Drucksache 17 / 17 266 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 22. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Oktober 2015) und Antwort Vergabe von Wettkonzessionen wieder gescheitert – Folgen für Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das am 19. Oktober 2015 veröffentlichte Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zur Verfassungswidrigkeit des zur Vergabe von Sportwett-Konzessionen von den Ländern beschlossenen Verfahrens? 2. Warum haben die Länder es aus der Sicht des Senats bis heute nicht geschafft, sich auf einen Glücksspielstaatsvertrag zu verständigen, dessen Inhalt und Vollzug sich in Übereinstimmung mit europäischem Recht und dem deutschen Grundgesetz befinden? 3. Welchen Änderungsbedarf sieht der Senat in Anbetracht dieses und anderer Urteile beim Glücksspielstaatsvertrag , um eine verfassungsmäßige und funktionsfähige Regulierung des Wettmarktes zu erreichen? 4. Welche Folgen hat die andauernde Unfähigkeit der Länder, sich auf eine funktionierende Glücksspielregulierung zu verständigen, für die Entwicklung der Zahl von Wettvermittlungsstellen (Wettbüros) in Berlin? 7. Rechnet der Senat nach den Erfahrungen der letzten 3 Jahre noch vor dem Tag des heiligen Sankt Nimmerlein mit der Erteilung von Sportwettlizenzen und wenn ja, wann? 8. Welche Anstrengungen wird der Senat unternehmen , gemeinsam mit den anderen Bundesländern zu einer wirksamen und rechtssicheren Regulierung des Marktes für Sportwetten zu kommen? Zu 1. - 4. und 7. - 8.: Nach § 10 a des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV), der am 01. Juli 2012 in Kraft getreten ist, dürfen bis zum 30. Juni 2019 Sportwetten veranstaltet werden, soweit die Sportwettanbieter hierfür eine Konzession erhalten haben. Die Anzahl der Sportwettkonzessionen ist auf 20 beschränkt. Zuständig ist das Land Hessen, das die Erlaubnisse zur Veranstaltung von Sportwetten aufgrund von Beschlüssen des Glücksspielkollegiums erteilt (§ 9 a Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5- 8 GlüStV). Das Glücksspielkollegium besteht aus 16 Mitgliedern, je eines aus jedem Bundesland . Nach einem aufwändigen Auswahlverfahren aufgrund einer europaweiten Ausschreibung hat das Glücksspielkollegium in seiner Sitzung am 26./ 27. August 2014 über die Vergabe der Konzessionen einen Beschluss gefasst. Das zuständige Hessische Ministerium des Innern und für Sport wurde gebeten, die Bewerberinnen und Bewerber, die für eine Konzession vorgesehen sind und die übrigen Bewerberinnen und Bewerber, die keine Konzession erhalten sollen, hierüber jeweils zu informieren. Nach Erhalt der jeweiligen Ablehnungsankündigungen haben die unterlegenen Bewerber bei verschiedenen Verwaltungsgerichten (VG) – je nach Firmensitz – Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gestellt, mit denen sie anstreben, dass die vorgesehenen Konzessionen zunächst nicht erteilt werden. Diese Eilverfahren sind zum Teil noch immer nicht abgeschlossen. Bisher liegen Entscheidungen der VG Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg und Wiesbaden sowie Beschwerdeentscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin sowie des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH Kassel) vor (zitiert in Frage 1). Während die Verwaltungsgerichte des Landes Hessen, also die VG Frankfurt und Wiesbaden und der VGH Kassel die beabsichtigte Konzessionsvergabe vorläufig aus unterschiedlichen Gründen für rechtswidrig halten, haben die übrigen Verwaltungsgerichte diese Bedenken nicht und halten die Auswahlentscheidungen und deren rechtliche Grundlagen für rechtsfehlerfrei. