Drucksache 17 / 17 387 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 17. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. November 2015) und Antwort Berliner Behörden auf der Suche nach Liebe (IV) – Praxis der „Scheineheermittlungen“ bei binationalen Ehen und Partnerschaften in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele binationale Paare haben seit August 2012 in Berliner Standesämtern geheiratet (bitte Anzahl und Anteil an allen in Berlin geschlossenen Ehen angeben sowie nach Jahren aufschlüsseln)? a. Wie viele Ehen wurden im o. g. Zeitraum zwischen Ehepartner*innen deutscher und nicht deutscher Staatsangehörigkeit geschlossen? b. Welche sind im o. g. Zeitraum die fünf häufigsten Länderkonstellationen binationaler Eheschließungen gewesen? c. Wie viele Ehepartner*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit haben seit 2008 durch die Eheschließung eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erlangt? Zu 1a und 1b.: Durch das Amt für Statistik Berlin- Brandenburg wurden zu den gestellten Fragen folgende Aufstellungen übersandt. Weitergehende Daten stehen nicht zur Verfügung: Eheschließungen in Berlin von August 2012 bis Juli 2015 Eheschließungen Jahr insgesamt davon beide Ehepartner deutsch beide Ehepartner ausländisch Mann deutsch / Frau ausländisch Frau deutsch / Mann ausländisch binationale Paare Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl % Anzahl % 2012 6 303 4823 76,6 129 2,0 726 11,5 625 9,9 1 351 21,4 2013 12 963 9817 75,7 306 2,4 1 553 12,0 1 287 9,9 2 840 21,9 2014 13 373 9 821 73,4 376 2,8 1 725 12,9 1 451 10,9 3 176 23,7 2015 7 054 5 172 73,3 212 3,0 856 12,1 814 11,5 1 670 23,7 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 387 2 Eheschließungen in Berlin für die Jahre ab 2012 Frau ausländisch/Mann deutsch 2012 2013 2014 2015 Zeitraum 08.2012 bis 07.2015 polnisch 79 140 143 69 431 russisch 75 129 125 58 387 türkisch 100 174 194 120 588 ukrainisch 40 80 88 30 238 chinesisch 28 50 93 35 206 Eheschließungen in Berlin für die Jahre ab 2012 Frau deutsch/Mann ausländisch 2012 2013 2014 2015 Zeitraum 08.2012 bis 07.2015 italienisch 24 48 49 26 147 türkisch 174 342 383 223 1122 britisch 33 57 61 23 174 amerikanisch 36 62 67 35 200 libanesisch 28 58 56 27 169 351 665 740 391 2147 Zu 1c.: Die erbetenen Daten wurden statistisch nicht erhoben und können daher auch nicht ermittelt werden. 2. Wie viele binationale Paare sind seit 2008 eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen (bitte Anzahl und Anteil an allen in Berlin eingegangenen Lebenspartnerschaften angeben sowie nach Jahren aufschlüsseln)? a. Wie viele Lebenspartnerschaften wurden im o. g. Zeitraum zwischen Partner*innen deutscher und nicht deutscher Staatsangehörigkeit geschlossen? b. Welche sind im o. g. Zeitraum die fünf häufigsten Länderkonstellationen binationaler Lebenspartnerschaften gewesen? c. Wie viele Lebenspartner*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit haben im o. g. Zeitraum durch die Eintragung eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erlangt? Zu 2.: Die erbetenen Daten wurden statistisch nicht erhoben und können daher auch nicht ermittelt werden. 3. Wie häufig haben Berliner Standesämter eine Eheschließung bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft verweigert , weil sie Anhaltspunkte dafür sahen, dass eine eheliche oder partnerschaftliche Lebensgemeinschaft nur pro forma abgeschlossen werden würde (bitte seit 2008 nach Jahren und Standesämtern aufschlüsseln)? a. Welche konkreten Anhaltspunkte müssen dafür vorliegen? b. Wie häufig wurde Widerspruch dagegen eingelegt und wie hoch war die Erfolgsquote? c. Welche ermessenslenkenden Weisungen, Rundschreiben etc. existieren hierzu im Land Berlin für Standesbeamtinnen und -beamte (bitte