Drucksache 17 / 17 299 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Hildegard Bentele (CDU) vom 02. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. November 2015) und Antwort Willkommensklassen – inhaltliche Ausgestaltung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welches Sprachzertifikat (der deutschen Sprache) müssen Schülerinnen und Schüler (SuS) vor dem Übertritt in Regelklassen ablegen (bitte nach Klassenstufen aufschlüsseln )? Zu 1.: Der Erwerb eines Sprachzertifikats ist keine Voraussetzung für den Übergang in die Regelklasse. Wenn der Stand der Deutschkenntnisse der Schülerinnen und Schüler auf einem Niveau ist, dem Regelunterricht folgen zu können, ist ein Übergang in eine Regelklasse jederzeit möglich. Die Niveaustufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) dient als Orientierung . Schülerinnen und Schüler in Willkommensklassen an weiterführenden Schulen, die am Projekt Deutsches Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz (DSD I) teilnehmen , haben die Möglichkeit ein Zertifikat der Niveaustufe B1 zu erhalten. 2. Gibt es eine für alle Willkommensklassen verbindliche Stundentafel differenziert nach Grundschule und Oberschule; wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? 7. Entscheidet jede Schule bzw. jede unterrichtende Lehrkraft eigenständig, was sie in den angebotenen Fächern inhaltlich unterrichtet? Zu 2. und 7.: Die Willkommensklassen sind sehr heterogen . Diese Heterogenität erfordert eine durchgehende Individualisierung des Unterrichts, um Voraussetzungen und Vorwissen jedes Schülers und jeder Schülerin effektiv in den individuellen Lernprozess einzubinden. Ein verbindlicher Lehrplan mit einer festgelegten Stundentafel ist somit nicht zielführend. Vielmehr müssen die Vorkenntnisse , das Wissen und die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler innerhalb einer Lerngruppe im stärkeren Maße berücksichtigt und der Unterricht entsprechend gestaltet werden. Um den Übergang in die Regelklasse vorzubereiten, wird es bei den meisten Schülerinnen und Schülern notwendig sein, vorrangig Deutsch zu unterrichten. Aber auch die anderen Fächer werden im Unterricht berücksichtigt und angeboten, orientiert am Rahmenlehrplan der jeweiligen Fächer. Der Unterrichtsumfang von Willkommensklassen orientiert sich am Stundenumfang der Regelklassen und beträgt an Grundschulen 28 Wochenstunden und an weiterführenden Schulen 31 Wochenstunden. 3. Wird bei den SuS der Willkommensklassen ähnlich wie bei den Schulanfängern der Regelklassen die jeweilige Lernausgangslage untersucht, festgestellt und dokumentiert; wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Zu 3.: Die Erhebung der Lernausgangslage ist für alle Schulanfänger und Schulanfängerinnen laut Grundschulverordnung § 7 (2) verpflichtend, die Instrumente für die Erhebung sind frei wählbar. Als Material wird die Lernausgangslage Berlin (LauBe) zur Verfügung gestellt. In der Broschüre „Von der Lerngruppe für Neuzugänge ohne Deutschkenntnisse in die Regelklasse“ des Landesinstituts für Schule und Medien (LISUM) wird dargestellt , wie die schulische Vorbildung von zugewanderten Kindern erfasst, sie in ihrem familiären und interessenbezogenen Kontext gesehen, ihre Sprachkenntnisse begründet eingeschätzt, die Förderung ihren Kenntnissen angepasst und eine begründete Entscheidung für den Übergang in die Regelklassen getroffen werden kann. Dazu werden Instrumente zur Einschätzung des Sprachstands und zur Dokumentation von Spracherwerbsprozessen vorgeschlagen . 4. Werden SuS der Willkommensklassen, die Fremdsprachen beherrschen, die an der entsprechenden Schule unterrichtet werden, sofort in den Regelunterricht integriert ; wenn nein, warum nicht? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 299 2 5. Werden SuS der Willkommensklassen auch in Sport, Kunst und Musik unterrichtet? 6. Wird für die SuS der Willkommensklassen in der Grundschule Schwimmunterricht erteilt; wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Zu 4., 5. und 6.: Eine stundenweise Teilnahme am Unterricht einer Regelklasse der Schülerinnen und Schüler in Willkommensklassen ist möglich. Hier ist den individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Rechnung zu tragen. Möglich ist zum Beispiel eine Teilnahme in den Fächern Kunst, Musik, Sport, Schwimmen oder Fremdsprachen und die Einbeziehung in Angebote im Rahmen des Ganztagsbetriebs. 