Drucksache 17 / 17 625 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 17. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dezember 2015) und Antwort Luftqualität und KfZ-Verkehr – Überschreitungen der Grenzwerte für Feinstaub, Ozon und Stickstoffdioxid im Jahr 2015 Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: An welchen Messstellen im Berliner Stadtgebiet wurden an welchen Tagen des Jahres 2015 die Grenzwerte für Feinstaub (PM10), Stickstoffdioxid (NO2) und Ozon (O3) überschritten? (Bitte nach Messstellen und Tagen aufschlüsseln? Antwort zu 1: Da die Grenzwerte als Jahreskenngrößen definiert sind, kann die Grenzwerteinhaltung erst nach Ablauf des Kalenderjahres sowie nach Durchführung einer Qualitätsprüfung der Messwerte beurteilt und die Frage daher nur rudimentär beantwortet werden: Hinsichtlich der Grenzwerte für NO2 ist, wie in den vergangenen Jahren, wieder mit einer Einhaltung des Kurzzeitgrenzwertes (18 Überschreitungen eines 1h- Mittels von 200 µg/m³ im Kalenderjahr) und einer Überschreitung des Grenzwertes für den Jahresmittelwert für alle sechs Verkehrsmessstellen zu rechnen. Für PM10 wird der Grenzwert für das Jahresmittel an allen Stationen eingehalten. Für die zulässige Überschreitung des Grenzwertes für das Tagesmittel (35 erlaubte Überschreitungen eines Tagesmittels von 50 µg/m³ im Kalenderjahr) ist derzeit keine Aussage möglich. Bislang (Stand 28.12.15) gab es noch keine Überschreitung. Wie bereits in der Schriftlichen Anfrage 17/15431 in der Antwort zu Frage 1 und 2 dargelegt, gibt es für Ozon, das nur im Sommer in höheren Konzentrationen auftritt, keine verbindlich einzuhaltenden Grenzwerte, sondern nur Zielwerte, die für die lokale Luftreinhalteplanung keine Bedeutung haben. Im vergangenen Sommer gab es wie in den Vorjahren keine Überschreitung der Zielwerte. Frage 2: Ist eine Ausweitung der Messstellen zur Luftqualität, insbesondere zur NO2-Belastung, geplant, um ein differenzierteres Bild zur Schadstoffbelastung in der Luft zu erhalten, und wenn nein, warum nicht? Antwort zu 2: Berlin betreibt mit 16 automatischen, kontinuierlichen Messstellen, z.B. für NO2, bereits deutlich mehr Stationen als die EU-Luftqualitätsrichtlinie fordert, u.a. um belastbare Aussagen über die Wirkung der eingeleiteten Maßnahmen zu ermöglichen. Mit den zusätzlich an 30 Messpunkten, davon 28 in Hauptverkehrsstraßen exponierten kleinen Sammelgeräten zur Bestimmung der Stickoxide und der Rußkonzentration wird in Kombination mit periodisch durchgeführten Simulationsrechnungen seit mehr als 10 Jahren bereits ein überaus differenziertes Bild der Schadstoffverteilung in der Stadt erzeugt. Frage 3: Wie bewertet der Senat die Entwicklung der Feinstaub-, Ozon- und Stickstoffdioxidbelastung gegenüber den in Drs. 17/15431 dargestellten Messwerten? Antwort zu 3: Auch wenn eine Bilanz des Jahres 2015 noch nicht abschließend gezogen werden kann, ist absehbar , dass die Feinstaubbelastung unter dem Niveau des Vorjahres liegen wird. Auch bei NO2 deutet sich ein Rückgang an, der an der Messstelle Hardenbergplatz besonders deutlich ausfällt und womöglich auf die in diesem Jahr durchgeführte Nachrüstung von über 200 BVG-Doppeldeckerbussen mit zusätzlichen Stickoxidkatalysatoren , der Verbesserung der Wirksamkeit bereits vorhandener Stickoxid-Filtersysteme an mehr als 150 Eindeckerbussen und dem umfangreichen Neukauf und Einsatz emissionsarmer Fahrzeuge der neuen Euro VI Norm zurückzuführen ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 625 2 Belastbare Aussagen sind erst nach Ablauf des Kalenderjahres , nach der Fertigstellung der im Labor zu analysierenden Proben, der sich anschließenden Qualitätsprüfung der Messwerte und nach genauerer Auswertung der Daten mit Blick auf externe Faktoren wie Meteorologie, Verkehrsaufkommen und Schadstoffeintrag aus Gebieten außerhalb Berlins möglich. Frage 4: Welche Konsequenzen für die Wirksamkeit bisheriger Maßnahmen zur Luftreinhaltung zieht der