Drucksache 17 / 17 482 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Martin Delius und Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 25. November 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. November 2015) und Antwort Digital-Hauptstadt Berlin VII – Digitale Archive im Konflikt mit dem Urheberrecht? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welchen Stellenwert hat die Digitalisierung von kulturellen und wissenschaftlichen Archiven in Berlin für den Senat? Zu 1.: Da die Digitalisierung sämtliche Lebens- und Arbeitsbereiche erfasst und kaum ein Gesellschaftsbereich existiert, der nicht durch die Digitalisierung verändert wird, misst das Land Berlin der Digitalisierung im Archivbereich, insbesondere in der direkten Zuständigkeit für das Landesarchiv Berlin, dem Staatsarchiv des Landes Berlin einen hohen Stellenwert zu. Aktuell befindet sich die Neufassung des Archivgesetzes des Landes Berlin im Gesetzgebungsverfahren, um für die Erfordernisse der elektronischen Archivierung die notwendige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Darüber hinaus hat das Landesarchiv Berlin erste technische und organisatorische Voraussetzungen geschaffen , um elektronische Akten aus der Berliner Verwaltung zu übernehmen und dauerhaft zu archivieren. Insbesondere Archive in mittelbarer bzw. unmittelbarer Trägerschaft des Landes Berlin haben die Möglichkeit, sich am Förderprogramm Digitalisierung Berlin zu beteiligen und eine Förderung des Landes Berlin zur Digitalisierung des kulturellen Erbes in Anspruch zu nehmen. 2. Welche Einrichtungen sind in Berlin mit der Digitalisierung von Kultur- und Wissensgütern beschäftigt? Zu 2.: Es ist davon auszugehen, dass im Land Berlin inzwischen sämtliche Kultureinrichtungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit und in ihrem Verantwortungsbereich digitalisieren. Besonders unterstützt wird die Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes seit dem Jahr 2012 mit einem entsprechenden Förderprogramm. Seit 2012 wurden folgende Einrichtungen mit einer entsprechenden Projektförderung in diesem Rahmen unterstützt : Akademie der Künste – Brecht-Archiv, Bauhausarchiv , Berlinische Galerie, Bröhan-Museum, Brücke -Museum, Dokumentationszentrum NS- Zwangsarbeit, Georg-Kolbe-Museum, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Institut für Theaterwissenschaft – FU, Landesarchiv Berlin, Maxim- Gorki-Theater, Naturkundemuseum, Schwules Museum, Stadtmuseum, Technikmuseum, Werkbundarchiv, Zentral - und Landesbibliothek Berlin. Die meisten Bibliotheken der Berliner Hochschulen digitalisieren seit einigen Jahren besonders alte, seltene schützenswerte Medien (Rara) aus ihrem Bestand. Hierbei handelt es sich häufig um Werke, die sonst nur unter besonderen Auflagen und vor Ort eingesehen werden können. Die wertvollen Originale werden so geschont und online in den digitalisierten Sammlungen der jeweiligen Bibliotheken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies gilt beispielsweise für die Technische Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin und Universität der Künste Berlin. An einigen Hochschulen werden Unterrichtsmaterialien digitalisiert, dies gilt beispielshalber für die Charité – Universitätsmedizin Berlin und die Beuth- Hochschule für Technik Berlin. 3. Welche Einrichtungen werden durch welche Maßnahme bei der Digitalisierung von Kultur- und Wissensgütern durch das Land Berlin unterstützt? Zu 3.: Zugleich mit dem Förderprogramm Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes ab 2012 wurde im Auftrag des Landes Berlin die „Servicestelle Digitalisierung “ (digiS) beim Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin etabliert. Die Servicestelle hat die Beratung und allgemeine Koordinierung von Digitalisierungsaktivitäten im Land Berlin übernommen. Sie begleitet das Förderprogramm Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes und unterstützt mit Workshops und Veranstaltungen die Digitalisierungsbemühungen der Kultureinrichtungen untereinander. Sie fungiert als Part- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 482 2 ner für die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) und erarbeitet ein Konzept sowie erste Servicekomponenten für die digitale Langzeitsicherung des kulturellen Erbe. Weiteres siehe unter Antwort zu 2. Die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften wird seit 2013 im Rahmen eines dreijährigen Projektes von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung durch die Finanzierung einer Geschäftsstelle des Interdisziplinären Forschungsverbundes „Digital Humanities“ unterstützt. An der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin werden im Rahmen der Förderung des Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Erstellung von Content für die Deutsche Digitale Bibliothek und die EUROPAEANA (über den Regierenden Bürgermeister von Berlin - Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten) Stoffmusterbücher digitalisiert. 4. Sind dem Senat rechtliche Konflikte zwischen der notwendigen und gewollten Nutzung digitalisierter Werke für Kultur, Wissenschaft und Bildung und geltenden gesetzlichen Regelungen zum Urheberrechtsschutz und allgemeinen Verwertungsrechten bekannt? a. Wenn Ja, welche sind das im Einzelnen? b. Wenn Nein, an welche Stelle des Landes können solche Konflikte gemeldet werden? Zu 4.: Im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbe handelt es sich weniger um rechtliche Konflikte, da alle Kulturinstitutionen im Rahmen des Förderprogramms Digitalisierung Berlin sich an die bestehenden Rechtslagen halten. Sehr wohl bestehen aber beträchtliche Aufwände, um sich als Institution überhaupt über seine Rechte klar zu werden, um die digitalen Objekte online veröffentlichen zu können. Das geltende Urheberrecht sowie einschränkende Nutzungs- und Verwertungsrechte be- bzw. verhindern die freie Nachnutzbarkeit digitaler Repräsentationen von Objekten im Netz. Derzeit gibt es keine zentrale Stelle, um rechtliche Konflikte zu melden. Im Rahmen des Förderprogramms Digitalisierung Berlin können Projektpartnerinnen und Projektpartner derzeit eine erste für sie kostenfreie Beratung durch eine Kanzlei in Anspruch nehmen. Hierbei handelt es sich nicht um eine umfassende Rechtsberatung. Die Idee ist, den Projektpartnerinnen und Projektpartnern eine Erstberatung zu bieten, damit diese einschätzen können, mit welchen Aufwänden sie bei der Digitalisierung und Online - Publikation in diesem Zusammenhang zu rechnen haben. Zudem gibt es regelmäßige Workshops bei digiS in Kooperation mit z. B. iRights, DDB, Wikimedia usw. zu rechtlichen Aspekten bei der Digitalisierung bzw. Online-Publikation. Eine Handreichung (-Rechtliche Rahmenbedingungen für Digitalisierungsprojekte von Gedächtnisinstitutionen) zu diesen Fragen ist ebenfalls entstanden und frei nutzbar (http://dx.doi.org/10.12752/2.0.002.2). 5. Wie unterstützt der Senat die Einrichtungen des Landes und der Bezirke bei der Bewältigung der unter 4. benannten Konflikte? Zu 5.: Vor allem durch das Förderprogramm Digitalisierung Berlin, siehe Antwort zu 4. 6. Welche Lizenzen nutzen die Einrichtungen des Landes und der Bezirke für die Verwendung digitalisierter Kultur- und Wissensgüter im Einzelnen mit welcher Begründung? Zu 6.: Die Nutzung von Lizenzen ist abhängig von der urheberrechtlichen bzw. verwertungs-/leistungsschutzrechtlichen Situation. Die Palette reicht von "Rechte vorbehalten - Freier Zugang" bzw. "Zugang nach Autorisierung " bis zu CC-Lizenzen. Zahlreiche Hochschulen verwenden CC-Lizenzen. Bei schutzwürdigen Daten werden die Zugangs- und Nutzungsrechte allerdings gelegentlich eingeschränkt. Dies gilt zum Beispiel für die Freie Universität Berlin. Auch die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, die