beilegen/verlinken)? Zu 3.: Statistische Erhebungen zu dieser Fragestellung finden bei den Berliner Standesämtern nicht statt. Folglich haben fünf Berliner Standesämter mitgeteilt, dass diese Frage nicht beantwortet werden kann. Ungeachtet fehlender statistischer Erhebungen haben vier Ämter für den angefragten Zeitraum mitgeteilt, dass es nach ihrem Kenntnisstand zu keinen derartigen Ablehnungen gekommen ist. Bei zwei Ämtern wurden Zahlen aus der Erinnerung genannt (Standesamt Spandau: fünf Ablehnungen , Standesamt Charlottenburg: unter 10 Ablehnungen ), wobei sich diese Zahlen nicht mehr auf die einzelnen Jahre eingrenzen lassen. Ein Standesamt (Marzahn- Hellersdorf) konnte Zahlen nennen, weil es diese Vorgänge gesondert aufbewahrt. Die Zahlen dieses Standesamts lauten wie folgt: Eine Ablehnung in 2008, zwei Ablehnungen in 2010 und drei Ablehnungen in 2013. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 387 3 a.: Die Regelung des § 1310 Abs. 1 Satz 2, zweiter Halbsatz Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist zur Regelung der Eheschließung in Deutschland seit dem 01.07.1998 mit diesem Wortlaut im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Die Regelung geht zurück auf die Entschließung des Rats der Europäischen Union vom 04.12.1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen (97/C 382/01), welche „Faktoren“ für Anhaltspunkte zur Scheinehe enthält. b.: Hier ist vorab auf die oben unter 3. dargelegte fehlende statistische Erfassung hinzuweisen. Dessen ungeachtet kann auf Nachfrage bei den Berliner Standesämtern Folgendes mitgeteilt werden: Bei dem Standesamt Spandau folgte den fünf Ablehnungen ein gerichtliches Verfahren , wobei dessen Ergebnis nicht mitgeteilt werden konnte. Den weniger als 10 Ablehnungen des Standesamts Charlottenburg-Wilmersdorf im angefragten Zeitraum folgten drei Verfahren, von denen eines noch nicht abgeschlossen ist. Dazu kommt in einem Fall die Stattgabe des Anweisungsantrags durch das Amtsgericht Schöneberg , in einem Fall die Ablehnung, welche auch durch das Kammergericht bestätigt wurde. Den insgesamt sechs Ablehnungen des Standesamts Marzahn-Hellersdorf folgten drei Anweisungsverfahren, von denen zwei im Sinne der Antragsteller erfolgreich verliefen. c.: Es existieren im Land Berlin zum Thema Scheinehe keine Vorgaben in Form von ermessenslenkenden Weisungen oder Rundschreiben, da sich solche kaum mit der rechtlichen Stellung der Standesbeamten vereinbaren ließen, die bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weisungsungebunden sind (vgl. § 2 Abs. 2 Personenstandsgesetz -PStG). 4. Wie häufig hat die Berliner Ausländerbehörde seit 2008 eine Ermittlung wegen des Verdachts auf eine „Scheinehe“ durchgeführt (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? Zu 4.: Die erbetenen Daten wurden statistisch nicht erhoben und können daher auch nicht ermittelt werden. 5. Welche tatsächlichen Anhaltspunkte müssen aus Sicht der Berliner Ausländerbehörde vorliegen, um eine Ermittlung wegen des Verdachts auf eine „Scheinehe“ einzuleiten (Kriterienkatalog und entsprechende Verfahrenshinweise bitte auflisten bzw. beilegen/ verlinken) Zu 5.: Die Berliner Ausländerbehörde orientiert sich bei der Annahme tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Scheinehe an einer Entschließung des Rates der Europäischen Union (EU). Konkret werden Faktoren, die vermuten lassen, dass es sich um eine Scheinehe handelt, in der Entschließung des Rates der EU vom 04.12.1997 (97/C 382/01) über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen genannt. Diese sind beispielsweise: fehlende Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft , das Fehlen eines angemessenen Beitrages zu den Verpflichtungen aus der Ehe, die Eheleute sind sich vor ihrer Ehe nie begegnet, die