Drucksache 17 / 17 620 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Gabriele Hiller (LINKE) vom 16. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Dezember 2015) und Antwort Berlin Marathon in Turbulenzen? Was tut der Senat, um Interessenkonflikte des Sport- Staatssekretärs und SCC-Präsidenten auszuschließen? (1) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Absicht der Golazo Sports GmbH, in Berlin einen weiteren großen Marathon, den „Freedom Marathon Berlin“, auszurichten, der erstmals am 15. Mai 2016 stattfinden soll? Zu 1.: Grundsätzlich begrüßt der Senat Initiativen für Sportveranstaltungen in Berlin, unabhängig davon, ob sie von förderungswürdigen Sportorganisationen nach dem Sportfördergesetz oder von gewerblichen Veranstaltern durchgeführt werden. 2. Wie bewertet der Senat speziell aus sportfachlicher Sicht die Absicht der Etablierung eines zweiten großen Marathons auf Berlins Straßen 3. Inwieweit sieht der Senat mit der Etablierung einer zweiten großen Marathonveranstaltung in Berlin eine Konkurrenzsituation zweier Veranstalter und Veranstaltungen und wie positioniert der Senat sich dazu? Zu 2. und 3.: Sportveranstaltungen werden sportfachlich im Gesamtkontext von sportlichen Großveranstaltungen betrachtet und an den Kriterien der Realisierbarkeit und der Stadtrendite gemessen. Der Berlin Marathon, der mit seiner internationalen Ausstrahlung zu den Leuchtturmveranstaltungen zählt, prägt seit Jahren erfolgreich die Sportmetropole Berlin. Das positive Image ist nicht zuletzt dadurch entstanden, dass mehr als 5.000 Berlinerinnen und Berliner sich jedes Jahr dafür ehrenamtlich engagieren, mehrere hunderttausend die Straßen säumen und für Begeisterung sorgen, sich also die Bürgerinnen und Bürger mit der Veranstaltung identifizieren. Die Teilnehmer- und Gästezahlen sind enorm. Neben einer großen Breitensportbewegung ist der Berlin Marathon ein Rahmen für sportliche Spitzenleistungen , durch die auch eine hohe mediale Aufmerksamkeit erzielt wird. Er liefert mit den positiven Bildern der Stadt, dem weltweiten Medieninteresse, dem hohen Tourismuswert sowie der Verankerung bei den Bürgerinnen und Bürgern einen erheblichen Beitrag im Sinne einer Stadtrendite. Ein möglicher zweiter großer Marathon dürfte durchaus ein entsprechendes Teilnehmerinteresse hervorrufen, im Bereich des Engagements von Helferinnen und Helfern und in der öffentlichen Wahrnehmung könnte allerdings ein gewisser Ermüdungs- und damit Kannibalisierungseffekt erfolgen. Sportliche Spitzenleistungen auf Weltniveau sind nicht zu erwarten, da das bisherige Veranstaltungsformat , in das der mögliche zweite Marathon eingebettet ist, darauf nicht ausgelegt ist. Ein möglicher zweiter großer Marathon ist zudem aber auch in Konkurrenz mit weiteren potenziellen (Sport- )Veranstaltungen im öffentlichen (Straßen-)Raum zu sehen. Die Möglichkeiten und die Bereitschaft der zuständigen Behörden zu Genehmigungen weiterer (Sport- )Veranstaltungen bzw. deren zeitlicher Ausdehnung sind vor dem Interesse der Öffentlichkeit an einer uneingeschränkten Nutzung des öffentlichen Raums insgesamt begrenzt. 4. Wer entscheidet über die Durchführung des „Freedom Marathon Berlin“, wer ist genehmigende Behörde und wie ist der Genehmigungsstand? Zu 4.: Die Verkehrslenkung Berlin (VLB) ist Erlaubnisbehörde für Veranstaltungen auf öffentlichem Straßenland gemäß § 29 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO) im Hauptverkehrsnetz. Diese straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis inkludiert nach der Zuständigkeitskonzentration des § 13 Berliner Straßengesetzes (BerlStrG) auch die straßenrechtliche Erlaubnis zur Sondernutzung. Die Belange des Straßenbaulastträgers - hier also der Bezirke als Straßenlandeigentümer - und der Polizei werden im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung entspre- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 620 2 chend berücksichtigt. Der Antrag liegt der VLB seit Ende November 2015 vor. Die Stellungnahmen der zuständigen Bereiche (insbesondere Polizei, Feuerwehr, Bezirke) sind bereits angefordert worden – ein Rücklauf liegt noch nicht vor. 5. Welche Rolle spielt bei der Entscheidung über die Genehmigung des „Freedom Marathon Berlin“ die Absicht des Veranstalters, einen Teil der Einnahmen karitativen Zwecken zukommen zu lassen? Zu 5.: Keine. 