Drucksache 17 / 17 228 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 20. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Oktober 2015) und Antwort Sprachförderung: Umsetzungsstand §55 Schulgesetz Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Seit Änderung des §55 Schulgesetz im März 2014 sind Kinder, die im übernächsten Schuljahr regelmäßig schulpflichtig werden, verpflichtet, an einer Sprachstandsfeststellung teilzunehmen. Sofern bei diesen Kindern festgestellt wird, dass sie nicht über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für eine erfolgreiche Teilnahme am Schulunterricht verfügen, sollen sie eine sich über 18 Monate erstreckende und mindestens 25 Stunden/Woche umfassende vorschulische Sprachförderung erhalten. 1. Wie viele (Tages-)Einrichtungen verfügen über die Genehmigung zur Durchführung der Sprachstandsfeststellung im Sinne des §55 SchulG/ im Sinne der SprachföVo? Was versteht der Senat genau unter den in diesem Zusammenhang verlangten „Inhalten einer alltagsintegrierten Sprachförderung unter schulischer Verantwortung“? Zu 1.: Zur Durchführung der Sprachstandsfeststellung nach § 55 Schulgesetz sind mit 43 Kindertagesstätten Kooperationsverträge geschlossen wurden. Die Verantwortung für die Umsetzung der Sprachstandsfeststellung und die sich anschließende sprachliche Förderung liegt bei den bezirklichen Schulämtern. Träger von Kindertagesstätten mit ihren professionellen Angeboten sind wichtige Kooperationspartner bei der Förderung der Sprachkompetenz schon vor Eintritt in die Schule. Daher findet die sprachliche Förderung für Nicht-KitaKinder seit 2009 auf der Grundlage der „Rahmenvereinbarung zur vorschulischen Sprachförderung“ in den Kindertagesstätten statt. Die der Rahmenvereinbarung beigetretenen Kindertagesstätten werden von der für Bildung zuständigen Senatsverwaltung unterstützt. Die für die Beratung der Kindertagesstätten eingesetzten regionalen Sprachberaterteams für vorschulische Sprachförderung setzen sich aus Lehrkräften für den sonderpädagogischen Förderschwerpunkt „Sprache“ und Lehrkräften mit der Kompetenz für das Erlernen des Deutschen als Zweitsprache zusammen. Den sprachlichen Bildungsprozess von Kindern zu begleiten und herauszufordern, ist eine zentrale Aufgabe in Kitas. Sprachliche Bildung basiert auf Dialog und Partizipation der Kinder. Durch einen gemeinsam gestalteten anregungsreichen Alltag erhalten Kinder in Kindertagesstätten vielfältige sprachliche Impulse. Alltagsintegrierte Sprachförderung meint demnach, dass sprachliche Kompetenzen gezielt in Alltagssituationen zu entwickeln sind, in denen die Kinder in Handlungen und Dialogen sprechen lernen. Ihre Aufmerksamkeit gilt dabei dem, was wahrgenommen, geäußert und verstanden wird, nicht den Äußerungen selbst. 2. Wer führt zu welchen Zeitpunkten die Sprachstandsfeststellungen gemäß §55 SchulG nach welchem Verfahren/Test durch? Zu 2.: Die Sprachstandsfeststellung wird jährlich im Zeitraum zwischen dem 15. November und dem 15. Januar des Folgejahres in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen durch die regionalen Sprachberaterteams für vorschulische Sprachförderung durchgeführt. Der Sprachstand wird mit dem standardisierten Sprachstandsfeststellungsverfahren „Deutsch Plus 4“ erhoben. 