Drucksache 17 / 17 414 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 12. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. November 2015) und Antwort Trans- und Intersexuelle bei der Polizei und Feuerwehr Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Sind dem Berliner Senat interne Probleme für trans- und intersexuelle Menschen im Polizei- und Feuerwehrdienst trans- und intersexuelle Beamtinnen und Beamten in Form von Mobbing, Beleidigungen oder ähnlicher Art bei in den letzten fünf Jahren bekannt? Zu 1.: Die Polizeibehörde kann hierzu keine valide statistische Auskunft erteilen, da die geschlechtliche Identität von Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern bzw. Anzeigenden dort nicht erfasst wird. Den Ansprechpersonen für Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie transund intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) und der Konfliktkommission sind jedoch in den vergangenen fünf Jahren keine Vorfälle bekannt geworden. Innerhalb der Berliner Feuerwehr sind keine diesbezüglichen Probleme bekannt geworden. 2. Gab es aufgrund solcher Fälle Anzeigen oder Dienstaufsichtsbeschwerden bei der Polizei und der Feuerwehr ? Zu 2.: Weder bei der Polizei Berlin noch bei der Berliner Feuerwehr sind diesbezügliche Anzeigen oder Dienstaufsichtsbeschwerden bekannt geworden. 3. Wie wurde und wird mit solchen Fällen bezüglich der Täterinnen und Täter sowie der den Opfern solcher Handlungen umgegangen? Zu 3.: Grundsätzlich würden von der Polizei Berlin Ermittlungsverfahren eingeleitet, sofern der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Sind trans- und intergeschlechtliche Menschen der Polizei Berlin Opfer oder Tatverdächtige von Straftaten, in denen das Motiv die geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung ist, wird bei der Bearbeitung dieser Fälle besondere Sensibilität gewahrt. Seit vielen Jahren berücksichtigt die Polizei Berlin dabei den besonders einfühlsamen Umgang mit trans- und intergeschlechtlichen Menschen durch eine Vielzahl von institutionalisierten Strukturen und Maßnahmen . 4. Gibt es mittlerweile eine Ansprechpartnerin bzw. einen -partner für Sexuelle Vielfalt, Diversity und Mobbing bei der Berliner Feuerwehr? Wenn ja, seit wann und mit welchen Aufgaben sind mit ist diese Stelle, auch bei der Berliner Polizei, verbunden? Wenn nicht, warum nicht?) Zu 4.: Bei der Berliner Feuerwehr wird der Schutz der Beschäftigten vor Mobbing oder Diskriminierung wegen Behinderung, Herkunft, Hautfarbe, Religion, politischer Anschauung oder sexueller Identität sowie vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz seit 2001 durch eine Dienstvereinbarung geregelt, in deren Ausgestaltung u.a. auch eine Stelle für - die Beratung der Betroffenen, - die Entgegenahme von Beschwerden und - die Beratung und Vermittlung in Konfliktsituationen eingerichtet wurde. Im Bedarfsfall sieht die Dienstvereinbarung zudem die Einrichtung einer Ermittlungsstelle vor. Bei der Polizei Berlin gibt es seit 1992 einen Ansprechpartner , seit 2006 zusätzlich eine Ansprechpartnerin . Beide Ansprechpersonen für Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen haben hauptamtliche Stellen inne und arbeiten als Schnittstelle zwischen der Polizei und der Community. Ihre Aufgaben umfassen folgende Tätigkeiten: • Auswertung von Straftaten, die Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen betreffen (Eigentumsdelikte, Hasskriminalität gegen die sexuelle Orientierung bzw. geschlechtliche Identität und Fälle häuslicher Gewalt ), Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 414 2 • Einbindung in die Durchführung von Polizeieinsätzen in Szenebereichen, • Beratung und Unterstützung anderer Polizeidienststellen bei Einsätzen und in Ermittlungsverfahren, • Durchführung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen hinsichtlich sexueller Orientierung / geschlechtlicher Identität und polizeirelevanter Szene - bzw. Phänomenbereiche, • Beratung in Fragen mit Polizeibezug, • Aufklärung im Bereich Gewaltprävention, z. B. durch Informationsveranstaltungen bei Straßenfesten oder in Szenebereichen, • vertrauensbildende Maßnahmen in Szenebereichen , um die Anzeigenbereitschaft weiter zu verbessern und • Netzwerkarbeit und -pflege. Darüber hinaus wurde innerhalb der Polizei Berlin ein zentrales Diversity Büro etabliert. Dieses arbeitet mit den jeweiligen Fachdienststellen zu einzelnen Diversitydimensionen zusammen. Das Diversity Büro ist außerdem für strategische Überlegungen zuständig, um beispielsweise Inhalte aus dem Projekt „Trans* in Arbeit“ der Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung (LADS) in der Polizei Berlin umzusetzen. 