Drucksache 17 / 17 572 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 08. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Dezember 2015) und Antwort Studium im Knast – was geht, was geht nicht? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Inhaftierte absolvieren nach Kenntnis des Senats derzeit einen Studiengang an einer Hochschule bzw. Universität? Zu 1.: Im Wintersemester 2015/16 sind zwölf Inhaftierte für ein Studium immatrikuliert. 2. Nach welchen Vorschriften richtet sich der Umgang des Berliner Justizvollzugs mit Inhaftierten, die während ihrer Haftzeit studieren? Zu 2.: Nach § 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) soll die oder der Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Bildung ist die Grundvoraussetzung zur umfassenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern (§ 37 StVollzG). In der Geschäftsordnung für die Beschäftigung und Qualifizierung der Gefangenen sowie die Arbeitsverwaltungen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Berlin (GAV) vom 22. Juni 2015 ist unter der Nr. 5 (Schulische Qualifizierung) geregelt, dass Fernunterricht und Fernstudium schulische Qualifizierungsmaßnahmen sind, wenn sie der Erlangung des mittleren Schulabschlusses, der Fachschulreife, der Fachhochschulreife , der Hochschulreife oder eines Fachhochschul - oder Hochschulabschlusses dienen. Die Justizvollzugsanstalt hat in geeigneter Form zu überwachen und zu dokumentieren, dass die oder der Gefangene die geforderten Leistungen regelmäßig erbringt. 3. Mit welchen Universitäten und Hochschulen kooperiert der Senat in welcher Form, um das Studium im Justizvollzug zu fördern und zu erleichtern? Zu 3.: Ein Studium im geschlossenen Berliner Justizvollzug ist an der Fernuniversität Hagen möglich, mit der die Berliner Justiz eng kooperiert. 4. Welche formellen Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit einem Inhaftierten die Aufnahme bzw. Fortführung eines Studiums während der Haftzeit ermöglicht werden kann? Zu 4.: Die Genehmigung zur Aufnahme und Durchführung eines Fernstudiums und die Bereitstellung der nötigen technischen Infrastruktur erfolgt auf Antrag der oder des Inhaftierten unter Mitwirkung der für sie oder ihn vollzuglich zuständigen Mitarbeitenden der Justizvollzugsanstalt (JVA). Danach ist ein Antrag auf Einschreibung /Zulassung zum entsprechenden Semester der Fernuniversität Hagen zu stellen. Die Immatrikulation erfolgt in Zusammenarbeit mit der Fernuniversität. Ein Studienberater für Gefangene steht dort zur Verfügung. Mit der Studienberatung der Fernuniversität Hagen muss im Vorfeld geklärt werden, ob das Studium im angestrebten Studiengang unter den Rahmenbedingungen der JVA durchgeführt werden kann. Nicht alle Studiengänge sind dafür kompatibel. So sind z. B. Informatik-Studiengänge, bei denen den Studentinnen und Studenten Administratorenrechte auf den benutzten PC’s und neue Programmierumgebungen zugewiesen werden müssten, aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Vollzugsintern wird nach Aufnahme des Studiums die fachliche Betreuung der Studierenden (Studienberatung) sichergestellt. 5. Wie werden seitens des Justizvollzugs die technischen Voraussetzungen geschaffen (z.B. Bibliothekszugang , Arbeitsgeräte, Internetzugang, Software, Kommunikation mit Lehrenden und Mitstudierenden), um die Aufnahme bzw. Fortführung eines Studiums zu ermöglichen ? