Drucksache 17 / 17 245 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ole Kreins (SPD) vom 19. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Oktober 2015) und Antwort Tarifentwicklungen im ÖPNV und deren Implementation Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie haben sich die durchschnittlichen Fahrpreise im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2015 entwickelt? Wie hoch war die durchschnittliche Tarifentwicklung? Wie viele unterschiedliche Fahrkarten gab es in den einzelnen Tarifstufen ? Wie war die Laufzeit der Tarifentwicklungen? Antwort zu 1: Durchschnittliche Anpassungsraten und Laufzeiten der VBB 1 -Fahrpreise Quelle: Verbundstatistik 4/2014 des VBB 1 Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg Es werden folgende Fahrausweisarten angeboten: Bartarif 3 Fahrausweisarten: 1. Einzelfahrausweis (Regel- und Ermäßigungstarif; für Berlin AB zusätzlich 4-Fahrten-Karte), 2. Tageskarte (Regel- und Ermäßigungstarif, VBBGesamtnetz nur Regeltarif), 3. Kleingruppen-Tageskarte. Das Brandenburg-Berlin-Ticket gilt als KleingruppenTageskarte in fast allen VBB-Verkehrsmitteln sowie auf bestimmten Strecken nach Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Polen. Es handelt sich hierbei um ein Tarifangebot der DB Regio AG. 3 Fahrausweisarten für bestimmte Fahrgäste: 1. Gruppentageskarte für Schüler (Berlin AB und ABC), 2. Fahrradkarte (Einzelfahrausweis und Tageskarte), 3. Anschlussfahrausweis. Zeitkartentarif (VBB-Umweltkarte) 4 Fahrausweisarten: 1. 7-Tage-Karte, 2. Monatskarte, 3. Abonnement, 4. Jahreskarte. Für Azubis bzw. Schülerinnen und Schüler werden für das Tarifgebiet Berlin Monatskarten und Abonnements angeboten. Für Berlin AB gibt es zusätzlich das Schülerticket und die Geschwisterkarte sowie das ermäßigte Schülerticket. Fahrradmonatskarten werden für Berlin (AB und ABC) sowie für das VBB-Gesamtnetz angeboten. Termin Veränderung [Prozent] Laufzeit [Monate] 01.04.1999 Einführung VBBTarif 16 01.08.2000 + 3,1 12 01.08.2001 + 3,0 5 01.01.2002 - 0,5 Euro-Anpassung 19 01.08.2003 + 3,0 8 01.04.2004 + 3,3 16 01.08.2005 + 3,1 20 2006 keine Anpassung 01.04.2007 + 2,6 12 01.04.2008 + 2,0 33 2009 keine Anpassung 2010 keine Anpassung 01.01.2011 + 2,8 19 01.08.2012 + 2,8 12 01.08.2013 + 2,8 2014 keine Anpassung 17 01.01.2015 + 2,3 12 01.01.2016 + 1,8 geplant Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 245 2 Beispiele sonstiger Fahrausweise Berlin-Ticket S (Sozialkarte), 10-Uhr-Karte (Monatskarte und Abonnement, nur Tarifgebiet Berlin), VBB-Abo 65plus (nur VBB-Gesamtnetz und nur als Abonnement), Semestertickets für 47 Hochschulen und Universitäten , Firmentickets, Kombitickets. Berücksichtigt sind nur Fahrausweise, bei denen das Tarifgebiet Berlin einbezogen ist. Frage 2: Wie hoch war die Anzahl der jährlichen Fahrgäste für den oben genannten Zeitraum? Wie hoch waren die Einnahmeerlöse? Wie hoch war im gleichen Zeitraum der relative und absolute Anteil der Finanzierung des ÖPNV durch das Land Berlin? Antwort zu 2: Aus erhebungssystematischen Gründen stehen die Werte zum Teil nur für das Verbundgebiet zur Verfügung. Daher