3. Bei wie vielen Kindern wurde bei den vorschulischen Sprachstandsfeststellungen (zum jeweils geltenden Verfahren und Testzeitpunkt) vor und nach Änderung des Schulgesetzes in den letzten acht Jahren nicht ausreichende Sprachkenntnisse bescheinigt? Zu 3.: In der nachfolgenden Tabelle ist die Anzahl der Kinder mit Sprachförderbedarf dargestellt. Seit dem Jahr 2009 wird der Sprachstand mit dem Sprachstandsfeststellungsverfahren „Deutsch Plus 4“ erhoben. Die Änderung des Schulgesetzes vom 26.03.2014 und der damit verbundene frühere Erhebungszeitpunkt sind bislang nur für die vom 15. November 2014 bis 15. Januar 2015 getesteten Kinder (Geburtsjahr 2010) relevant. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 228 2 Geburtsjahrgang Anzahl der getesteten Kinder Anzahl der getesteten Kinder mit Sprachförderbedarf 2004 (Stand 31.12.2009) 740 234 2005 (Stand 31.12.2010) 625 285 2006 (Stand 31.12.2011) 645 336 2007 (Stand 31.12.2012) 740 392 2008 (Stand 30.11.2013) 712 394 2009 (Stand 31.12.2014) 531 304 2010 (Stand 31.08.2015) 760 448 4. Wie hoch war in den Jahren vor/bis 2014 jeweils der Anteil der Kinder, die nach dem Test freiwillig bei einer Kita angemeldet wurden und wie viele Kinder kamen trotz entsprechend schlechten Testergebnissen dennoch nicht im System an? Zu 4.: Die Angabe „freiwillig“ ist im ITFachverfahren „Integrierte Software Berliner Jugendhilfe“ (ISBJ) nicht vorgesehen. Sobald ein Kind einen KitaVertrag abschließt, wird im ISBJ-Sprachstand der Datensatz gelöscht. Es wird statistisch nicht erfasst, ob die Eltern bei Abschluss des Kitavertrages bereits eine Aufforderung zur Sprachförderung erhalten haben oder dies freiwillig tun. Die Anzahl der Kinder, die bis einschließlich 2014 trotz Aufforderung zur Sprachförderung nicht in der Kita gefördert wurden, ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen . Geburtsjahrgang Auflage zur Sprachförderung nicht erfüllt 2004 (Stand 31.12.2009) 88 2005 (Stand 31.12.2010) 98 2006 (Stand 31.12.2011) 139 2007 (Stand 31.12.2012) 150 2008 (Stand 30.11.2013) 232 2009 (Stand 31.12.2014) 110 2010 (Stand 31.08.2015) 220 5. Inwiefern ist bereits zu erkennen, ob die neue Regelung zu einer höheren Anmeldequote in den Kindertageseinrichtungen geführt hat bzw. wann werden entsprechend valide Daten aus Sicht des Senats erstmals vorliegen ? Zu 5.: Erkenntnisse darüber, ob Kinder nach der Änderung des § 55 Schulgesetz der Verpflichtung zur Sprachförderung in höherem Maß nachkommen, liegen frühestens im März 2016 vor. 6. Haben die Kitas irgendeine zusätzliche Unterstützung erhalten, um die genannten 25 Stunden Sprachförderung durchführen zu können oder besteht die Förderung ausschließlich im Kitabesuch selbst („integrierte Sprachförderung “), ohne jede zusätzliche ErzieherInnenstunde o.ä.? Zu 6.: Die Kindertagesstätten, welche der Rahmenvereinbarung beitreten und die 25-stündige Sprachförderung anbieten, erhalten eine pauschale Finanzierungssumme, in die der erhöhte pädagogische Handlungsbedarf eingeflossen ist. Ergänzend werden die Kindertagesstätten von den in der Antwort zu Frage 1 beschriebenen regionalen Sprachberaterteams zu allen Fragen der Sprachförderung sowie bei der individuellen Förderplanung beraten und unterstützt. Jährlich findet darüber hinaus ein gemeinsamer Fachtag im Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) statt. Die regionalen Sprachberaterteams und die pädagogischen Fachkräfte aus den Kindertagesstätten erhalten auf den Fachtagen Impulse zur sprachlichen Förderung und tauschen sich zu spezifischen Fragen der sprachlichen Förderung aus. 7. Existieren sonstige Formen der frühkindlichen Sprachförderung außerhalb der Tageseinrichtungen im Sinne des § 55? Zu 7.: Dem Senat sind keine weiteren Angebote zur Umsetzung von § 55 Schulgesetz bekannt. Berlin, den 02. November 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Nov. 2015)