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 572 2 Zu 5.: Den studierenden Inhaftierten stehen PC- Arbeitsplätze zur Verfügung, an denen sie das Fernstudium durchführen können. Die Einrichtung der Hard- und Software und die nötigen Wartungsarbeiten werden von der Zentralen IT-Stelle des Justizvollzuges (ZIT) durchgeführt , ebenso die Anschaffung oder Ersatzbeschaffung von defekten Geräten sowie die Bereitstellung der Verbindung zur Lernplattform elis (eLearning im Strafvollzug ). Die elis-Lernplattform wird vom Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft gGmbH (IBI) betrieben und dient als abgesicherte Lernumgebung, in deren Rahmen die erforderlichen Internetseiten für den Zugang und das Studium an der Fernuniversität Hagen bereitgestellt werden. Die Lernplattform ist fast flächendeckend im deutschen Justizvollzug etabliert und bietet die technischen Voraussetzungen für eine einheitliche und den Sicherheitsanforderungen gemäße Schnittstellengestaltung für IT-basierte Studienangebote im geschlossenen Vollzug. Die IT-Stelle der Fernuniversität Hagen (ZMI) hat die Zuständigkeit für die Rollenzuweisung, in der inhaftierte Studierende sich auf den Benutzeroberflächen der Fernuniversität bewegen können. Die Studierenden können auf der sog. Moodle-Oberfläche der Fernuniversität lesend auf alle Foren zugreifen und mit Dozenten und dem Prüfungsamt kommunizieren. Für die Literaturbeschaffung können die inhaftierten Studierenden auf die Fernleihe genauso zugreifen, wie alle anderen extramural Studierenden, d. h. Bücher werden nach Anforderung bei der Ausleihe zugeschickt und nach Nutzung innerhalb der Leihfristen wieder zurückgesandt. 6. Welche sonstigen Maßnahmen hat der Senat ergriffen , um das Studium im Justizvollzug zu fördern und zu erleichtern? Zu 6.: Im Haushaltsplan 2016/2017 wurde die weitere Finanzierung der elis-Lernplattform und damit die fortgesetzte Bereitstellung der sicherheitsrelevanten Lernumgebung gesichert, so dass Fernstudien weiter ermöglicht werden können. 7. Welche formellen und praktischen Probleme für Inhaftierte bei der Absolvierung eines Studiums treten nach Kenntnis des Senats häufig auf? 8. Welche Möglichkeiten und Grenzen haben Plattformen wie Elis (eLearning im Strafvollzug) im Hinblick auf die Durchführung eines Studiums im Justizvollzug? Zu 7. und 8.: Das Fernstudium in einer JVA wird insbesondere durch die hohen Sicherheitsanforderungen beeinflusst. Die Anbindung der JVA an die Fernuniversität Hagen über die elis-Lernplattform garantiert die Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsstandards für den geschlossenen Vollzug und eine einheitliche Schnittstellengestaltung mit möglichst geringem Administratorenaufwand für alle beteiligten IT-Fachdienste. Die Mitarbeitenden in den JVA‘en, beim IBI, der Zentralen IT-Stelle (ZIT), dem ITDZ und der Fernuniversität Hagen sind sehr engagiert, eine gute Studiendurchführung zu gewährleisten und in Einzelfällen auftretende Probleme, z. B. bei der Einrichtung von Berechtigungen und Zugängen, der Zwischenspeicherung von Dokumenten, der Freischaltung von gesicherten E-Mail-Verbindungen und für das Studium erforderliche Webseiten oder die Bereitstellung spezieller Lernmodule schnellstmöglich zu beheben. Beim Abruf größerer Datenmengen und gleichzeitiger Nutzung der Lerninhalte durch die Studierenden stößt die Kapazität der DSL-Anschlussleitung mitunter an ihre Grenzen und hat in jüngster Vergangenheit zeitweise zu Problemen im flüssigen Aufbau der Webseiten geführt. 9. Trifft es zu, dass die Umstellung des Datenzugangs für Studierende im Justizvollzug auf die Plattform Elis zu Einschränkungen für Berliner Inhaftierte im Hinblick auf die Teilnahme am Studium geführt hat und wenn ja, was tut der Senat, um Abhilfe zu schaffen? Zu 9.: Die Probleme, die im Zuge der notwendigen Umstellung entstanden sind, sind zwischenzeitlich gelöst worden. Berlin, den 18. Dezember 2015 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Dez. 2015)