Drucksache 17 / 17 342 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Björn Eggert (SPD) vom 10. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. November 2015) und Antwort Werden Menschen vom LAGeSo nachts in die Obdachlosigkeit entlassen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass von der Nacht vom 02. auf den 03.11.2015 oder zu anderen Zeitpunkten Menschen vor dem LAGeSo in die Obdachlosigkeit entlassen wurden? 2. Trifft es zu, dass Familien mit Kindern vor dem LAGeSo in der betreffenden Nacht hungern und frieren mussten und die Zelte nicht für diese geöffnet wurden? 3. Sind dem Senat diese Fälle bekannt? 4. Wenn ja, warum wurde dies zugelassen? 5. Was gedenkt der Sozialsenator zu unternehmen, um diese Missstände schnellstmöglich zu beseitigen? Zu 1. bis 5.: Von der Situation vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) sind unterschiedliche Personenkreise Schutz suchender Menschen betroffen. Zum einen gibt es Asylsuchende, die sich erstmals registrieren lassen und in der Regel nach der Registrierung sukzessive mit Bussen zu ihren Unterkünften gebracht werden. Am 2. November 2015 kam es zu einer schwierigen Unterbringungssituation, so dass erst relativ spät (gegen 22 Uhr) die notwendigen Unterbringungskapazitäten zur Verfügung standen, weshalb sich die Verteilung per Bus bis spät in die Nacht hinein zog. Alle Schutz suchenden Menschen, die bereit waren in einer Unterkunft zu nächtigen, konnten entsprechend versorgt werden . Ein anderer Teil der vor dem LAGeSo wartenden Menschen betrifft Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die im LAGeSo vorsprechen wollen, um Leistungen (bspw. Taschengeld, Kostenübernahmen usw.) zu erhalten . Viele Menschen stellen sich bereits in den frühen Morgenstunden oder gar in der Nacht vor dem LAGeSo an, um am nächsten Tag bei Einlass so weit vorne wie möglich in der Warteschlange zu stehen. Diese Wartenden lassen sich leider nicht von ihrem Vorhaben abbringen , in der Nacht vor dem LAGeSo auszuharren. Um diese Situation zu verbessern, wurde bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, wie z. B. die frühere Öffnung der beheizten Zelte. Des Weiteren soll vermieden werden, dass sich Familien mit kleinen Kindern bereits in der Nacht anstellen. So werden die Unterkunftsbetreiberinnen und Unterkunftsbetreiber informiert, dass Familien nicht aus der Unterkunft verwiesen werden dürfen, auch wenn die Fristen der Kostenübernahme abgelaufen sind. Auch soll den Familien erläutert werden, dass eine Mitnahme der Kinder zu einem Termin beim LAGeSo nicht erforderlich ist. Die hygienische Situation wird durch das Aufstellen von weiteren Toiletten auf der Turmstraße verbessert werden. Außerdem fanden bereits Gespräche mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft sowie dem Bezirksamt Mitte statt, um gemeinsam die Wartesituation vor Ort zu verbessern und auch in den Nachtstunden kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner – insbesondere für die Kinder und Jugendliche – zu gewinnen. Aufgrund der besonderen Bedeutung wird das sog. Campusmanagement künftig vom Landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement (LKF) gesteuert, der sich z. B. um die Gestaltung der Wartesituation, Lenkung der Besucherströme, Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischen Dienstleistungen kümmert. 6. Wie viele Mittel setzt der Senat zur gesundheitlichen Versorgung der Flüchtlinge vor dem LAGeSo ein? 7. Wie sieht die Vereinbarung mit der Charité zur medizinischen Versorgung konkret aus? Zu 6. und 7.: Inhalt der Vereinbarung mit der Charité ist die Notversorgung nicht registrierter Flüchtlinge am Standort Turmstraße, soweit keine anderen Möglichkeiten zur medizinischen Versorgung bestehen. Die medizinische Versorgung erfolgt in den ehe-maligen Räumen der Medianklinik und wird in einer Sprechzeit von 08.00 bis 18.30 Uhr mit zunächst 2 bis 3 Ärztinnen/Ärzten (Allgemeinmedizin und Pädiatrie) sichergestellt. Unterstützt werden sie hierbei von einer Pflegekraft sowie einer wei- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 342 2 teren Assistenzkraft. In den Räumen der Medianklinik erfolgt ferner ehrenamtlich eine Versorgung durch Hebammen . Der Rettungswagen der Johanniter wird nunmehr von 19.00 bis 7.00 Uhr bei den beiden Zelten Turmstr. 22 eingesetzt. Die insgesamt für die dargestellte medizinische Versorgung erforderlichen Mittel können noch nicht beziffert werden. 8. In neuesten Pressemeldungen erklärt der Sozialsenator Czaja, dass Berlin am Ende seiner Aufnahmekapazitäten sei, gedenkt der Senat nunmehr mit Notstandsmaßnahmen zu reagieren? Wird die Beschlagnahme von privaten Ferienwohnungen und aus spekulativen Gründen leer stehende Wohnungen nunmehr zur Unterbringung von Menschen in Not erwogen? 9. Gedenkt der Senat gesetzliche Änderungen hierzu vorzunehmen? Zu 8. und 9.: Die Sicherstellung von privaten Grundstücken oder Wohnungen zur Unterbringung von Flüchtlingen ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Eigentumsrecht der Hauseigentümerin/ des Hauseigentümers nur unter sehr hohen rechtlichen Hürden möglich. Im Rahmen des polizeilichen Notstands ist die Beschlagnahme von Privateigentum zur Unterbringung von Flüchtlingen bei Vorliegen einer gegenwärtigen und erheblichen Gefahr lediglich als eine vorübergehende und kurzfristige Maßnahme möglich. Nach § 16 Absatz 2 Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) darf eine Sicherstellung zudem nur erfolgen, solange die Abwehr der Gefahr nicht auf andere Weise möglich ist. Die Ordnungsbehörde muss daher vor der Inanspruchnahme privaten Eigentums darlegen, dass alle landeseigenen Unterkünfte zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden und dass die Beschaffung solcher Unterkünfte bei Dritten nicht rechtzeitig möglich ist. In der Rechtsprechung wird dazu überwiegend von einer Höchstdauer der Sicherstellung von zwei bis maximal sechs Monaten ausgegangen . Aus diesen Gründen hält der Senat von Berlin eine Sicherstellung von privaten Ferienwohnungen und privaten Wohnungen weder für rechtlich zulässig noch für geeignet, dauerhaft Unterkunftsplätze für Flüchtlinge zu schaffen. Berlin, den 30. November 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 01. Dez. 2015)