Drucksache 17 / 17 322 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Elke Breitenbach (LINKE) vom 05. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. November 2015) und Antwort Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege in Berlin – ein Mythos? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele ambulante Pflegedienste gibt es zurzeit in Berlin? (Bitte Auflistung, wie viele davon in Trägerschaft der Freien Wohlfahrt und wie viele private Anbieter sind) Zu 1.: Es gibt mit Stand 09. November 2015 611 Pflegedienste in Berlin, davon 113 in der Trägerschaft der freien Wohlfahrtspflege und 498 in der Trägerschaft privater Anbieter. 2. Wie viele ambulante Pflegedienste in welcher Trägerschaft haben seit 2013 ihre Tätigkeit beendet und welche Gründe gab es dafür? Zu 2.: Seit 2013 haben 60 Pflegedienste ihre Tätigkeit beendet. Davon waren sechs Pflegedienste in der Trägerschaft der Freien Wohlfahrtspflege und 54 Pflegedienste in der Trägerschaft privater Anbieter. Ergänzender Hinweis : Im gleichen Zeitraum wurden 95 Pflegedienste neu eröffnet. Gründe für die Schließungen werden statistisch nicht erfasst. Ursachen sind i. d. R: Geschäftsaufgabe wegen Altersgründen Personalmangel Insolvenzen/wirtschaftliche Gründe Inhaberwechsel (Verkauf) Kündigungen durch Kostenträger (im angegebenen Zeitraum 4, alle in privater Trägerschaft); Gründe: Schlechtleistung/Qualitätsmängel, Nicht-Erreichbarkeit des Pflegedienstes) Trägerschaft Stand Oktober 2015 Anzahl Schließungen seit 01. Januar 2013 Anteil in % Anzahl der Pflegedienste der freien Wohlfahrtspflege 113 6 5,31 % Anzahl der Pflegedienste in privater Trägerschaft 498 54 10,84 % Ambulante Pflegedienste insgesamt 611 60 9,82 % 3. Wie viele Verfahren wegen Leistungsmissbrauchs und Abrechnungsbetrugs wurden gegen wie viele Pflegedienste seit 2013 eingeleitet? (Bitte bezirkliche Auflistung und Auflistung nach Trägerschaft) Zu 3.: Verfahren wegen Leistungsmissbrauchs und Abrechnungsbetrug durch Pflegedienste werden in der statistischen Erfassung über das System MESTA der Staatsanwaltschaft Berlin nicht gesondert aufgeführt. Die Verfahren aus diesem Deliktsschwerpunkt werden zentral bei Eingang in der Abteilung 243 vorgelegt, wo sie erfasst und entweder direkt bearbeitet oder an andere Abteilungen zur weiteren Bearbeitung abgegeben werden. Von den seit 2013 insgesamt gestellten 217 Strafanzeigen gegen 157 unterschiedliche Pflegedienste sind auf diese Weise 101 Verfahren im Zusammenhang mit dem Abrechnungsbetrug bei der Staatsanwaltschaft registriert. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 322 2 Als Anzeigenerstatter treten dabei sowohl Bezirksämter , Krankenkassen, Angehörige, Konkurrenzunternehmen oder anonyme Personen auf. Angaben zu den betroffenen Bezirken oder den jeweiligen Trägerschaften werden in der Statistik nicht erfasst und wären nur durch eine Einzelauswertung der Verfahren in Erfahrung zu bringen. Nach Auskunft der Abt. 243 sind die angezeigten Pflegedienste relativ gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet verteilt. 4. Wie hoch ist der entstandene Schaden durch Leistungsmissbrauch und Abrechnungsbetrug 2013? Zu 4.: Da die eingetretenen Schadenssummen statistisch nicht erfasst werden, kann zu der Gesamtsumme keine belegbare Aussage getroffen werden. Für eine genaue Erfassung der Schadenssummen wäre auch hier eine Einzelauswertung der Verfahrensakten notwendig. Nach einer überschlägigen Schätzung dürfte sich der wirtschaftliche Gesamtschaden aber in einem erheblichen Bereich bewegen. 