Drucksache 17 / 17 260 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 07. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Oktober 2015) und Antwort Islamistische Gefährder in Berlin – Welche Konsequenzen werden nach dem Vorfall um R. Y. gezogen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wer stuft im Land Berlin Personen als sogenannte Gefährder ein und welche Kriterien müssen hierbei erfüllt sein? Zu 1.: Gefährder werden bei der Polizei Berlin jeweils durch die zuständige sachbearbeitende Dienststelle eingestuft . Laut bundesweit geltender Definition ist ein Gefährder eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a Strafprozessordnung (StPO), begehen wird. 2. Wie viele Personen werden derzeit als Gefährder im Land Berlin geführt und wie viele tragen davon Fußfesseln ? (Aufstellung nach Bereichen erbeten.) Zu 2.: Aus Geheimhaltungsgründen (Verschlusssache) kann nicht mitgeteilt werden, wie viele Personen als islamistische Gefährder in Berlin eingestuft sind. Im Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität gibt es zurzeit keine Person, die zur Elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) eine sogenannte Fußfessel trägt. 3. Wie werden Gefährder regelmäßig kontrolliert? Zu 3.: Mit der Einstufung einer Person als Gefährder geht die grundsätzliche Umsetzung von regelmäßig durchzuführenden bundeseinheitlichen Standardmaßnahmen einher, deren Offenlegung aus polizeitaktischen Gründen nicht erfolgt. Art und Umfang orientieren sich dabei immer an den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Einzelfalles. 4. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, um eine Lockerung der Kontrollen und des Statuses von Gefährdern anzuordnen? Zu 4.: Der Gefährderstatus einer Person unterliegt einer kontinuierlichen Prüfung und steht in Abhängigkeit mit den zu Frage 1. aufgeführten Voraussetzungen. 5. Wann ist R. Y. in Berlin polizeilich das erste Mal in Erscheinung getreten und seit wann wird er als sogenannter Gefährder geführt? Zu 5.: R. Y. ist erstmalig im Jahre 2002 in Berlin als Tatverdächtiger polizeilich in Erscheinung getreten und wurde hier erstmals am 29. November 2005 als Gefährder eingestuft. 6. Welche konkreten polizeilichen Auflagen hatte er und wurden diese durch ihn eingehalten? Zu 6.: R. Y. unterstand keinen polizeilichen Auflagen, vielmehr bestanden Auflagen aufgrund eines Gerichtsbeschlusses . 7. Wann ging der Alarm ein, als R. Y. seine Fußfessel löste und wann hielt ein Funkstreifenwagen vor seiner Wohnung? Zu 7.: Der Alarm ging um 08:52 Uhr bei der Gemeinsamen Überwachungsstelle der Länder (GÜL) in Hessen ein, als R. Y. die Fußfessel gelöst hatte. Einsatzkräfte des für die Wohnanschrift örtlich zuständigen Polizeiabschnitts sowie Dienstkräfte des Polizeilichen Staatsschutzes suchten daraufhin parallel die Wohnanschrift auf, um den Grund des Auslösens zu klären. Weitere Angaben können im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren nicht erfolgen . Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 260 2 8. Weshalb vergingen insgesamt 40 Minuten bis man R. Y. lokalisierte? 9. Hat im o.g. Fall die Alarmkette vollständig funktioniert ? Wo lagen Fehler in der Informationsweitergabe zwischen Hessen und Berlin sowie der Direktion und dem Polizeiabschnitt? Zu 8. und 9.: Eine Beantwortung dieser Fragen ist im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren derzeit nicht möglich. 10. Waren an dem besagten Tag alle Funkstreifenwagen im betroffenen Polizeiabschnitt besetzt? (Wenn nein, wie viele konnten nicht besetzt werden?) Zu 10.: Ja. 11. Wussten die eingesetzten Beamten, dass es sich um einen islamistischen Gefährder handelt? Zu 11.: Eine Beantwortung dieser Frage ist mit Verweis auf das noch nicht abgeschlossene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren derzeit nicht möglich. 12. Welche konkreten Aus- und Fortbildungen haben Streifenpolizisten um islamistische Gefährder festzunehmen ? Zu 12.: Das Aus- und Fortbildungsprogramm der Polizei Berlin berücksichtigt beim Thema „Eigensicherung“ u.a. das „Amoklagentraining“ sowie das „Festnahmetraining “. Es werden vielfältige Situationen möglicher Szenarien trainiert. Die Festnahme explizit „islamistischer“ Gefährder entfaltet in diesem Zusammenhang keine eigenständigen Erfordernisse. 13. Welche Kriterien müssen für einen SEK-Einsatz erfüllt sein und warum wird das SEK nicht in Fällen wie diesen gerufen? Zu 13.: Im Wesentlichen gelten die folgenden Aufgabenbereiche des Spezialeinsatzkommandos (SEK): • die Beseitigung konkreter Gefahrenlagen bei - erpresserischem Menschenraub, - Geiselnahmen, - Flugzeugentführungen, • die Klärung von Lagen mit erheblichem Gefährdungsgrad , • die Festnahme von Rechtsbrecherinnen und Rechtsbrechern , von denen eine erhebliche Gefahr auszugehen droht, • die Sicherungsmaßnahmen bei der Durchführung strafprozessualer Maßnahmen gegen Gewalttäterinnen und Gewalttäter sowie • der Schutz von Personen, die aus besonderen Anlässen einer erheblichen konkreten Gefährdung ausgesetzt sind. Die für jeden Einzelfall zu prüfenden Kriterien waren hier zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der gelösten Fußfessel nicht gegeben. Eine weitere Voraussetzung für den Einsatz des SEK ist das Andauern der konkreten Lage. Diese lag aufgrund der hohen zeitlichen Dynamik im vorliegenden Sachverhalt ebenfalls nicht vor. 14. Braucht das Land Berlin eine Spezialeinheit, welche explizit zur Terrorabwehr im Inneren ausgebildet wird? Zu 14.: Das SEK der Polizei Berlin ist auch zuständig für die Bewältigung der zu Frage 13. aufgeführten Einsatzlagen , wenn diese terroristisch motiviert sind. Korrespondierend erfolgte die Gründung des SEK im Zuge der Umsetzung des Beschlusses des Arbeitskreises Innere Sicherheit der Innenministerkonferenz (AK II) vom 17. Januar 1974 zur Aufstellung von Spezialeinheiten der Länder und des Bundes für die Bekämpfung von Terroristen . 15. Welche Konsequenzen zieht die Berliner Polizei aus dem Vorgang dieses Tages? Zu 15.: Das Landeskriminalamt Berlin wurde federführend mit der Prüfung und gegebenenfalls Überarbeitung der Arbeitsabläufe und Handlungsanleitungen zur EAÜ beauftragt. Berlin, den 04. November 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Nov. 2015)