Senat aus der Tatsache, dass die nach EU- Luftqualitätsrichtlinie seit 2011 verbindlichen Feinstaubgrenzwerte und die seit 2015 verbindlichen Grenzwerte für Stickstoffdioxid nicht eingehalten werden können? Antwort zu 4: Was Feinstaub angeht, konnten Dank der vom Senat in den letzten Jahren umgesetzten Maßnahmen die Grenzwerte in den Jahren 2007, 2008, 2012 und 2013 eingehalten und der von Berliner Quellen erzeugte Beitrag zur Gesamtbelastung von ursprünglich mehr als 50% auf nur 30% reduziert werden. Nicht zuletzt deshalb blieb die Feinstaubkonzentration dieses Jahr bislang unterhalb der Grenzwerte. Ein vom Senat nicht beeinflussbares Problem ist der Anteil aus Quellen außerhalb Berlins, vor allem aus dem Nachbarland Polen. Um dennoch den Berliner Beitrag zur Feinstaubbelastung vor allem durch krebserregende Rußpartikel weiter zu verringern , setzt der Senat seine seit Jahrzehnten verfolgte Politik „Kein Diesel ohne Filter“ fort, in dem in zwei Stufen ab Jahresbeginn 2016 für Baumaschinen, die auf Baustellen der öffentlichen Hand zum Einsatz kommen sollen, die modernste Abgasstufe oder die Nachrüstung mit einem Rußfilter verlangt wird. In Bezug auf Stickstoffdioxid und diesbezügliche Aktivitäten des Senats wird auf die Antwort zu den Fragen 4 und 7 der Schriftlichen Anfrage 17/17330 und zu den Fragen 3, 7 bis 11 der Schriftlichen Anfrage 17/17329 verwiesen. Frage 5: Welche über die in Drs. 17/15431 genannten Maßnahmen hinausgehenden Schritte hat der Senat im Jahr 2015 unternommen, um die luftverunreinigenden Emissionen des motorisierten Individualverkehrs wirksam zu verringern? Antwort zu 5: Der Berliner Senat arbeitet weiterhin an der konsequenten Umsetzung der vielfältigen, zur Stärkung des Umweltverbundes (Rad-, Fußverkehr und ÖPNV) vorgesehenen Maßnahmen im Stadtentwicklungsplan Verkehr, wie sie u. a. in der o. g. Schriftlichen Anfrage ausgeführt sind. Darüber hinaus unterstützt der Berliner Senat die BVG mit erheblichen Mitteln aus dem Landeshaushalt. So werden der BVG angesichts der wachsenden Stadt in den nächsten Jahren zusätzliche Mittel für Taktverdichtungen bei Bussen und Straßenbahnen und für Neuanschaffungen zur Modernisierung der Flotte der U-Bahnen und Straßenbahnen zur Verfügung gestellt. Die finanzielle Unterstützung des ÖPNV aus dem Berliner Landeshaushalt wird auch weiterhin eine moderate Tarifpolitik ermöglichen und damit die Attraktivität des ÖPNV erhöhen. Als weitere beispielhafte Maßnahme für 2015 kann der Abschluss eines umfassenden Vergabeverfahrens zum Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im öffentlichen Raum genannt werden, deren Umsetzung bereits begonnen hat. Frage 6: Hält der Senat eine Einhaltung der geltenden EU-Grenzwerte zur Luftqualität für möglich, ohne den motorisierten Individualverkehr zugunsten des Umweltverbunds zu reduzieren? Antwort zu 6: Allein durch die Modernisierung der Fahrzeugflotte hin zu emissionsarmer Antriebstechnik kann die gesetzlich verankerte Verpflichtung, die Luftqualitätsgrenzwerte so schnell wie möglich einzuhalten, nicht erreicht werden. Es ist daher schon seit Langem verkehrsplanerisches Ziel des Senats, im Rahmen der Umsetzung des Stadtentwicklungsplans Verkehr und seiner Teilstrategie Förderung des Umweltverbundes die Anteile der Verkehrsmittel des Umweltverbundes am Gesamtverkehrsaufkommen der Stadt weiter zu erhöhen. Frage 7: Der zunehmende Anteil von Diesel-Pkw – 41 % mehr als noch vor 10 Jahren – ist nach Einschätzung des Senats wesentlich mitverantwortlich für NO2- Belastungen auf „einem gleichbleibend hohen Niveau“ (Drs. 17/17329). Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um der hohen und weiter wachsenden Zahl der Diesel- Pkw wirksam entgegen zu steuern? Antwort zu 7: Der Senat hat keine Möglichkeit, auf die Wahl der Antriebstechnologie beim Kauf eines Pkw durch Unternehmen oder Bürgerinnen und Bürger Einfluss zu nehmen. Auch die Festlegung der für die Kaufentscheidung relevanten ökonomischen Rahmenbedingungen , wie Kfz- und Mineralölsteuer, erfolgt durch den Bund. Frage 8: Wie hoch ist der Anteil der Diesel-Fahrzeuge am Fuhrpark der Senatsverwaltungen und ihrer nachgeordneten Behörden? (Bitte aufschlüsseln nach Senatsverwaltung bzw. Behörde.)