Drucksache 17 / 17 306 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 04. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. November 2015) und Antwort Netzneutralität in Gefahr: Was macht Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt der Senat den Beschluss des Europäischen Parlaments vom 27.10.2015 zur Verordnung über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet hinsichtlich der zukünftigen Gewährleistung der Netzneutralität? Zu 1.: Der Senat hat sich seit langem nachdrücklich für konkrete und verbindliche Regelungen sowie eine unmissverständliche Verankerung des Netzneutralitätsprinzips im Verordnungstext auf EU-Ebene eingesetzt, s. hierzu auch die Mitteilung zur Netzneutralität Drs. 17/2239 vom 23.04.2015. Die nun beschlossene EU-Verordnung bleibt aus Sicht des Senats dahinter zurück. Die EU-Kommission und das Parlament verfehlen damit das Ziel eines einheitlichen Niveaus zum Schutz des freien Internets und der europäischen Harmonisierung der fairen und gleichen Wettbewerbschancen im digitalen Binnenmarkt. Der im Trilogverfahren ausgehandelte Verordnungstext enthält unbestimmte und auslegungsbedürftige Regelungen. Sofern diese nicht durch nationalstaatliche Regelungen konkretisiert werden, besteht weiterhin die Gefahr der Entstehung eines Zwei-Klassen-Internet. Dies bezieht sich insbesondere auf die fehlenden Kriterien für sog. Spezialdienste („andere Dienste, die keine Internetzugangsdienste sind“), aber z.B. auch die Frage nach der Festlegung der Mindestanforderungen an die Dienstqualität der Internetzugangsdienste . Den nationalen Regulierungsbehörden kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu, da sie die Überwachungsund Berichterstattungspflichten erfüllen müssen. Des Weiteren können sie die weit gefassten Regelungen der Verordnung konkretisieren, Art. 5 Abs. 1 VO. Aus Sicht des Senats muss hierbei die Sicherung des Best-Effort- Internets im Vordergrund stehen, nach der im offenen Internet alle übertragenen Datenpakete ohne Berücksichtigung des Absenders, des Empfängers, der Art des Inhalts , des Dienstes oder der Anwendung gleich behandelt werden. 2. Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen nach Ansicht des Senats nunmehr insbesondere auf nationalstaatlicher Ebene, um im Rahmen der Verordnung zukünftige Verletzungen der Netzneutralität einzuschränken ? 3. Wird sich der Senat in diesem Sinne weiter einsetzen und ja, in welcher Form? 4. Hat das Land Berlin weiterhin die Federführung unter den Bundesländern zur Bearbeitung dieses Themas (vgl. Drs. 17/2239) und ist hierzu ein koordiniertes weiteres Vorgehen der Bundesländer geplant, insbesondere in Hinblick auf die bereits von der Landesregierung in Nordrhein -Westfalen erhobene Forderung, die Regelungen durch nationale Rechtsetzung im Sinne der Netzneutralität zu konkretisieren? Zu 2., 3. und 4.: Wie bereits ausgeführt sind für die Aufsicht und Durchsetzung der Vorschriften zur Netzneutralität die nationalen Regulierungsbehörden zuständig , Art. 5 Abs. 3 VO. In Deutschland ist dies vorrangig die Bundesnetzagentur (BNetzA). Nach Absatz 4 von Artikel 5 bleiben darüber hinaus Aufgaben unberührt, die die Mitgliedstaaten anderen Behörden übertragen haben. Um zu einer einheitlichen Anwendung der Verordnung in allen Mitgliedstaaten beizutragen, wird das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) innerhalb von 9 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung Leitlinien für die Umsetzung der Verpflichtungen der nationalen Regulierungsbehörden herausgeben, Art. 5 Abs. 3 VO. Für Deutschland ist die BNetzA Mitglied im GEREK und wird zur Erarbeitung der Leitlinien beitragen. Die Länder sind durch Vertreter des Bundesrates und Berlin konkret über die Senatorin für Wirtschaft, Technologie und Forschung im Beirat der BNetzA vertreten. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 306 2 Die belassenen Handlungsspielräume der Verordnung zur Netzneutralität sind in gemeinsamer Abstimmung von Bund und Ländern so auszugestalten, dass der freie Zugang zu einem offenen Internet sowohl für Inhalte- und Diensteanbieter wie auch für Nutzerinnen und Nutzer gewahrt bleibt. Die Sicherung der Netzneutralität tangiert sowohl die Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundes wie auch der Länder. Die Länder sind von Verfassungs wegen zur Vielfaltssicherung verpflichtet. Die Verantwortung und die Zuständigkeit, die Telekommunikationsregulierung in dem Bereich und insbesondere Netzneutralität mitzugestalten , haben sie unter anderem in den Bundesratsbeschlüssen Drs. 212/15 und Drs. 689/13 bekräftigt. Da die Beteiligung der Länder und anderer zuständiger Behörden auch in Art. 5 Abs. 4 VO ausdrücklich vorgesehen ist, wird Berlin sich dafür einsetzen, dass die Länder zum Beispiel bei der Ausgestaltung der Mindestanforderungen an die Dienstequalität, zu der die nationalen Regulierungsbehörden nach Art. 5 Abs. 1 VO ermächtigt werden, einbezogen werden. Auf Initiative Berlins, das unter den Ländern weiterhin federführend für das Thema Netzneutralität ist, ist für Januar 2016 ein Gespräch zur Erörterung des Themas und des weiteren Vorgehens von Bund, Ländern und Bundesnetzagentur geplant. Im Rahmen der Bund-Länder- Kommission zur Medienkonvergenz verfolgen die Länder das Ziel, bis zur Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 16. Juni 2016 gemeinsame Handlungsvorschläge zur Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben in das nationale Recht vorzulegen. Berlin wird sich im Rahmen der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz weiterhin dafür einsetzen, eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern herbeizuführen, da insbesondere im Hinblick auf die Verhandlungen auf EU-Ebene (GEREK- Leitlinien) eine einheitliche Position Deutschlands erforderlich ist. Berlin, den 20. November 2015 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung B j ö r n B ö h n i n g Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Nov. 2015)