Drucksache 17 / 17 262 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 22. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Oktober 2015) und Antwort Die Versammlungsfreiheit unter Beobachtung des Berliner Verfassungsschutzes? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie oft wurden seit dem Jahr 2011 sogenannte Verlaufsberichte oder sonstige – einschätzende – Zusammenfassungen von Demonstrationen und Kundgebungen im Land Berlin von der Polizei Berlin an den Berliner Verfassungsschutz (Abteilung II, Senatsverwaltung für Inneres und Sport) übersandt? Zu 1.: Abschlussmeldungen von Versammlungslagen erfolgen in Form einer „Formellen Nachricht“ (FN) im Nachrichtenmeldesystem Elektronische Post „EPOST810“ mit dem „Verteiler 013“ (Schlussmeldungen nach bedeutenden Einsätzen). Das Verfassen von Schlussmeldungen nach Einsätzen ist in der Geschäftsanweisung des Stabes des Polizeipräsidenten (GA PPr Stab) Nr. 14/2013 über das „Melden innerhalb der Polizeibehörde sowie an andere Behörden und Institutionen“ geregelt. Zu dieser GA gehören auch die „Arbeitshinweise zu EPOST810“. In der Anlage 1 der Arbeitshinweise ist geregelt, dass bei der Verwendung des EPOST-Verteilers 013 zusätzlich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport Abteilung II anzuschreiben ist. Gefährdungsbewertungen werden durch die Polizei Berlin lediglich in Fällen übermittelt, in denen nach Betrachtung des Einzelfalls Zuständigkeiten und Belange der Senatsverwaltung für Inneres und Sport betroffen sind oder sein könnten. Gefährdungsbewertungen, die wegen potenzieller Gefährdungen mit Bezug zu extremistischen Bestrebungen oder geheimdienstlichen Tätigkeiten erstellt werden, sind grundsätzlich der Verfassungsschutzbehörde zu übermitteln. Eine Aussage zu der angeforderten Anzahl ist nicht möglich, da die Übermittlung statistisch nicht erfasst wird. 2. Zu welchen Demonstrationen und Kundgebungen wurden seit dem Jahr 2011 „Verlaufsberichte“ oder sonstige – einschätzende – Zusammenfassungen von der Polizei Berlin an den Berliner Verfassungsschutz übersandt? (Bitte eine genaue Einzelauflistung nach Versammlung und Datum) Zu 2.: Siehe Antwort zu Frage 1. Eine Auflistung zu den übermittelten Produkten zu Demonstrationen und Kundgebungen ist nicht möglich, da die Übermittlung nicht in einer gesonderten Statistik erfasst wird. 3. Von wie vielen Personen wurden in diesem Zusammenhang personenbezogene Daten von der Polizei Berlin an den Berliner Verfassungsschutz übersandt? Zu 3.: Eine Aussage zu der angeforderten Anzahl ist nicht möglich, da dies nicht gesondert erfasst oder abgelegt wird. Eine Ablage von Schlussmeldungen (in Form von „Formellen Nachrichten“) und Gefährdungsbewertungen erfolgt bei der Polizei Berlin ausschließlich anlassbezogen . Gefährdungsbewertungen werden für einen Zeitraum von drei Jahren, ab dem Anlass einer Bewertung, abgelegt . Schlussmeldungen werden nach einer sechsmonatigen Frist vernichtet. Eine Ablage nach personenbezogenen Aspekten erfolgt bei der Polizei Berlin nicht. Eine gezielte Recherche personenbezogener Daten bzw. eine gesicherte und abschließende Auskunft zum Datenbestand ist immer nur im Wege einer Prüfung des gesamten Datenbestandes und des individuellen Einzelfalles möglich. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 262 2 4. Auf welcher Rechtsgrundlage fand eine Übersendung jeweils statt? Zu 4.: Zur Übersendung von Gefährdungsbewertungen , die wegen potenzieller Gefährdungen durch extremistische Bestrebungen oder geheimdienstliche Tätigkeiten erstellt werden, sowie der entsprechenden Schlussmeldungen als Formelle Nachricht besteht eine gesetzliche Grundlage in § 27 Absatz 1 Satz 2 Verfassungsschutzgesetz Berlin. 5. Welche Untergliederungseinheiten der Polizei Berlin haben jeweils seit dem Jahr 2011 eine unter 1. genannte Einschätzung bzw. einen entsprechenden Bericht erstellt ? (Bitte nach Direktionen, Abschnitt bzw. Abteilungen , Dezernaten auflisten.) Zu 5.: Dies erfolgt durch die einsatzführenden Polizeidienststellen in eigener Zuständigkeit. Gesonderte statistische Erfassungen erfolgen bei der Polizei Berlin hierzu nicht. Gefährdungsbewertungen zu Versammlungslagen werden grundsätzlich durch das Landeskriminalamt Berlin gefertigt und dienen den an der Versammlungslage beteiligten Polizeidienststellen zur Planung und Bewältigung des damit verbundenen Polizeieinsatzes. 