? Frage 9: Wie hoch ist der Anteil der Dieselfahrzeuge am Fuhrpark der Bezirksverwaltungen? (Bitte aufschlüsseln nach Bezirken? Frage 10: Wie hoch ist der Anteil der Dieselfahrzeuge am Fuhrpark der landeseigenen Unternehmen? (Bitte aufschlüsseln nach Unternehmen? Antwort zu 8, 9 und 10: Wie bereits in Schriftlichen Anfrage 17/17329 zu Frage 4 dargelegt und begründet, liegen keine Angaben über den Anteil der Dieselfahrzeuge am berlin-eigenen Fuhrpark vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 625 3 Frage 11: Welche Maßnahmen ergreift der Senat, um den Anteil der Dieselfahrzeuge am Fuhrpark der Senatsverwaltungen , Landesbehörden, Bezirksverwaltungen und landeseigenen Unternehmen zu reduzieren? Antwort zu 11: Im Lichte des bislang unbefriedigenden NOx-Emissionsverhaltens von neuen Euro 6 Diesel- Pkw und leichten Nutzfahrzeugen wird der Senat prüfen, ob im Rahmen der Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt für die Anschaffung von Dieselfahrzeugen zusätzliche Anforderungen an die realen Fahremissionen solcher Fahrzeuge festgelegt werden können. Dafür muss jedoch erst der Abschluss der auf EU-Ebene noch laufenden Verhandlungen zur Erweiterung der Euro 6 - Typprüfung durch zusätzliche Anforderungen an die realen Fahremissionen abgewartet werden. In jedem Fall sollen im Rahmen der Information an die Beschaffungsstellen über Fahrzeugtechnologien die wirtschaftlichen und umweltseitigen Vorteile von Erdgasfahrzeugen und Fahrzeugen mit Elektroantrieb intensiver kommuniziert werden. Frage 12: Aus welchen Gründen plant der Senat keine weiteren Lkw-Durchfahrverbote, die wie in der Silbersteinstraße in Neukölln nachweisbar, zu deutlichen Emissionsminderungen führen? Antwort zu 12: Wie bereits in der Schriftlichen Anfrage 17/15431 zu Frage 7 dargelegt, steht im Fall der Silbersteinstraße dem Durchgangsverkehr die parallel verlaufende Stadtautobahn als Ausweichstrecke ohne Wohnbebauung zur Verfügung. Für andere belastete Straßenabschnitte gibt es keine Ausweichstrecken, an der nicht bereits Menschen wohnen oder die Luft- und Lärmbelastung ebenfalls erhöht ist. Weitere Lkw-Durchfahrverbote für einzelne Straßenabschnitte sind daher nicht geplant und wären auch StVO 1 -konform schwer zu begründen. _________________ 1 Straßenverkehrsordnung Frage 13: Die Einführung von Tempo 30 auf der Schildhornstraße in Folge mehrerer Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern hat zu einer Verringerung der verkehrsbedingten Belastungen durch Feinstaub (-30%), Stickoxide (-18%) und Stickstoffdioxid (-15%) geführt. Zudem hat sich die Zahl der Unfälle dort halbiert. Warum muss der Senat erst durch Klagen von Anwohnerinnen oder Anwohnern zur Einführung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen gezwungen werden, wie nun möglicherweise auch in der Berliner Allee in Weißensee? Antwort zu 13: Das Tempolimit in der Schildhornstraße wurde nicht aufgrund von Klagen von Anwohnenden eingeführt, sondern ist Teil der Maßnahmen der Luftreinhalte - und Lärmaktionsplanung, bei der die Einführung von Tempo 30 in Abschnitten des Hauptstraßennetzes mit erhöhter Schadstoff- und Lärmbelastung nach Einzelfallprüfung umgesetzt wird, „sofern ein überwiegend stetiger Verkehrsfluss gesichert ist und die Belange des ÖPNV sowie der anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ausreichend berücksichtigt werden können “ (Zitat aus dem aktuellem Luftreinhalteplan, S. 165). Diese Rahmenbedingungen sind in der Schildhornstraße erfüllt und werden in weiteren belasteten Straßenabschnitten entsprechend geprüft. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Berlin, den 30. Dezember 2015 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Jan. 2016)