5. Welche Formen von Beratungen und Unterstützung existieren in der Berliner Polizei und Feuerwehr für trans- und intersexuelle Menschen im Polizei- und Feuerwehrdienst Mitglieder bei einem Outing und im nachfolgenden Dienstalltag? Zu 5.: Die o.g. Ansprechpersonen der Berliner Polizei stehen trans- und intersexuellen Menschen zur Beantwortung von Fragen hinsichtlich ihres Outings zur Verfügung , im Bedarfsfall wird an das Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiternetzwerk des Vereins lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (VelsPol e. V.) weiter vermittelt. In Fällen von Mobbing bzw. Konflikten kann die Konfliktkommission einbezogen werden. Darüber hinaus bieten die Sozialbetreuung sowie der Polizeipsychologische Dienst der Polizei Berlin Beratungsgespräche für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterschiedlichsten Fragestellungen an. Seit diesem Jahr wird eine gemeinsame Sozialbetreuung der Polizei Berlin und der Berliner Feuerwehr angeboten , in deren Rahmen der genannte Personenkreis entsprechende Beratung und Betreuung erhalten kann. 6. Wie viele Veranstaltungen und Trainings für Mitglieder der Berliner Polizei und der Feuerwehr fanden in den letzten fünf Jahren statt, um Beamtinnen und, Beamte sowie Angestellte im Umgang und der Ansprache mit tTrans- und iIntersexuellen Menschen innerhalb und außerhalb der Polizei und Feuerwehr zu schulen und wie viele solcher Veranstaltungen und Trainings sind noch geplant geplant? Zu 6.: Die Thematisierung von Trans- und Intersexualität in der Polizei Berlin - insbesondere in Bezug auf Anrede und körperliche Durchsuchung nach § 81 a der Strafprozessordnung (StPO) - erfolgt im Rahmen einer jeweils eintägigen Veranstaltung „Polizei und Homosexualität “ während der Ausbildung zum mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst. Diese wird durch die Ansprechpersonen für Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen der Polizei Berlin in Kooperation mit dem Opferhilfe- und Gewaltpräventionsprojekt MANEO durchgeführt. Zudem erfolgen anlassbezogene Fortbildungen. In den vergangenen fünf Jahren wurden insgesamt 170 Veranstaltungen dieser Art durchgeführt. In den kommenden Jahren ist ein Anstieg der Veranstaltungszahl im Bereich der Ausbildung auf Grund der gestiegenen Einstellungszahlen auf etwa 45 pro Jahr zu erwarten. Für die Dienstkräfte der Berliner Feuerwehr fanden bislang keine speziellen Veranstaltungen zu dieser Thematik statt. Aktuell sind auch keine diesbezüglichen Veranstaltungen geplant. 7. Existieren Benutzungsregeln für geschlechtsspezifische Räume, wie z.B. Toiletten, und Duschen und Umkleiden , im Zusammenhang mit trans- und intersexuelle Menschen im Polizei- und Feuerwehrdiensten und wenn ja, welche? Zu 7.: Vorbemerkung: Der Abbau von Diskriminierungen trans- und intergeschlechtlicher Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen ist Teil der Antidiskriminierungspolitik des Senats im Rahmen der Umsetzung der „Initiative Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“. Dies bezieht sich selbstverständlich auch auf den Dienst bei der Berliner Polizei und Feuerwehr. Die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage erfolgt auf der Grundlage und in Anwendung der geltenden Gesetze und Rechtsvorschriften. Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen im November 2015 eine Rechtsexpertise zur Problematik von „Diskriminierungspotentialen gegenüber trans- und intergeschlechtlichen Menschen im deutschen Recht“ veröffentlicht hat. Diese soll dem Senat als Grundlage für eine Überprüfung bestehender Gesetze und Rechtsvorschriften dienen, um Verletzungen der Grund- und Menschenrechte sowie strukturell bedingte Diskriminierungen trans- und intergeschlechtlicher Menschen auf Grund ihres Geschlechts abzubauen und zukünftig zu verhindern (siehe: http://www.berlin.de/lb/ads/schwerpunkte/lsbti/materialie n/schriftenreihe/). Soweit es sich dabei um Bundesgesetze und -vorschriften handelt wie die PDV 300, werden Änderungen , die den besonderen Voraussetzungen z.B. von Bewerberinnen und Bewerbern für den Polizeidienst nach erfolgter Transition gerecht werden, nur auf den üblichen Wegen der Kooperation mit dem Bund und den Ländern erreicht werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 414 3 Weder bei der Polizei Berlin noch bei der Berliner Feuerwehr gibt es besondere Benutzungsregeln. Im Bedarfsfall würden jedoch individuelle Regelungen auf den Dienststellen ermöglicht. Die Einführung von „Sanitärräumen für alle Geschlechter“ in Dienstgebäuden der Polizei und der Feuerwehr unter Berücksichtigung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), § 6 Abs. 2 Satz 4, wird im Zuge der Umsetzung des Abgeordnetenhausbeschlusses „Hürden im Alltag beseitigen - Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden errichten“ vom 19. Februar 2015 (AH-Drucksache 17/2070) zu