Drucksache 17 / 17 590 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Heiko Thomas (GRÜNE) vom 10. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Dezember 2015) und Antwort Wann ist mit einer angemessenen Gesundheitsversorgung für geflüchtete Menschen in Berlin zu rechnen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viel Geld hat das Land Berlin im Jahr 2015 vom Bund für die Versorgung geflüchteter Menschen erhalten und warum sind bisher keine Mittel für die gesundheitliche Versorgung der geflüchteten Menschen vor ihrer Registrierung bereitgestellt worden (insbesondere für die Versorgung mit Medikamenten und die Bezahlung von ehrenamtlich tätigen Ärzt/-innen)? Zu 1.: Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen im Jahr 2015 pauschal mit 2 Mrd. Euro bei den Kosten für Asylsuchende und Flüchtlinge. Diese Unterstützung wird über eine Änderung der Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund und Ländern umgesetzt. Der Anteil des Landes Berlin für das Jahr 2015 liegt bei ca. 110 Mio. Euro. Alle Flüchtlinge, auch jene, die noch nicht registriert worden sind, sollen an der gesundheitlichen Fürsorge im Land Berlin teilhaben können. Beispielsweise wurden hierfür Klinikkooperationen (u. a. mit Sprechstundenregelungen vor Ort in den Unterkünften ) getroffen. Ein geregeltes vertragliches Verfahren wird in diesem Zusammenhang seit Dezember 2015 schrittweise umgesetzt. Ferner wurden sogenannte Med- Punkte in einigen Einrichtungen etabliert. 2. Warum haben wiederholte Hilferufe und Forderungen der Berliner Ärztekammer sowie Aufforderungen über den Berliner Flüchtlingsrat nicht dazu geführt, dass Stellen mit ausreichend Kapazität eingerichtet wurden, um die Flüchtlinge medizinisch zu versorgen? Zu 2.: Die Forderungen der Berliner Ärztekammer bezogen sich auf das Campusmanagement in der Turmstraße 21 und haben inzwischen dazu geführt, dass die medizinische Versorgung in der Turmstraße nachhaltig verbessert werden konnte. Es besteht unter anderem eine vertraglich geregelte Kooperation zwischen dem Land Berlin und der Charité. 3. Es liegen einige Lösungsvorschläge aus der Praxis vor, so etwa das Konzept des Amtsarztes von Berlin Mitte aus dem Dezember 2014, ein entsprechender Beschluss im Rat der Bürgermeister oder das aktuelle Konzept der Amtsärzt/-innen – warum werden diese nicht innerhalb angemessener Zeit umgesetzt? Zu 3.: Das Konzept der Amtsärztinnen und Amtsärzte zur Rolle des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) bei der Betreuung von Asylsuchenden liegt im Entwurf vor und wurde von den Berliner Gesundheitsämtern mehrheitlich angenommen. Gemäß dem Konzept koordinieren die Gesundheitsämter die medizinische Versorgung vor Ort entsprechend der vorhandenen Möglichkeiten und fungieren als Lotsen für die Asylsuchenden, um diese in das Regelsystem zu integrieren. Die Bezirke befinden sind mit der Senatsverwaltung für Finanzen in der Abstimmung für die notwendigen Ressourcen. 4. Ist definitiv mit der Einführung der Gesundheitskarte zum 1. Januar 2016 zu rechnen? Zu 4.: Die ersten Anmeldungen bei den Krankenkassen sollen planmäßig am ersten Werktag des neuen Jahres vorgenommen werden. Die in der Bundesallee registrierten Asylsuchenden erhalten von diesem Zeitpunkt an keinen Behandlungsschein, sondern einen befristeten Anspruchsnachweis und den Abholschein für die elektronische Gesundheitskarte, die ca. drei Wochen später abgeholt werden kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 590 2 5. Werden durch die Gesundheitskarte gewährte Leistungen der gesundheitlichen Versorgung gemäß §§ 4 und 6 AsylbLG eingeschränkt bleiben oder ergreift das Land Berlin – wie beim Bremer Modell – die Chance den Leistungskatalog grundsätzlich analog zu GKV-Leistungen so zu definieren, dass eine Gesundheitsversorgung nach Gesichtspunkten des medizinisch Notwendigen gewährleistet ist? Zu 5.: Die Leistungen orientieren sich an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). 6. Wird die Gesundheitskarte für den Personenkreis der Asylsuchenden eine für die behandelnden Ärzt/-innen sichtbare Kennzeichnung enthalten oder wird erwogen die Karte lediglich, wie beim Bremer Modell, durch eine spezielle Versichertennummer zu kennzeichnen und so eine Stigmatisierung der Asylsuchenden und eine daraus resultierende Verunsicherung der Ärzt/-innen zu vermeiden ? Zu 6.: Die elektronische Gesundheitskarte enthält keine sichtbare ausdrückliche Kennzeichnung, die die Unterscheidung ermöglicht. 7. Hält der Senat die medizinische Erstuntersuchung in den Notunterkünften durch Sanitäter/-innen tatsächlich für ausreichend und medizinisch vertretbar? Zu 7.: Für die ärztliche Gesundheitsuntersuchung gemäß § 62 Asylgesetz (AsylG) ist ärztliche Expertise erforderlich . Ein hiervon unabhängiges, ergänzendes Vorscreening durch Sanitäterinnen und Sanitäter in den Notunterkünften kann fachlich sinnvoll sein, wenn die Erstuntersuchung nicht unmittelbar vor der Belegung erfolgen kann. Das Vorscreening ersetzt nicht die Untersuchung nach § 62 AsylG. 8. Wie verantwortet der Berliner Senat den Umstand, dass die Rechnungen von Betreibern einiger Notunterkünfte nicht beglichen werden angesichts der anhaltenden Notwendigkeit auch in naher Zukunft engagierte und verlässliche Betreiber zu finden? Zu 8.: Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit den Betreiberinnen und Betreibern ein optimiertes Abrechnungsverfahren entwickelt, dessen zeitnahe Umsetzung Ziel des Senats ist. 9. Ist es das Anliegen des Senats eine Lösung für die Gesundheitsversorgung geflüchteter Menschen zu finden oder verwaltet er nur den Notstand? Zu 9.: Die gesundheitliche Versorgung der geflüchteten Menschen wird durch die ständige Erarbeitung und Umsetzung zielführender Konzepte kontinuierlich verbessert . Hierdurch wird das Anliegen des Senats, eine Lösung für die derzeitige Situation zu finden, verifiziert. Berlin, den 28. Dezember 2015 In Vertretung Dirk Gerstle _____________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Dez. 2015)