Drucksache 17 / 17 289 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Stefanie Remlinger (GRÜNE) vom 30. Oktober 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. November 2015) und Antwort Lehrkräfte in Willkommensklassen III: Chance zur interkulturellen Öffnung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Inwiefern erhebt der Senat bei der Einstellung von Lehrkräften generell bzw. speziell für den Unterricht in Willkommensklassen Daten zum Migrationshintergrund bzw. der Staatsbürgerschaft der Eingestellten? Wenn ja, anhand welcher Definitionen? Wenn nein, warum nicht? 2. Wenn ja: wie viele LehrerInnen (mit Laufbahnbefähigung ) mit Migrationshintergrund sind derzeit im Berliner Schuldienst tätig (absolut und prozentual)? 3. Wie viele Personen mit Migrationshintergrund wurden für den Unterricht in Willkommensklassen neu eingestellt? Wie viele sind nach Kenntnis bzw. Schätzung des Senats in den Willkommensklassen insgesamt unterrichtend tätig? Zu 1., 2. und 3.: Daten zum Migrationshintergrund von Bewerberinnen und Bewerbern werden bei der Bewerbung bzw. der Einstellung nicht erfasst, weder für Willkommensklassen noch bei anderen Auswahlverfahren . Beim Merkmal Migrationshintergrund handelt es sich nicht um ein Eignungskriterium, welches im Rahmen einer Bestenauslese berücksichtigt werden kann. Eine Abfrage oder Erhebung des Migrationshintergrundes könnte nur auf freiwilliger Basis erfolgen und müsste aber anschließend geprüft werden. Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes haben einen Migrationshintergrund „Personen, die nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugewandert sind sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche geborenen mit zumindest einem nach 1949 zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.“ Das Merkmal Staatsbürgerschaft wird aus dem gleichen Grund bei der Bewerbung nicht erfasst, jedoch nach erfolgter Einstellung. Aus diesem Merkmal sind jedoch keine Erkenntnisse zu gewinnen, da viele Lehrkräfte mit Migrationshintergrund die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Schulen haben allerdings die Möglichkeit, bei Einstellungen entsprechende Bewerberinnen und Bewerber über das Anforderungsprofil mit den Merkmalen interkulturelle Kompetenz bzw. entsprechende Sprachkompetenzen besonders anzufordern. Die Einstellungen erfolgen vorzugsweise in Schulen mit einem hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit nichtdeutscher Herkunftssprache. Auch bei den Einstellungen für Willkommensklassen sind entsprechende Kenntnisse wünschenswert. Damit ist die Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund (insbesondere mit zweiter Staatsprüfung) in den letzten Jahren besonders gefördert worden. Dies betrifft insbesondere Bewerberinnen und Bewerber mit der Herkunftssprache Türkisch oder Arabisch. 4. Teilt der Senat das grundsätzliche Ziel, die Zahl der Berliner LehrerInnen mit Migrationshintergrund zu erhöhen? Wenn ja, welche Ziele verfolgt der Senat hier genau und mit welchen Maßnahmen sind diese Zielvorstellungen untersetzt? 5. Inwiefern könnte die Situation in den Willkommensklassen aus Sicht des Senats eine Chance zur interkulturellen Öffnung des Lehramts darstellen? 6. Welche Maßnahmen ergreift bzw. plant der Senat, um diese Chancen zu verwirklichen? Zu 4., 5. und 6.: Der Senat strebt die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund an. Bei Stellenausschreibungen wird darauf hingewiesen, dass Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund , die die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, ausdrücklich erwünscht sind (§ 4 Abs. 4 Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin (PartIntG). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 289 2 Daneben gibt es zahlreiche Initiativen zur Erhöhung des Anteils von Beschäftigten mit Migrationshintergrund, z.B.: - Initiative „Berlin braucht Dich!“ (Werbung des Senats für den öffentlichen Dienst) - Schülercampus „Mehr Migranten werden Lehrer“ (Initiative der ZEIT-Stiftung mit der HumboldtUniversität und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft) - Weiterentwicklung der Anreizsysteme in den Hochschulverträgen - Frühzeitige Information über den Lehrerberuf an den Schulen, gezielte Werbung bei Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund - Unterstützung und Weiterentwicklung des Netzwerks der Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund - Abstimmung mit der Bundesagentur für Arbeit zur Werbung für den Lehrerberuf. Die vorliegenden Erfahrungen bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Lehrern deutscher Herkunft und den Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund sind sehr positiv. Zum einen werden wertvolle fachliche Aspekte in die Unterrichtsprozesse eingebracht und somit die Qualität des Fremdsprachenunterrichts an den Berliner Schulen erhöht. Zum anderen nehmen Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund gleichzeitig eine wichtige Vorbildrolle für Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Herkunft ein. Sie wirken dadurch motivierend, können den anderen Lehrerinnen und Lehrern bezüglich der Besonderheiten anderer Länder und Kulturen beratend zur Seite stehen und sind wichtige schulische Ansprechpartner /innen für die Eltern nichtdeutscher Schülerinnen und Schüler. Diese besonderen Kompetenzen werden von den gemischten Kollegien wahrgenommen und zielgerichtet für die pädagogische Arbeit eingesetzt. Bei allen eingestellten Lehrkräften für Willkommensklassen wird im Einzelfall geprüft, ob eine unbefristete Einstellung sinnvoll und möglich ist. Dabei sind neben der interkulturellen Kompetenz insbesondere die Studienvoraussetzungen zu beachten. Lehrkräfte mit Lehramtsausbildung werden grundsätzlich unbefristet eingestellt. Berlin, den 11. November 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Nov. 2015)