Drucksache 17 / 17 427 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Otto (GRÜNE) vom 19. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. November 2015) und Antwort Modulare Wohnbauten – funktional, ökologisch und im Wettbewerb? Nachfrage zu Drs. 17/ 17165 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Weshalb hat der Senat sich entschieden, die modularen Wohnbauten ausschließlich aus Stahlbeton- Produkten errichten zu wollen und damit alle Hersteller von Modulbauten aus anderen Baumaterialien, z.B. Holz, von vorne herein auszuschließen? Antwort zu 1: Bisher wurde lediglich für die erste Tranche der Modulbauten für Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge festgelegt, diese in den tragenden Bauteilen aus Stahlbetonfertigteilen zu errichten. Im Planungsprozess stellte sich der Betonbau aus tragender Fertigteilaußenwand, kombiniert mit einer konventionellen Betondecke (kein Spannbeton) als die für den Innenraum flexibelste Lösung dar. Die Zahl der notwendigen Stützen im Innenraum wurde so weit wie möglich reduziert. Die Außenwand ist innenseitig glatt und lässt Wandanschlüsse an jeder Stelle zu. Die Decken lassen nachträgliche Durchbrüche zu. Damit sind Voraussetzungen , sowohl eine etagenweise unterschiedliche Nutzung (wohnungsähnlich im Erdgeschoss, Doppelzimmer in den Obergeschossen), als auch für spätere flexible Umnutzungen erfüllt. Darüber hinaus gibt es erheblich mehr Betonbaufirmen als Modulbauhersteller. Die Fertigung von Stahlbetonfertigteilen ist weitgehend unabhängig von Fabrikatsund Systemeinschränkungen und lässt daher auch bei Realisierung durch unterschiedliche Unternehmen eine gleiche und reproduzierbare Dimension und Qualität erwarten, ohne auf die Systemeinschränkungen der Modulsystemhersteller Rücksicht nehmen zu müssen. Für die Flüchtlingsunterkünfte sind bis zu sechsgeschossige Bauten vorgesehen, die in die Gebäudeklasse V der Berliner Bauordnung fallen. Die dort geforderte Feuerbeständigkeit der Tragkonstruktion dürfte mit Holzbausystemen nur mit aufwendigeren Genehmigungsverfahren erreichbar sein. Wegen des Zeitdrucks kommt dies für die 1. Tranche nicht infrage. Die Vorgabe eines genehmigungsfähigen Entwurfes in Hinsicht auf Statik, Brandschutz, EnEV, Schallschutz etc. ist die Grundlage für die Einreichung von vergleichbaren und wertbaren Angeboten. Frage 2: Wieso sollen die „Systeme der großen Hersteller “ für das spezielle Raumprogramm der Gemeinschaftsunterkünfte nicht ausreichend flexibel sein und künftige Nachnutzungen ohne großen Umbauaufwand kaum möglich erscheinen lassen? Wer sind diese „großen Hersteller“ und was versteht der Senat kostenmäßig unter einem „großen Umbauaufwand“? Antwort zu 2: Bei dem im Rahmen der Markterkundung untersuchten Modul-Betonbau-System als auch bei den Modul-Stahlrahmensystemen verschiedener Anbieter sind spätere Deckendurchbrüche an beliebiger Stelle nicht oder nur sehr eingeschränkt realisierbar, was bei Nachnutzungen zu starken Einschränkungen führt. Es wurden bei 5 bekannten Modulbauherstellern die Rahmenbedingungen, die sich aus deren Systemen ergeben , untersucht. Der Austausch von Modulen ist zwar bei einigen Herstellern nachträglich möglich, soll dieser jedoch nicht in der obersten Etage stattfinden, müssen alle darüber liegenden Module von oben herausgenommen werden. Dies bedeutet für Haustechnik, Estriche, Dachaufbau usw. einen hohen Wiederherstellungsaufwand. Frage 3: Welche flexiblen Nutzungsmöglichkeiten für die Gebäude plant der Senat? Antwort zu 3: Die Gebäude werden als Gemeinschaftsunterkünfte erstellt und sollen auch so genutzt werden. Sie können später als Wohnungen, Studenten- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 427 2 wohnheime oder Hotels umgebaut und umgenutzt werden . Frage 4: Welche Hersteller haben dem Senat mitgeteilt , dass ihre gegenwärtige Auslastung auf künftige Engpässe hindeutet bzw. für welche Hersteller trifft das nach Senatskenntnis zu? Antwort zu 4: Da ein Teil der untersuchten Modulbauhersteller auch im Containergeschäft tätig ist (Stahlrahmen -Modulbau) war bekannt, dass deren Kapazitäten bereits in der ersten Jahreshälfte sehr gut ausgelastet waren . Frage 5: Mit welchen