Drucksache 17 / 17 622 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Lompscher (LINKE) vom 16. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Dezember 2015) und Antwort Barrierefreie Straßen in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie wird der nach § 7 des Berliner Straßengesetzes bestehende gesetzliche Auftrag, die Belange von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen, im Verwaltungshandeln bei der Unterhaltung und Anlage von Straßen und Wegen umgesetzt? Frage 3. Inwieweit greifen die Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege (AV Geh- und Radwege) auch bei der Reparatur von Straßen und wie ist der Begriff der „Herstellung“ laut AV konkret zu verstehen? Antwort zu 1 und 3: Gemäß § 7 des Berliner Straßengesetzes sind die öffentlichen Straßen im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Trägers der Straßenbaulast so zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern, zu verbessern oder zu ändern, dass sie dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügen. In diesem gesetzlichen Rahmen werden auch die Maßnahmen zur barrierefreien Gestaltung des öffentlichen Straßenlandes umgesetzt. Die bau- und entwurfstechnischen Details der barrierefreien Straßenraumgestaltung sind in den Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes über Geh- und Radwege (AV Gehund Radwege) in der Fassung vom 16. Mai 2013, veröffentlicht im Amtsblatt für Berlin Nr. 25, S. 1084. Ergänzende Regelungen finden sich in den Richtlinien, Empfehlungen und Hinweisen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, die den bundesweit geltenden Stand der Technik beinhalten. Hier sind insbesondere die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) zu nennen, die im Land Berlin verbindlich eingeführt wurden. Die vorgenannten Gesetze, Vorschriften und Richtlinien dienen bei Geh- und Radwegen, für die Berlin Träger der Baulast ist, als planerische bzw. bauliche Vorgabe . Somit sind die Belange von Menschen mit Behinderungen grundsätzlich bei der Anlage von Straße und Wegen sowie bei deren Unterhaltung immer zu berücksichtigen . Der Begriff „Herstellung“ wird in den AV Geh- und Radwege im Zusammenhang mit technischen Bauvorschriften verwendet, die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur bekannt gegeben und von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt für den Straßenbau im Land Berlin eingeführt wurden . Er beschreibt hier den Neubau und die grundhafte Erneuerung von Befestigungen im Bereich von Geh- und Radwegen. Nicht darunter fallen Leistungen zur Beseitigung von kleinflächigen Schadstellen (Reparaturarbeiten), die im Rahmen der Straßenüberwachung festgestellt und zur Gewährleistung eines verkehrssicheren Zustands ausgeführt werden (laufende Unterhaltung). Diese führen in der Regel nicht zum Umbau oder zur baulichen Veränderung eines Geh- oder Radweges. Frage 2: Wie viele Straßenkilometer und welcher Straßenanteil gelten als im Sinne des Berliner Straßengesetzes barrierefrei errichtet und umgebaut? Antwort zu 2: Das Land Berlin führt keine Statistik über den Bestand des öffentlichen Straßenlandes, aus der Aussagen zur Beantwortung dieser Frage abgeleitet werden können. Die detaillierten Festlegungen zur barrierefreien Gestaltung des öffentlichen Straßenlandes wurden erstmals 1994 unter Beteiligung der Behindertenverbände zur Berücksichtigung der Belange mobilitätsbehinderter als auch blinder sowie sehbehinderter Menschen vereinbart und als „Berliner Standard“ in die damaligen AV Gehund Radwege aufgenommen. Somit müssen seit diesem Zeitpunkt die Aspekte der barrierefreien Straßenraumgestaltung bei Baumaßnahmen im öffentlichen Straßenland beachtet und umgesetzt werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 622 2 Frage 4: Wie wird die im Berliner Straßengesetz formulierte Anforderung einer Auftrittshöhe von in der Regel 3 Zentimetern für Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen und sonstige für den Fußgängerverkehr bestimmte Übergangsstellen im bestehenden eingehalten? Antwort zu 4: Abweichungen von den in den AV Geh- und Radwege genannten Auftrittshöhen sind nur bis zur maximalen Höhentoleranz gemäß der technischen Norm des verwendeten Bordsteins zulässig. Diese betragen 5 mm bei Betonborden und bis zu 10 mm bei Natursteinborden . Frage 5: Formulieren das Land bzw. die Bezirke in Ausschreibungen darüber hinaus zusätzliche Anforderungen an die Barrierefreiheit des Straßenraumes, und wenn ja, welche? Antwort zu 5: Außer den in den AV Geh- und Radwege formulierten Regelungen zur barrierefreien Gestaltung des öffentlichen Straßenlandes gibt es weitere diesbezügliche Standards, die beispielsweise für den Bau und Betrieb von Lichtsignalanlagen oder bei der Herstellung von Straßenbahnanlagen zu beachten sind. So sind bereits seit Ende der 90er Jahre alle Neu- und Ersatzbauten von Lichtsignalanlagen barrierefrei mit Blindensignalisierung auszustatten. Frage 6: Wie wird die Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) bezogen auf barrierefreien Straßenraum in Berlin umgesetzt, wer kontrolliert die Einhaltung und wie werden Abweichungen begründet? Antwort