Eheleute machen widersprüchliche Angaben hinsichtlich ihrer jeweiligen Personalien, des Umstandes ihres Kennenlernens, des Berufs u. ä., die Eheleute sprechen nicht eine für beide verständliche Sprache, für das Eingehen der Ehe wurde ein Geldbetrag übergeben, es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute schon früher Scheinehen eingegangen sind oder sich unbefugt hier aufgehalten haben. Die Gewinnung dieser Erkenntnisse kann beruhen auf Erklärungen der Betroffenen oder Dritter, Erkenntnissen aus Schriftstücken und auf Erkenntnissen, die bei Ermittlungen gewonnen wurden. 6. Wie viele Ehen bzw. Lebenspartnerschaften wurden seit 2008 zur „Scheinehe“ bzw. „Scheinlebenspartnerschaft “ erklärt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 7. Wie häufig hat die Berliner Ausländerbehörde seit 2008 Ehe- bzw. Lebenspartner*innen ohne deutsche Staatsangehörigkeit lediglich eine kurzzeitige Aufenthaltserlaubnis erteilt, um ein erneutes Vorsprechen und damit eine erneute Bestätigung über die eheliche /partnerschaftliche Lebensgemeinschaft zu erzwingen (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 8. Wie viele Fälle von nachgewiesenen „Scheineheschließungen “ bzw. „Scheinlebenspartnerschaftseintragungen “ gab es seit 2008 in Berlin (bitte Anzahl und Anteil an den gesamten sowie binationalen Eheschließungen bzw. Lebenspartnerschaftseintragungen angeben)? 9. Welche aufenthalts- und strafrechtlichen Konsequenzen hatten die seit 2008 nachgewiesenen „Scheineheschließungen “bzw. Scheinlebenspartnerschaftseintragungen “ (bitte nach Jahren und Tatbeständen aufschlüsseln)? Zu 6. bis 9.: Die erbetenen Daten wurden statistisch nicht erhoben und können daher auch nicht ermittelt werden . 10. Gab es seit Oktober 2013 im Zusammenhang mit der Praxis der „Scheineheermittlungen“ bei binationalen Ehen und Partnerschaften in Berlin Eingaben und Beschwerden beim Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit? Wenn ja, wie viele, welcher Sachverhalt lag jeweils zugrunde und mit welchem Ergebnis (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 10.: Im Zusammenhang mit der Praxis der „Scheineheermittlungen“ bei binationalen Ehen und Partnerschaften gab es seit Oktober 2013 eine Eingabe. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 387 4 Eine Betroffene hatte sich beschwert, dass die Ausländerbehörde sie im Rahmen einer Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug in einem Schreiben darum bat, Nachweise für den Kontakt zu ihrem Ehemann seit der Eheschließung in Form von Telefonrechnungen mit Einzelnachweisen, E-Mails, Skype- Protokollen, Briefen etc. vorzulegen. Die konkrete Eingabe hatte sich aufgrund der Änderung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts erledigt. Der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat dies zum Anlass genommen, eine Prüfung der Datenerhebung durch die Ausländerbehörde im Zusammenhang mit Familiennachzug durchzuführen, deren Ergebnis noch aussteht. 11. Aufgrund welcher Datensätze bzw. Unterlagen wurden vorstehende Fragen beantwortet und inwieweit wäre es möglich, diese (ggf. in aufbereiteter Form) auf dem Berliner Open-Data-Portal einzustellen und fortlaufend zu aktualisieren? Zu 11.: Die Daten zu Fragen 3., 3a und 3b stammen von den Berliner Standesämtern, sind nicht verifizierbar, da sie statistisch nicht erhoben werden, teilweise nur Schätzzahlen aus der Erinnerung darstellen und können demzufolge auch nicht zugänglich gemacht werden. Die mit dieser Anfrage ansonsten erbetenen Daten sind ausschließlich für die Beantwortung dieser Anfrage erhoben worden. Eine Einstellung dieser Daten in das Open-Data- Portal des Landes Berlin wird derzeit nicht erwogen. Berlin, den 2. Dezember 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dez. 2015)