5. In wie vielen Fällen gab es im Vorfeld der Anzeige ein Gespräch der Kostenträger mit den Pflegediensten und unter welchen Umständen befürwortet der Senat solch eine Vorgehensweise Zu 5.: Grundsätzlich sollte eine Stellungnahme des in Verdacht geratenen Pflegedienstes durch den Kostenträger eingeholt werden. So sind Anhörungen des beschuldigten Pflegedienstes fester Bestandteil von vertragsrechtlichen Verfahren. Bei strafrechtlichen Anzeigen wird jedoch häufig - nach Rücksprache mit den Ermittlungsbehörden - auf Gespräche verzichtet, um nicht die Ergebnisse von gezielt eingesetzten Ermittlungsinstrumenten durch das Landeskriminalamt zu gefährden. Dieses inzwischen weitgehend standardisierte Verfahren ist zwischen den Bezirksämtern, dem Landeskriminalamt und dem Senat abgestimmt. Über Häufigkeit von Stellungnahmen durch Pflegedienste vor Anzeigeerstattung liegen keine Angaben vor. 6. Wie ist der Stand der Bearbeitung und welche Vorwürfe sind Gegenstand der Anzeige bzw. Verfahren? 7. Wie viele Verfahren wurden seit 2013 beendet durch A. Verurteilung, B. Einstellung, C. Freispruch? 8. Welche Strafen gab es bei den Verurteilungen seit 2013 und aus welchem Jahr stammte jeweils die Anzeige? Zu 6., 7. und 8.: Die Vorwürfe beziehen sich im Kern auf die vertraglich vereinbarten Pflegeleistungen und/oder auf die Abrechnung der Leistungen. Häufig besteht der begründete Verdacht, dass Leistungen zwar mit dem Kostenträger abgerechnet wurden, aber faktisch nicht oder nicht in der vereinbarten Qualität erbracht worden sind. Dem Sozialhilfeträger geht es hierbei ausdrücklich nicht um alltäglich vorkommende und menschlich nachvollziehbare Pflegefehler, sondern ausschließlich um systematisch und vorsätzlich begangene Täuschungen. Dadurch entstehen vermeidbare Ausgaben, die nicht mehr an anderer Stelle zur Verfügung stehen, obwohl sie gerade in der Pflege dringend benötigt werden. Darüber hinaus und weitaus tragischer können die Auswirkungen durch unseriöses und ausschließlich an Gewinnmaximierung orientiertes Verhalten einiger Pflegedienste sein, wenn, insbesondere bei alleinstehenden pflegebedürftigen Menschen, dadurch die Gesundheit oder das Leben von Menschen gefährdet wird. Belegbare Zahlen zu den Fragen 7. und 8. liegen nicht vor. Eine Auswertung der zur Verfügung stehenden Daten hat ergeben, dass ein Teil der zu Frage 3. benannten Verfahren eingestellt wurden, wobei hierunter sowohl Einstellungen nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts als auch nach §§ 153, 153a Strafprozessordnung aus Opportunitätsgründen fallen. Der größere Anteil der Verfahren, insbesondere aus den Jahren 2014 und 2015 sind noch nicht abschließend erledigt. Es handelt sich dabei zum einen um noch offene Ermittlungsverfahren und zum anderen um bereits angeklagte Verfahren, bei denen noch keine Hauptverhandlung durchgeführt wurde oder die erstinstanzlichen Urteile noch nicht rechtskräftig sind. In drei Verfahren liegen bereits rechtskräftige Verurteilungen zu Freiheits- bzw. Geldstrafen vor, ein Verfahren endete mit einem rechtskräftigen Freispruch und in einem weiteren Verfahren erfolgte in der Hauptverhandlung eine Einstellung gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung gegen Zahlung einer Geldauflage. Berlin, den 18. November 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Nov. 2015)