Herstellern von Modulbauten, mit welchen Fachverbänden und anderen Stellen hat der Senat Gespräche geführt und seine Erkenntnisse gewonnen , die zum Ausschluss ganzer Branchen von der Ausschreibung geführt haben und damit dem Wettbewerb schaden? Antwort zu 5: Es wurden bei 5 bekannten Modulbauherstellern (Algeco, Goldbeck, Alho, Kleusberg, Erne) intensiv die Rahmenbedingungen, die sich aus deren Systemen ergeben, untersucht. Dabei wurden diejenigen Baureihen untersucht, die für eine lange Standzeit und mind. 5 Geschosse geeignet sind. Nachteile sind überwiegend in der Unflexibilität bei nachträglichen Veränderungen , z.B. späteren Deckendurchbrüchen oder geänderten Raumaufteilungen zu sehen. Ein weiterer Nachteil bei Rahmenmodulen (4 von 5 der untersuchten Hersteller) ist der erhöhte Raumbedarf der Konstruktion durch Doppelwände und doppelte Decken. Trotz Modulbauweise müssen bestimmte Gebäudeteile wie Aufzugschächte und Treppenhäuser oft in Beton hergestellt werden. Das Holzbau -System konnte ohne zeitaufwändige Prüf- und Genehmigungsverfahren wegen der Beschränkung auf Gebäudeklasse 3 nicht berücksichtigt werden. Wie in Antwort zu Frage 1 dargestellt, wurde gerade durch die Festlegung auf Stahlbetonbau die größtmögliche Öffnung der Ausschreibung für den Wettbewerb erreicht. Frage 6: Hat der Senat sich auf Länder- oder Kommunalebene mit anderen Städten ausgetauscht und Modelle für Modulbauten angesehen? Antwort zu 6: Es gab einen Austausch mit Baden- Württemberg und Thüringen, die sich für den Typenentwurf der Hochbauabteilung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt interessierten. Modulare Bauten für Unterkunftsgebäude im Sinne des Typenentwurfs sind aus anderen Bundesländern nicht bekannt. Berlin ist hier zukunftsweisend. Frage 7: Aus welchen Gründen sollen die modularen Wohnbauten nach Bauordnung als Sonderbauten und nicht als Wohnungen klassifiziert werden? Frage 8: Welche Standards in der technischen Ausführung , dem Raumprogramm, der Barrierefreiheit, der Anordnung auf dem Grundstück oder in anderen Kategorien (z.B. gemäß §51 der BauO) unterscheiden die modularen Wohnbauten als Sonderbauten von Wohnungen nach BauO? Antwort zu 7 und 8: Die modularen Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge sind keine Wohnbauten: Sie fallen in den Bereich der Unterbringung. § 2 Abs. 4 Nr. 9 der Bauordnung für Berlin regelt dies: „Sonderbauten sind….sonstige Einrichtungen zur Unterbringung ….von Personen“. Frage 9: Welchen energetischen Standard nach EnEV sollen die modularen Wohnbauten einhalten? Wie soll die Beheizung erfolgen? Antwort zu 9: Es wird der energetische Standard der Energieeinsparungsverordnung (EnEV) 2013 bzw. EnEV 2014-30 % eingehalten. Die Beheizung erfolgt über Fernwärme, wenn diese nicht zur Verfügung steht über Gas in Verbindung mit Solarthermie (EnEV 2013 bzw. EnEV 2014-16 %). Frage 10: Wie weit ist die Findung von Standorten für die modularen Wohnbauten inzwischen fortgeschritten? Welche Standorte stehen fest und wie ist jeweils die Einbindung in die örtliche Infrastruktur (Verkehr, Schulen, Soziale Einrichtungen, etc.)? Antwort zu 10: Es sind derzeit 15 Grundstücke in Prüfung und aussichtsreich, zwei Grundstücke (Wittenberger Str. 16-18, Martha-Arendsee-Str. nördl. 17) stehen fest. Die Einbindung in die örtliche Infrastruktur ist aufgrund der Standorte sichergestellt. Frage 11: Wie viele modulare Wohnbauten sollen 2016 und 2017 errichtet werden und wie viele Personen sollen darin Platz finden? Antwort zu 11: Die genaue Anzahl kann derzeit nicht benannt werden (s. Antwort zu 10), auf den beiden feststehenden Grundstücken werden Gemeinschaftsunterkünfte für je rd. 450 Personen errichtet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 427 3 Frage 12: Mit welchen Baukosten pro Quadratmeter (Kostengruppen 200 bis 700) plant der Senat für die modularen Bauten? Antwort zu 12: Wegen der laufenden Vergabeverfahren für die Bauleistungen können gegenwärtig keine Baukosten benannt werden. Es besteht die Gefahr, dass Bieter ihre Angebote dahingehend ausrichten. Berlin, den 07. Dezember 2015 In Vertretung R. L ü s c h e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dez. 2015)