6. Wie viele Personen sind mit Stand vom 15. Oktober 2015 in der „Veranstaltungsdatenbank“ des Landes Berlin gespeichert und aufgrund welcher Rechtsgrundlage jeweils? Zu 6.: In der Veranstaltungsdatenbank sind derzeit 8.436 Personen gespeichert. Es handelt sich bei diesen Personen um Anmelderinnen und Anmelder von Versammlungen oder von Veranstaltungen, die nicht dem Versammlungsgesetz unterliegen. Rechtsgrundlage ist § 42 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes Berlin. Darüber hinaus werden Daten von Personen des öffentlichen Lebens gespeichert, die an angemeldeten Veranstaltungen öffentlich sichtbar teilnehmen. Die Daten umfassen in diesen Fällen jedoch nur die Namen und gegebenenfalls die Funktionen der Personen des öffentlichen Lebens im Zusammenhang mit der Teilnahme an Veranstaltungen. Rechtsgrundlage ist für diesen Personenkreis § 6 Absatz 1 Satz 2 des Berliner Datenschutzgesetzes . Die Anzahl der gespeicherten Personen des öffentlichen Lebens ist nicht automatisiert abfragbar. 7. Unter welchen konkreten Voraussetzungen und nach welchen Kriterien werden Personen in die „Veranstaltungsdatenbank “ des Landes Berlin aufgenommen und welche konkrete Aufgabenwahrnehmung macht dies erforderlich? Zu 7.: Daten von Anmelderinnen und Anmeldern von Versammlungen werden benötigt, um im Rahmen des Kooperationsgebotes Absprachen zu Zeit, Ort, Aufzugsstrecke , Teilnehmerzahl und Modalitäten einer Versammlung abzustimmen sowie räumliche und zeitliche Überschneidungen mit anderen Veranstaltungen zu vermeiden. Darüber hinaus müssen Anmeldebestätigungen, ggf. mit Auflagen, an die bzw. den Adressaten gesandt werden. Analog gilt dies auch bei Veranstaltungen, die nicht dem Versammlungsgesetz unterliegen. Die Daten dienen einerseits der Analyse der Zuverlässigkeit von Veranstalterinnen und Veranstaltern, andererseits werden sie zur Einsatzplanung und zur Analyse des Gefährdungspotenzials benötigt. Die Teilnahme von Personen des öffentlichen Lebens kann ein Schutzbedürfnis erforderlich machen oder verändern und hat damit Einfluss auf die zu treffenden polizeilichen Maßnahmen. 8. Wie oft wurden seit dem Jahr 2011 in diesem Zusammenhang personenbezogene Daten von Journalist *innen von der Polizei Berlin an den Berliner Verfassungsschutz übersandt und aufgrund welcher Rechtsgrundlage jeweils? Zu 8.: Durch die Polizei Berlin werden keine personenbezogenen Daten von journalistisch Tätigen nur aufgrund ihrer beruflichen Ausübung erhoben. Begehen Journalistinnen bzw. Journalisten im Einzelfall Straftaten, richtet sich die Erhebung personenbezogener Daten nach der Strafprozessordnung. Eine Übermittlung an den Verfassungsschutz richtet sich auch in solchen Fällen nach den Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes Berlin. Eine statistische Erfassung hierzu erfolgt nicht. 9. Enthielten die von der Polizei Berlin an den Berliner Verfassungsschutz übersandten Informationen auch Angaben bzw. Einschätzungen dazu, welcher politischen Richtung („linksorientiert“ etc.) Journalist*innen jeweils zuzuordnen sind? a) Wenn ja, wie oft wurde eine solche Einschätzung bzw. Bewertung seit dem Jahr 2011 vorgenommen? b) Wenn ja, anhand welcher konkreten Kriterien wird eine solche Einschätzung von welcher Untergliederungseinheit der Berliner Polizei getroffen? 10. Ist es üblich, dass die Berliner Polizei Journalist *innen nach deren politischer Ausrichtung klassifiziert ? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 262 3 11. Inwieweit ist die Klassifizierung der politischen Ausrichtung von Journalist*innen für polizeiliches Handeln erforderlich? Zu 9., 10. und 11.: Wie in der Beantwortung zu 8. dargestellt, werden keine personenbezogenen Daten von Journalistinnen und Journalisten nur aufgrund ihrer beruflichen Ausübung erhoben. Der Polizei ist ein Einzelfall bekannt, in dem in einer Abschlussmeldung zu zwei angemeldeten Kundgebungen in der Beschreibung des Einsatzverlaufes von „Vertretern einer linksorientierten Presse “ die Rede ist. Hierbei gab es keinen Bezug zu bestimmten Medien oder Journalistinnen beziehungsweise Journalisten. Die am Ende dieser Abschlussmeldung unter Hinweis auf die Vielzahl der anwesenden Medienvertreterinnen und Medienvertreter genannten Medien stehen nicht im Kontext zur Darstellung im Einsatzverlauf. Diese Formelle Nachricht wurde dem Verfassungsschutz übermittelt , führte dort aber mangels Relevanz für die weitere Aufgabenerfüllung zu keiner Speicherung. 12. Ist der Senat der Auffassung, dass Journalist*innen von ARD, RTL und rbb Teil einer „linksorientierten Presse “ sind? Zu 12.: Dies zu bewerten, ist nicht Sache des Senats. Berlin, den 12. November 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Nov. 2015)