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 266 2 Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin hält den Glücksspielstaatvertrag für unionsrechts- und verfassungskonform und die auf seiner Grundlage getroffenen Auswahlentscheidungen für rechtmäßig; die Beschwerde eines Sportwettanbieters gegen eine entsprechende Entscheidung des VG Berlin hat es zurückgewiesen. Aufgrund der Entscheidung des VGH Kassel ist die Vergabe von Sportwettkonzessionen – trotz der gegenteiligen Entscheidungen der meisten anderen Verwaltungsgerichte – vorerst jedoch nicht möglich. Der Senat ist der Auffassung, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages mit Unionsrecht und dem Grundgesetz vereinbar und die auf seiner Grundlage getroffenen Auswahlentscheidungen im Hinblick auf die Konzessionserteilung für Sportwettveranstalter rechtmäßig sind. Die gegenteilige Entscheidung des VGH Kassel überzeugt den Senat nicht. Er sieht sich in seiner Haltung durch die Entscheidung des OVG Berlin und die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 25. September 2015 (Az Vf 9-VII-13, 4-VII-14, 10-VII- 14) bestätigt, der ebenfalls festgestellt hat, dass der Glücksspielstaatsvertrag verfassungskonform ist. Wegen der faktischen Verzögerungen, die sich aus der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs für die Konzessionierung der Sportwettanbieterinnen und Sportwettanbieter ergeben, wird der Senat jedoch prüfen, inwieweit das Verfahren beschleunigt werden kann. Diese Prüfung, die in enger Abstimmung mit den anderen Bundesländern erfolgt und die die Frage einer Modifizierung der Regelungen des Staatsvertrages einschließt, ist noch nicht abgeschlossen. Vorläufig soll jedoch das Hauptsacheverfahren beschleunigt fortgeführt werden. Das Ergebnis bleibt abzuwarten . Auf den Zeitpunkt der Entscheidung (der Hauptsacheverfahren ) durch den VGH Kassel kann der Senat jedoch keinen Einfluss nehmen. 5. Wie viele Wettvermittlungsstellen (Wettbüros) gibt es derzeit in Berlin? (Gegliedert nach Bezirken) Zu 5.: Im Dezember 2013 gab es insgesamt 291 Wettvermittlungsstellen , die sich wie folgt auf die Bezirke verteilen: Reinickendorf 11 Pankow 6 Marzahn-Hellersdorf 11 Lichtenberg 7 Mitte 67 Treptow-Köpenick 8 Neukölln 67 Charlottenburg-Wilmersdorf 25 Tempelhof-Schöneberg 24 Steglitz-Zehlendorf 14 Friedrichshain-Kreuzberg 35 Spandau 16 insgesamt 291 Neuere Zahlen liegen nicht vor. 6. Wird es angesichts der jüngsten Urteile bis auf weiteres dabei bleiben, dass die Zahl der Wettvermittlungsstellen (Wettbüros) in Berlin die seit 2012 (!) im Berliner Ausführungsgesetz zum Glücks-Spielstaatsvertrag festgelegte Anzahl von 200 deutlich übersteigt? Zu 6.: Der Senat beobachtet mit Sorge, dass die tatsächliche Zahl der Wettvermittlungsstellen die gesetzlich zulässige Zahl seit geraumer Zeit übersteigt. Aufgrund der rechtlichen Unsicherheit, die durch einander widersprechende Gerichtsurteile, insbesondere durch die zitierte Entscheidung des VGH Kassel, entstanden ist, wird es leider noch einige Zeit dauern, bis ein rechtmäßiger Zustand hergestellt worden ist. Allerdings ist darauf hinzuweisen , dass die zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde nicht gegen jeden Rechtsverstoß sofort vorgehen und diesen unterbinden muss. Vielmehr ist die Glücksspielaufsichtsbehörde an das Übermaßverbot gebunden, und es steht in ihrem Ermessen, ob (bei geringfügigen Verstößen), wie und zu welchem Zeitpunkt Vollzugsmaßnahmen veranlasst werden. Berlin, den 03.November 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Nov. 2015)