sind die Anzahl der Fahrgäste und die Höhe der Fahrgeldeinnahmen jeweils für das VBB-Gebiet angegeben. Damit ist bei der Gegenüberstellung die Kompatibilität hergestellt. Bei den Zuschüssen für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) hingegen kann der Berliner Senat nur für den Berliner Anteil Auskunft geben. Anzahl Fahrgäste im ÖPNV im VBB-Tarifgebiet Jahr Fahrgäste [Mio.] Jahr Fahrgäste [Mio. 2000 1.061 2008 1.240 2001 1.136 2009 1.260 2002 1.176 2010 1.266 2003 1.185 2011 1.282 2004 1.197 2012 1.293 2005 1.227 2013 1.321 2006 1.256 2014 1.365 2007 1.237 Quelle: Verbundstatistik Bericht 2/2015 des VBB Fahrgeldeinnahmen im VBB-Gebiet Quelle: Verbundstatistik Bericht 1/2015 des VBB Jahr Fahrgeldeinnahmen [Mio. EUR] Jahr Fahrgeldeinnahmen [Mio. EUR] 2000 727 2008 996 2001 764 2009 1.025 2002 717 2010 1.071 2003 794 2011 1.092 2004 872 2012 1.138 2005 901 2013 1.210 2006 954 2014 1.274 2007 965 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 245 3 Zuschüsse für den Berliner ÖPNV (Bestellungen für Verkehrsleistungen) Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt , Januar 2014, Berliner Verkehr in Zahlen, S. 110 Frage 3: Führen Fahrpreisanhebungen im Grundsatz zu Fahrgastverlusten? Welche Fahrpreise hält der Senat für angemessen, um einerseits ein attraktives Angebot finanzieren zu können, andererseits den Fahrgästen preiswerte Mobilität mit Angeboten des ÖPNV zu gewährleisten ? Antwort zu 3: Der Wert der Preiselastizität gibt an, wie die Nachfrage auf einen veränderten Preis reagiert. Er wird ermittelt, indem der relative Nachfragerückgang ins Verhältnis zur relativen Preiserhöhung gesetzt wird. Je höher der Wert ist, desto stärker reagiert der Markt auf erhöhte Preise mit Nachfragerückgang. In die Kalkulationen von Fahrpreiserhöhungen fließen Berechnungen zu Preiselastizitäten mit ein. Die exakte Ermittlung der Elastizitäten ist nicht ohne weiteres möglich , da die Nachfrageänderung von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. So treten die berechneten theoretischen Elastizitätswerte in der Realität meist nicht auf. Abwanderungen, die vereinzelt aufgetreten sind, werden durch neu hinzu gewonnene Fahrgäste überkompensiert. So zeigt sich, dass die Nachfrage im ÖPNV auch mit Fahrpreiserhöhungen ständig steigt (vgl. hierzu Antwort zu Frage 2). Dabei ist es durchaus gewollt, dass Fahrgäste vom Bartarif (Einzelfahrscheinen) zum Zeitkartentarif wechseln. Damit wird einerseits eine Kundenbindung erreicht und es werden regelmäßige Einnahmen garantiert . Insbesondere im Zeitkartenbereich sind Nachfragerückgänge in Folge von Preiserhöhungen kaum festzustellen . Das mag auch daran liegen, dass neben den durchaus günstigen normalen VBB-Zeitkartentarifen zusätzlich für bestimmte Personengruppen attraktive Zeitkarten angeboten werden, bei denen die wirtschaftliche Situation der Fahrgäste berücksichtigt wird. Zu erwähnen sind die Zeitkarten des Ausbildungsverkehrs (Schülerticket, Geschwisterkarte , Azubi-Ticket) sowie das Berlin-Ticket S (Sozialkarte). In der Diskussion zu den Tarifmaßnahmen achtet der Senat darauf, dass