8. Gibt es in jeder Region – z. B. auf der Ebene der Schulaufsicht - eine inhaltliche Koordination des Unterrichts in den Willkommensklassen; wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Zu 8.: Eine genaue inhaltliche Koordination des Unterrichts in den Willkommensklassen durch die Schulaufsicht gibt es nicht, da der Unterricht stark auf die individuellen Voraussetzungen der Schülerschaft zugeschnitten sein muss. Einheitlich ist vorgegeben, dass der Spracherwerb unter Einbeziehung des Lebensumfeldes der Schüler/innen erfolgen soll. In den Regionen gibt es Schulberater und Schulberaterinnen für Willkommensklassen, die den regionalen Austausch der Lehrkräfte der Willkommensklassen organisieren . Sie unterstützen die Lehrkräfte im Bereich Unterrichtsentwicklung und bieten Qualifizierungsangebote und schulinterne Beratung an. Alle Schulen sind aufgefordert, schulische Konzepte für den Unterricht in den Willkommensklassen zu entwickeln . Zur Unterstützung wurde vom Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) eine Broschüre zur Unterrichtsentwicklung verfasst, in der ein Verfahren zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern in den Willkommensklassen dargestellt wird mit dem Ziel der schnellstmöglichen Eingliederung dieser Schüler/innen in die Regelbeschulung. Zurzeit befindet sich ein „Starterpaket“ in der Erprobung , das Unterrichtsmaterialien für den Spracherwerb (Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache) enthält. 9. Führen Schulleiterinnen bzw. Schulleiter Unterrichtsbesuche in den Willkommensklassen durch; wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Zu 9.: Schulleitungen führen – wie auch in allen anderen Klassen - Unterrichtsbesuche in den Willkommensklassen durch zur Sicherung der Unterrichtsqualität. 10. Führt die Schulaufsicht oder die Schulinspektion Unterrichtsbesuche in den Willkommensklassen durch; wenn ja, wird hierbei die Integration der SuS der Willkommensklassen untersucht und bewertet und wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Zu 10.: Die Schulinspektion führt seit Jahren auch Unterrichtsbesuche in den Willkommensklassen durch. Der von der Schulinspektion verwendete Unterrichtsbeobachtungsbogen ist geeignet, jegliche Form von Diversität in der Schülerschaft abbilden zu können. Eine gesonderte Auswertung für Willkommensklassen wird wie für andere spezielle Lerngruppen nicht vorgenommen. Besonderheiten , insbesondere positive, im Zusammenhang mit Willkommensklassen finden jedoch ihren Niederschlag im Textteil der jeweiligen Inspektionsberichte. 11. Hat die Schulinspektion bereits Fragemodule und Bewertungskriterien für den Gesamtkomplex Willkommensklassen erarbeitet; wenn nein, warum nicht und wann ist damit zu rechnen? Zu 11.: Spezifische Fragemodule oder Bewertungskriterien für Willkommensklassen gibt es nicht. Der systemische Ansatz im Verfahren der Schulinspektion ist inklusiv angelegt, sodass der Umgang mit Schülerinnen und Schülern in Willkommensklassen in zahlreichen Merkmalen Berücksichtigung findet, wie z. B. bei der systematischen Förderung und Beratung, im gesamten Qualitätsbereich Schulkultur sowie bei der Förderung der Sprachkompetenz . 12. An welchen Schulen in freier Trägerschaft gibt es Willkommensklassen und wie viele SuS werden dort unterrichtet? Zu 12.: Es werden 77 Schüler/innen in Willkommensklassen in Schulen in freier Trägerschaft beschult (Stand 04.11.15). Folgende Schulen haben Willkommensklassen eingerichtet : Freie Waldorfsschule Mitte (01 P 04) Freie Waldorfschule Kreuzberg (02 P 04) Klax-Grundschule (03 P 02) Klax-Gesamtschule (03 P 22) Rudolf-Steiner–Schule (06 P 04) Katholische Schule St.Franziskus (07 P 01) Katholische Schule St. Alfons (07 P 04) Katholische Schule St. Hildegard (07 P 06). Berlin, den 12. November 2015 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Nov. 2015)