6. Welche Kriterien gelten für die Entscheidung für bzw. gegen die Durchführung des „Freedom Marathon Berlin“? Zu 6.: Keine anderen als bei anderen sportlichen Großveranstaltungen. Die Erteilung der Erlaubnis steht im pflichtgemäßen Ermessen der Erlaubnisbehörde. Öffentliche Interessen der Stadt, die für und gegen eine solche Großveranstaltung sprechen können, fließen insoweit in die Einzelfallentscheidung ein. Bei Veranstaltungen, die große Beeinträchtigungen für den Gemeingebrauch mit sich bringen, oder zentrale oder besonders nachgefragte Örtlichkeiten in Anspruch nehmen wollen, wird regelmäßig auch ein hohes öffentliches Interesse der Stadt für die Veranstaltung vorausgesetzt. 7. Wie viel Marathon verträgt die Stadt aus Sicht des Senats und was haben Berlin und speziell der Berliner Sport davon? Zu 7.: Marathon-Veranstaltungen und weitere Sportveranstaltungen sind hinsichtlich ihrer Verträglichkeit auch im Zusammenhang mit allen weiteren Veranstaltungen (z.B. im kulturellen oder wirtschaftlichen Bereich) im öffentlichen Straßenbereich zu sehen. Insgesamt sind Einschränkungen im Verkehr für die Berliner Bevölkerung belastungsverträglich abzuwägen. Eine konkrete Größenordnung als Belastungsgrenze für Marathonveranstaltungen ist daher nicht zu benennen. Im Sinne einer Vielfalt würden positive Auswirkungen auf den Berliner Sport eher bei im öffentlichen Raum bislang weniger vertretenen Sportarten oder innovativen Veranstaltungsformaten gesehen als bei weiteren Laufveranstaltungen . Unabhängig von der Frage, um was für eine Art von Sportveranstaltung oder sonstige Großveranstaltung es sich handelt, muss bei jeder Veranstaltung, die öffentliches Straßenland in Anspruch nehmen soll, geprüft werden , ob die Stadt diese Veranstaltung unter verkehrlichen Gesichtspunkten noch verträgt. 8. Inwieweit treffen Pressemeldungen über Äußerungen seitens der SCC EVENTS GmbH zu, wonach seitens des Senats „ein Mehr an sportlichen Großveranstaltungen in Berlin nicht gewünscht ist.“ (Tagesspiegel vom 03.12.2015)? Was sagt der Senat und speziell die für Sport verantwortliche Senatsverwaltung dazu? Zu 8.: Berlin will auch zukünftig seinen Rang als Sportstadt Nr. 1 in Deutschland und international anerkannte Sportmetropole behaupten. Dafür gilt es ein ausgewogenes Veranstaltungsportfolio zu entwickeln. Kriterien der Stadtrendite werden hierfür ebenso herangezogen wie die technische Machbarkeit und Umsetzung von Großveranstaltungen, die sich aber nicht an Obergrenzen fest machen lässt. Die diesbezüglich in den Pressemeldungen enthaltene Aussage, dass seitens des Senats ein Mehr an sportlichen Großveranstaltungen in Berlin nicht gewünscht ist, trifft daher nicht zu. 9. Trifft es zu, dass der Senat die Ausrichtung eines Triathlon-Wettbewerbs in Berlin abgelehnt hat und wenn ja, welche Gründe gab es dafür? Zu 9.: Im Zuge des Anhörungs- und Erlaubnisprüfverfahren wurde eine ermessensgerechte Abwägung vorgenommen . Dabei überwog das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs der öffentlichen Straßen gegenüber dem privaten Interesse des Veranstalters des "Ironman Berlin 2014" an der Durchführung. Die Auswirkungen der Veranstaltung für die Berliner Bevölkerung wären erheblich gewesen, dagegen stand das Interesse von ca. 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. 10. Auf welche Art und Weise und durch wen ist der Senat in die Entscheidung über die Durchführung des geplanten „Freedom Marathon Berlin“ involviert? Zu 10.: Die VLB als Erlaubnisbehörde holt Stellungnahmen der zuständigen Bereiche (insbesondere Polizei, Feuerwehr, Bezirke) ein. Im Zuge eines Anhörungs- und Erlaubnisprüfungsverfahrens fließen diese in die Entscheidung ein. 11. Wie wird der Senat verhindern, dass der Eindruck entsteht, dass die Doppelfunktion des Staatssekretärs für Sport die Senatsbemühungen und Entscheidungen um einen zweiten großen Marathonlauf in Berlin beeinflusst? Zu 11.: Herr Staatssekretär Statzkowski wird mit Verwaltungsvorgängen, die den SC Charlottenburg e. V. (SCC e.V.) und dessen GmbH betreffen, nicht befasst und § 20 Verwaltungsverfahrensgesetz wird strikt beachtet. Berlin, den 23. Dezember 2015 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Dez. 2015)