zu 6: Die RASt 06 wurde mit dem Rundschreiben vom 03. Dezember 2007 im Land Berlin als verbindliche Richtlinien eingeführt. Sie behandeln alle wesentlichen Aspekte des Entwurfs und der Gestaltung von innerstädtischen Erschließungs- und Hauptverkehrsstraßen , wobei das Thema Barrierefreiheit nicht gesondert betrachtet wird. Im Einführungserlass ist geregelt, dass ein Abweichen von den Festlegungen der RASt 06 immer dann geboten ist, wenn die aus der Abwägung entwickelte Lösung den konkurrierenden Belangen insgesamt besser gerecht wird. Die konkreten Festlegungen in den AV Geh- und Radwege sind hierbei zu beachten und bedürfen bei Abweichungen der Zustimmung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Frage 7: In welcher Form besteht ein berlinweites bzw. bezirkliches Monitoring über den Zustand, den Sanierungsbedarf und die Barrierefreiheit des öffentlichen Straßenlandes? Antwort zu 7: Die Verantwortung für den verkehrssicheren Zustand und den Erhalt der Bausubstanz Berliner Straßen ist auf die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und die Straßen- und Grünflächenämter der Berliner Bezirke aufgeteilt. Die regelmäßige Befahrung und Kontrolle der im Zuständigkeitsbereich der Senatsverwaltung liegenden Strecken des Bundesfernstraßennetzes (Auftragsverwaltung des Bundes) werden auf Kosten und entsprechend des Regelwerkes des Bundes ausgeführt . Die routinemäßige Überwachung der Berliner Stadtstraßen ist durch die Ausführungsvorschriften zu § 7 des Berliner Straßengesetzes – Kontrolle des baulichen Zustandes der öffentlichen Straßen Berlins – (AV Straßenüberwachung ) vom 14. Juli 2010 geregelt. Daraus leiten sich Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherungspflicht sowie kurz und mittelfristige Sanierungs - und Erhaltungsmaßnahmen ab. Zur Erfassung der Barrierefreiheit werden dabei [in der Regel] die akuten Veränderungen im öffentlichen Straßenraum (z. B. Aufgrabungen , Sondernutzungen) erfasst und sich daraus ergebene notwendige Maßnahmen veranlasst. Derzeit wird ein berlinweites Erhaltungsmanagement (EMS) für die Stadtstraßen aufgebaut. Für dieses wird gegenwärtig die netzweite Zustandserfassung (Ersterfassung ) durchgeführt. Jedoch wird dieses Werkzeug erst mit Vorliegen der nächsten Erfassungskampagne voll wirksam . Ein Ziel der berlinweiten Erfassung des öffentlichen Straßenlandes ist es, ein Reiseinformations- und Zielführungssystem für blinde und sehbehinderte Menschen (m4guide) zu schaffen, das auf den erforderlichen Informationen zur Barrierefreiheit beruhen wird. Frage 8: In wie vielen Fällen bestehen derzeit Anordnungen , bis zur Wiederherstellung des verkehrssicheren Zustands eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer auszuschließen und für eine alsbaldige Wiederherstellung des verkehrssicheren Zustands der Straße zu sorgen (bitte nach Bezirken auflisten)? Antwort zu 8: Unter der Annahme, dass sich die Fragestellung auf die derzeit in den einzelnen Berliner Bezirken bestehenden verkehrsrechtlichen Anordnungen zu Tempobeschränkungen oder Hinweisen hinsichtlich der vorhandenen Straßen- und Gehwegschäden bezieht, wurden die einzelnen Bezirke dazu schriftlich befragt. Die Ergebnisse der Abfrage sind in der folgenden Auflistung zusammengestellt: Bezirk Mitte 9 Hinweise auf Straßenschäden 11 Hinweise auf Gehwegschäden Bezirk Neukölln 10 Straßenabschnitte mit Geschwindigkeitsbeschränkungen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 622 3 Bezirk Lichtenberg 4 Straßen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen Bezirk Steglitz-Zehlendorf 40 Straßen[abschnitte] mit Hinweisen auf Gehwegschäden Bezirk Spandau 4 Straßenabschnitte mit Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h 2 Straßenabschnitte mit Verkehrsverbot für Lkw diverse unbefestigte Straßen in West-Staaken mit Geschwindigkeitsreduzierung auf 10 km/h Frage 9: Welche finanziellen Mittel stehen dem Land und den Bezirken für den barrierefreien Straßenumbau in den Jahren 2016 und 2017 zur Verfügung, wie hoch waren die Ansätze 2012 bis 2015 und wie hoch sind die tatsächlichen Ausgaben in den Jahren 2012 bis 2015? Antwort zu 9: In den Jahren 2016 und 2017 stehen dem Land jährlich 1,75 Mio. € für den barrierefreien Straßenumbau zur Verfügung (Kapitel 1270, Titel 521 22). Die Bezirke hatten und haben in den Jahren 2012 bis 2017 keine gesondert ausgewiesenen finanziellen Mittel für den barrierefreien Straßenumbau. Das Land und die Bezirke führen allgemeine Straßenumbaumaßnahmen und Straßeninstandsetzungsarbeiten grundsätzlich barrierefrei aus. Wie hoch der finanzielle Anteil der Barrierefreiheit an den Gesamtkosten von Straßenumbaumaßnahmen ist, wird nicht erfasst. Speziell für den barrierefreien Straßenumbau standen dem Land in den Jahren 2012 und 2013 jährlich 1 Mio. € zur Verfügung. Davon wurden 741 T € bzw. 780 T € für Bordsteinabsenkungen eingesetzt. 2014 und 2015 standen dem Land jährlich 1,35 Mio. € für den barrierefreien Straßenumbau zur Verfügung. Davon wurden 779 T € bzw. 597 T € für Bordsteinabsenkungen eingesetzt. Berlin, den 30. Dezember 2015 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Jan. 2016)