Universität der Künste Berlin und die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin verwenden CC-Lizenzen. Als Begründung für die Nutzung von CC-Lizenzen wird von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin unter anderem angegeben, die Objekte seien aufgrund ihres Alters von mehr als 70 Jahren gemeinfrei und man wolle aus wissenschaftlichen Gründen solche Lizenzen fördern. Verwiesen wird hierbei auch noch auf das fehlende eigene Interesse an einer kommerziellen Verwertung. Einige Hochschulen schließen allerdings auch individuelle Lizenzverträge mit Datenbankanbietern zur Nutzung von digitalen Produkten ab, dies gilt beispielshalber für die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, die „Alice-Salomon“ – Hochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik Berlin und die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Wenige Hochschulen haben noch gar keine Lizenzen abgeschlossen, dies gilt zum Beispiel für die Humboldt-Universität zu Berlin und die Kunsthochschule Berlin (Weißensee) – Hochschule für Gestaltung. Als Begründung für diese Lizenzierungslücke werden von der Humboldt-Universität zu Berlin vor allem fehelende technische Voraussetzungen angegeben, welche allerdings zeitnah behoben werden sollen. 7. Nutzen die entsprechenden Einrichtungen des Landes Berlins und der Bezirke Creative-Commons- Lizenzen? a. Wenn Ja, in welchen Bereichen? b. Wenn Nein, warum nicht? Zu 7.: Ja, in der Regel als "NC" und/oder "ND", also non-commercial und/oder non-derivatives licences. a.: Für die Veröffentlichung im Netz. Für die Nachnutzung durch eine technikaffine Community. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 482 3 Um z.B. am Kulturhackathon "Coding da Vinci" teilnehmen zu können, haben einige der Projektpartnerinnen und Projektpartner erstmals freie Lizenzen eingesetzt. b.: Die Nichtnutzung der CC-Lizenzen leitet sich aus der vorliegenden Rechtesituation ab. Die Institutionen verfügen nicht über die entsprechenden Nutzungsrechte von Urhebern, um Digitalisate bzw. Daten unter einer CC-Lizenz verfügbar zu machen. 8. Ist die Förderung von offenen Lizenzen, wie Creative -Commons, zur Förderung der Nutzung und Weiterverwendung von Kultur- und Wissensgütern politisches Ziel des Senats? a. Wenn Ja, wie werden entsprechende Lizenzmodelle gefördert? b. Wenn Ja, wird hierbei auch die freie kommerzielle Nutzung gefördert? c. Wenn Nein, wie rechtfertigt der Senat diese Haltung ? Zu 8.: Siehe Antwort zu 4. und zu 7. 9. Ist dem Senat das Phänomen des „Copyfrauds“ bekannt, bei dem bei der Digitalisierung eigentlich gemeinfreier Güter neue Schutzrechte behauptet werden? a. Welche Erkenntnisse hat der Senat über diese Problemlage bei Digitalisierungsvorhaben in Berlin? b. Wie stellt der Senat bei Digitalisierungsvorhaben, die unter Beteiligung öffentlicher Einrichtungen oder mit öffentlichen Mitteln finanziert durchgeführt werden sicher , dass es nicht zu Copyfraud kommt? Zu 9.: Es wird davon ausgegangen, dass die Rechtslage dazu bekannt ist. Darüber hinaus haben nationale und internationale Wissenschafts- und Kultureinrichtungen die „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ vom 22. Oktober 2003, die u. a. auch das kulturelle Erbe in Archiven, Bibliotheken und Museen verwahrten Kulturguts einbezieht, unterzeichnet. Neben länderübergreifenden Institutionen wie u. a. Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Max-Planck-Gesellschaft sowie Berlin -Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gehören auch die Freie Universität Berlin, Humboldt- Universität zu Berlin, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und das Wissenschaftskolleg zu Berlin zu den Signatoren. 10. Haben sie dem noch etwas hinzuzufügen? Zu 10.: Nein. Berlin, den 16. Dezember 2015 In Vertretung Steffen Krach Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dez. 2015)