prüfen sein. 8. Welche Regelungen gibt es fürbzgl. geschlechtsspezifischer Uniformteile im Zusammenhang mit transund intersexuellen Menschen im Polizei- und Feuerwehrdienst hinsichtlich deren der Benutzung? Zu 8.: Die Regelung zum Tragen der Dienstkleidung ist bei der Polizei Berlin in der Polizeidienstvorschrift 350 geregelt. Jede Schutzpolizeibeamtin bzw. jeder Schutzpolizeibeamte hat die Möglichkeit, über ein Kleiderkonto geschlechtsspezifische Dienstkleidung zu beziehen. Bei der Berliner Feuerwehr gibt es - bei ansonsten gleichem Aussehen der Dienst-uniformen - für Damen modifizierte Schnitte der Jacken und Hosen. Explizite Rege-lungen für die Nutzung bestehen nicht. Diese sind auch nicht erforderlich, da die Kleidung ohnehin individuell (nach Aufmaß) an den Träger angepasst wird. Dies gilt auch für die leichte und schwere Schutzkleidung. 9. Inwieweit kommt die Polizeidienstvorschrift (PDV) 300 mit der „Ärztlichen Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit“ zur Anwendung bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Polizeivollzugsdienst zur Anwendung? Existiert eine gleichwertige Vorschrift für die Feuerwehr, welche zur Anwendung kommt? Zu 9.: Durch den Einführungserlass meines Hauses vom 26. März 2013 findet die bundeseinheitliche Polizeidienstvorschrift (PDV) 300 zur „Ärztliche(n) Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit “ auch im Land Berlin Anwendung. Die PDV 300 reglementiert die ärztliche Beurteilung sowohl der Polizeidiensttauglichkeit von Bewerberinnen und Bewerbern für den Polizeivollzugsdienst als auch der Polizeidienstfähigkeit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Bei der ärztlichen Beurteilung der Feuerwehrdienstfähigkeit wird die PDV 300 ana-log angewandt. Die feuerwehrspezifischen Anforderungen sollen durch eine entsprechende – bislang nur im Entwurf vorliegende - Feuerwehrdienstvorschrift 300 für das Land Berlin geregelt werden. 10. Werden Personen, die sich bei der Polizei oder der Feuerwehr bewerben, abgelehnt, weil bei ihnen eine Dienstuntauglichkeit aufgrund vorangegangener Veränderungen im geschlechtsorganischen Bereich bescheinigt wird – etwa bei operativ entfernten Hoden sowie anderer Körperteile oder -bereiche, bei Brustimplantaten oder einer künstlichen Hormonzufuhr? Zu 10.: Bewerberinnen und Bewerber für den Polizeivollzugsdienst und den feuerwehrtechnischen Dienst werden im Auftrag des jeweiligen Einstellungsbüros nach den Vorgaben der PDV 300 untersucht. Werden bei der Einstellungsuntersuchung nur leichte und vorübergehende Erkrankungen festgestellt, die die Polizei-/Feuerwehrdienstfähigkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht beeinträchtigen werden, bleibt die Bewerberin bzw. der Bewerber polizei- bzw. feuerwehrdiensttauglich . Werden bei der Untersuchung allerdings die Diensttauglichkeit ausschließende Merkmale festgestellt, wird das Ergebnis der festgestellten Polizei-/Feuerwehrdienstuntauglichkeit dem Einstellungsbüro mitgeteilt und - bei vorliegender Schweigepflichtentbindung – auch schriftlich begründet. Allerdings unterliegt jede Einstellungsablehnung aus medizinischen Gründen der zuvor vorgenommenen Betrachtung und Bewertung im Einzelfall. Für die Feststellung der Polizei-/Feuerwehrdiensttauglichkeit und der Polizei-/ Feuerwehrdienstfähigkeit wird seitens der PDV 300 ein intaktes andrologisches oder gynäkologisches Hormonsystem vorgegeben. Andrologische oder gynäkologische (Vor-) Erkrankungen oder Beschwerden sind vor einem abschließenden Votum fachärztlich abzuklären. Bei Vorliegen einer operativ behandelten Trans- /Intersexualität wird wegen potenzieller Folgeerkrankungen und anschließender Behandlungsbedürftigkeit mit Auswirkungen auf die Polizei-/Feuerwehrdienstfähigkeit im Ergebnis die Polizei/ Feuerwehrdienstuntauglichkeit festgestellt werden müssen. Auch Brustimplantate schließen eine Polizei-/Feuerwehrdiensttauglichkeit aus, da davon ausgegangen wird, dass von den Implantaten insbesondere bei Stürzen, Schlägen oder anderer Gewaltausübung auf den Brustkorb eine Gesundheitsgefährdung ausgehen kann. 11. Welche Konsequenzen zog der Berliner Senat aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22.01.2015, bei dem der Bescheid des Polizeipräsidenten auf Polizeidienstuntauglichkeit der Klägerin aufgrund vorhandener Brustimplantate als rechtswidrig und Verweise auf die PDV 300 als nicht ausreichend für die Beurteilung eines Gesundheitszustandes eingestuft wurden? Zu 11.: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 22. Januar 2015 ist Gegen-stand eines Berufungsverfahrens beim Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg. Der Ausgang des Verfahrens bleibt abzuwarten . Berlin, den 02. Dezember 2015 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Dez. 2015)