 5. In welcher Höhe wird Berlin an den 350 Mio. Euro, die für die UMF bestimmt sind, partizipieren und wofür sollen diese Mittel verwendet werden? Zu 4. - 5.: Der Bund leistet einen Beitrag zur Finanzierung der Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Höhe von 350 Mio. Euro jährlich. Davon erhält Berlin 19,3 Mio. Der Senat hat mit Senatsbeschluss das Ergebnis der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder und die finanziellen Auswirkungen auf das Land Berlin zur Kenntnis genommen. Die Senatsverwaltung für Finanzen wird den Rat der Bürgermeister und den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses durch eine Vorlage über die geplante Umsetzung unterrichten. Das Abgeordnetenhaus von Berlin entscheidet über die Haushaltspläne. Die finanziellen Auswirkungen des Asylverfahrenbeschleunigungsgesetzes wie auch die ausgabeseitigen Veränderungen, die sich im Vergleich zu den ins Verfahren bereits eingebrachten Haushaltsplanentwürfen für 2016 und 2017 voraussichtlich ergeben, müssten durch Anträge der Fraktionen eingearbeitet werden . Dies ist aufgrund der Unterrichtung durch den Senat bereits im Hauptausschuss erörtert worden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 202 2 9. In welcher Höhe ist im vereinbarten Kostensatz Taschengeld für die betreuten UMF enthalten und inwieweit werden dabei die Festlegungen im Asylbewerberleistungsgesetz berücksichtigt? 10. Von welchen Kriterien ist die Höhe des Taschengeldes bestimmt und welche Ausgaben sollen davon bestritten werden? 11. In welcher Höhe sind im Taschengeld Aufwendungen für Fahrten mit dem ÖPNV enthalten? 12. Inwiefern sind die Träger verpflichtet, den ihnen anvertrauten UMF die Taschengelder in voller Höhe auszuzahlen bzw. inwieweit dürfen Sachleistungen (z.B. Fahrscheine für den ÖPNV) statt Geldleistungen ausgereicht werden? Wer entscheidet darüber auf welcher Rechtsgrundlage? 13. An wen können sich UMF wenden, wenn sie Fragen zum Taschengeld haben oder mit der Handhabung des Taschengeldes nicht einverstanden sind? Zu 9. – 13.: Die grundsätzliche Gewährung von Taschengeld im Rahmen der stationären Unterbringung gemäß § 34 SGB VIII richtet sich nach der Ausführungsvorschrift zum Jugendhilfeunterhalt. Gültigkeit hat das jeweils maßgebliche Rundschreiben zur Höhe des Taschengeldes der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung . Im Rundschreiben werden die Beträge für die jeweilige Altersstufe gestaffelt dargestellt. Das Taschengeld steht dem/der Jugendlichen zur freien Verfügung. Aufwendungen für Fahrgeld sind grundsätzlich nicht Bestandteil des Taschengeldes. Im Rahmen der Erstaufnahme gemäß § 42 SGB VIII stehen für Dinge des persönlichen Bedarfs sowie für Fahrgelder rd. 50 € pro Platz und Monat zur Verfügung. Bei der Kalkulation für eine temporäre Unterbringung wurde ein Taschengeld von 1 € pro Platz und Tag zugrunde gelegt und in den Kostensätzen für die Unterbringung ein Betrag von 3,53 € Fahrgeld pro Platz und Tag einkalkuliert, woraus die notwendigen Aufwendungen für Fahrgeld z.B. Monatskarten finanziert werden können. Fragen zum Taschengeld oder Einwände in Bezug auf die Handhabung des Taschengeldes können UMF direkt mit den vor Ort tätigen sozialpädagogischen Fachkräften besprechen. Sollte darüber hinaus Klärungsbedarf bestehen , ist das Beschwerdemanagement des Trägers oder die für Jugend zuständige Senatsverwaltung der nächste Ansprechpartner . 14. Wie wird bei UMF in Hostels/ Sammelunterkünften der Bekleidungsbedarf gewährleistet? 15. Wie und durch wen wird bei UMF in Hostels und Sammelunterkünften die medizinische Versorgung der Minderjährigen, einschließlich der Verfügbarkeit über Krankenbehandlungsscheine, sichergestellt? 16. Wie und durch wen ist sichergestellt, dass die in Hostels/Sammelunterkünften untergebrachten UMF über den BerlinPass verfügen? Zu 14. – 16.: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden nicht in Sammelunterkünften untergebracht. Wenn sich in Flüchtlingsgruppen, die nach der Ankunft von Sonderzügen oder Bussen in den entsprechenden Sammelunterkünften untergebracht werden, UMF befinden , werden diese an die Erstaufnahme- und Clearingstelle (EAC) weitergeleitet. Im Kostensatz für eine temporäre Unterbringungseinrichtung ist eine Bekleidungspauschale in Höhe von 1 € pro Tag und Person, d.h. von monatlich 28€/29€/30€/31€ enthalten. Diese wird ergänzt durch Bekleidung aus Kleiderspenden , die zum Teil auch in Form von entsprechenden Gutscheinen erfolgen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gehören nicht zu den Anspruchsberechtigten für den berlinpass, da hier der Rechtskreis des SGB VIII maßgeblich ist. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den temporären Unterbringungseinrichtungen ist seit Oktober eine medizinische Erstuntersuchung in Kooperation mit der Malteser Migranten Medizin Berlin möglich. Die Kapazitäten für eine flächendeckende Erstuntersuchung werden derzeit aufgebaut. Im Krankheitsfall sind alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge durch einen von der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung abgeschlossenen Vertrag mit der AOK gesetzlich krankenversichert, d.h. sie erhalten einen Krankenschein und eine entsprechende Kostenübernahme erfolgt durch den Krankenversicherungsträger . 17. Wie lange sind die betroffenen UMF im Durchschnitt in Hostels und Sammelunterkünften untergebracht und entspricht es den Tatsachen, dass den Betroffenen eine Unterbringung in Einrichtungen der Jugendhilfe im Rahmen der Inobhutnahme erst für Sommer 2016 in Aussicht gestellt wird? Wie bringt der Senat dies in Übereinstimmung mit der Rechtslage? 18. Was beinhaltet der Begriff „ambulantes Clearing“ und welche Rechtsgrundlage gibt es dafür? 19. Wie viele Kinder und Jugendliche, die als UMF eingereist sind, sind vom „ambulanten Clearing“ betroffen ? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 202 3 Zu 17. - 19.: Die Dauer des Aufenthaltes der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in den temporären Unterbringungseinrichtungen soll so kurz wie möglich gehalten werden. Bei UMF mit eindeutiger Minderjährigkeit oder mit gültigen Personenstandsdokumenten wird nunmehr bereits in dieser Phase mit dem Clearing begonnen . Das sog. ambulante Clearing erfolgt nicht zwingend durch den für die Unterbringung zuständigen Träger, umfasst jedoch alle notwendigen Bestandteile des Verfahrens , d.h. die Anamnese, die ausländerrechtliche Registrierung , die medizinischen Untersuchungen, den Versuch einer Kontaktaufnahme zu den Eltern, den sozialpädagogischen Bericht und den Erstkontakt zum Zuweisungsjugendamt . Berlin, den 04. November 2015 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Nov. 2015)