Fahrpreiserhöhungen für bestimmte Tarifprodukte, bei denen eine hohe Elastizität erwartet wird, möglichst vermieden werden. Im Übrigen sind Fahrpreisanhebungen notwendig, um die Kostensteigerungen bei den Verkehrsunternehmen zu kompensieren und um den leistungsfähigen und attraktiven öffentlichen Personennahverkehr in Berlin und Brandenburg zu sichern und weiterzuentwickeln. Frage 4: Wie werden Tarifentwicklungen implementiert ? Wer hat hierzu das Vorschlagsrecht? Wie werden die Länder Berlin und Brandenburg, die Landkreise, die Fahrgastverbände und die Verkehrsunternehmen beteiligt ? Welche Möglichkeiten sieht der Senat die Beteiligung der Fahrgastverbände sicher zu stellen? Jahr BVG [Mio. EUR] [%] S-Bahn [Mio. EUR] [%] Eisenbahnregionalver - kehr [Mio. EUR] [%] Summe [Mio. EUR] [%] 2001 420,3 64,4 221,4 33,9 10,7 1,6 652,4 100 2003 420,3 64,2 190,6 29,1 44,2 6,7 655,1 100 2005 420,3 61,5 217,5 31,8 45,1 6,6 682,9 100 2007 307,3 53,2 225,1 39,0 45,2 7,8 577,6 100 2009 250,0 51,3 190,1 39,0 47,3 9,7 487,4 100 2010 250,0 51,9 184,9 38,4 46,9 9,7 481,8 100 2011 250,0 49,4 206,8 40,9 49,1 9,7 505,9 100 2012 266,8 48,9 232,4 42,6 46,7 8,6 545,9 100 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 245 4 Antwort zu 4: Grundsätzlich tragen die Verkehrsunternehmen die unternehmerische Verantwortung für die Ausgestaltung der Tarife, da sie das wirtschaftliche Risiko tragen. Zur Festlegung von Erhöhungen des VBB-Tarifs wurde ein neues Berechnungsverfahren (VBB-TarifIndex ) entwickelt und beschlossen. Beim VBB-TarifIndex werden mit 83 Prozent die Lebenshaltungskosten in Berlin und Brandenburg und mit je 8,5 Prozent die Preisentwicklung von Kraftstoffen und Strom berücksichtigt. Die Berechnung erfolgt durch Verwendung allgemein zugänglicher Ausgangsdaten (Quellen Statistisches Bundesamt , Amt für Statistik Berlin-Brandenburg). Zur Betrachtung werden die Werte der vergangenen 60 Monate herangezogen, damit zufällige Schwankungen bei der Preisentwicklung kompensiert werden können. Aus diesem Grund können derzeit veröffentlichte Inflationsraten vom berechneten VBB-Indexwert abweichen. Die derzeitigen Inflationsraten fließen dann bei der Bildung zukünftiger VBB-Indexwerte ein. Die Details der VBB-Tarif-Entwicklung werden in einem umfangreichen Diskussionsprozess abgestimmt, bei denen die Aufgabenträger des ÖPNV (also auch das Land Berlin) beteiligt sind. Dabei finden die Vorschläge der Verkehrsunternehmen genauso Beachtung wie die der Fahrgastverbände. Alle Vorschläge werden nach einheitlichen Bewertungskriterien analysiert und nach Priorisierung einem Maßnahmenpaket zugeordnet. Auf die konkrete Gestaltung des Maßnahmenpakets können alle Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen jederzeit Einfluss nehmen. Abschließend beschließt der VBB-Aufsichtsrat das Tarifmaßnahmen-Paket, das im Rahmen der Kompromissfindung entstanden ist. Nur so ist sichergestellt, dass ein einheitlicher, verbundweit gültiger Tarif, der in allen VBB-Verkehrsunternehmen anerkannt wird, erhalten bleibt. Berlin, den 06. November 2015 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Nov. 2015)