Drucksache 17 / 17 626 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU) vom 17. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Dezember 2015) und Antwort Herzmedizinische Versorgung der Bürger Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Erfolgt eine Einstellung oder teilweise Einstellung der herzmedizinischen Versorgung an landeseigenen Kliniken (z.B. den Vivantes Kliniken) und gegebenenfalls aus welchen Gründen? Zu 1.: Die Behandlung von Herz-Kreislauf- Erkrankungen ist eine Schwerpunktaufgabe der Inneren Medizin, insbesondere der internistischen Subdisziplin Kardiologie. Der Krankenhausplan 2016 des Landes Berlin weist an 46 Krankenhäusern bzw. Krankenhausstandorten Hauptabteilungen für Innere Medizin aus. Die Ausweisung der Hauptdisziplin Innere Medizin für ein Krankenhaus umfasst grundsätzlich auch die Kardiologie. Einen uneingeschränkten herzmedizinischen Versorgungsauftrag haben Kranken-häuser, die sowohl mit einer herzchirurgischen als auch mit einer kardiologischen Abteilung in den Krankenhausplan aufgenommen sind. Im Land Berlin besitzen ausweislich des Krankenhausplans 2016 allein das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) und die Charité einen solchen uneingeschränkten herzmedizinischen Versorgungsauftrag. Eine Veränderung gegenüber dem Krankenhausplan 2010 ist damit nicht verbunden, da die Bedarfsermittlung für Herzchirurgie ergeben hat, dass für das Land Berlin keine zusätzlichen Behandlungskapazitäten benötigt werden. Insofern wurde der Versorgungsauftrag der landeseigenen Krankenhäuser – z. B. auch der Vivantes Kliniken – nicht verändert. 2. Wie wird gegebenenfalls eine strukturelle Monopolstellung von Universitätskliniken bei der herzmedizinischen Versorgung begründet und in welchen medizinischen Bereichen besteht eine strukturelle Monopolstellung bei Vivantes und gegebenenfalls wie wird diese begründet? Zu 2.: Zunächst wird auf die Beantwortung zu Frage 1 verwiesen. Einen Versorgungsauftrag für Herzchirurgie und damit einen umfassenden Versorgungs-auftrag für Herzmedizin haben und hatten allein die Charité und das DHZB. Die Herzchirurgie ist ein hochspezialisiertes Fachgebiet . Studien belegen, dass die Ergebnisqualität der herzchirurgischen Interventionen in Abhängigkeit von den Fallzahlen steht. Im Interesse von Qualität, Patientensicherheit und Wirtschaftlichkeit ist es daher sinnvoll, die herzchirurgische Versorgung zu bündeln. Deswegen werden auch die beiden Berliner Einrichtungen mit uneingeschränktem medizinischen Versorgungs-auftrag ihre Zusammenarbeit zukünftig weiter intensivieren und das „Universitäre Herzzentrum Berlin – Kooperation der Charité und des DHZB“ aufbauen. Die Charité wird sich künftig auf das kardiologische Leistungsprofil konzentrieren und keine Betten mehr in der Herzchirurgie unterhalten , während die gesamte herzchirurgische Bettenkapazität am DHZB vorgehalten werden soll. Eine Schwerpunktbildung in einzelnen Versorgungsbereichen weist die Krankenhaus-planung bei unterschiedlichen Krankenhäusern aus. Häufig handelt es sich um die mit besonderen Anforderungen verbundene Vorhaltung von Kapazitäten für spezielle Zielgruppen. 3. Inwieweit sind die Vivantes-Krankenhäuser und insbesondere das Krankenhaus Neukölln von dieser Einstellung der herzmedizinischen Versorgung betroffen? 4. Welche Auswirkungen hat dies auf die herzmedizinische Versorgung von Patienten bzw. haben Patienten bei Notfällen etwaige Nachteile, zum Beispiel durch längere Anfahrtswege zu Kliniken mit einer Herzmedizinischen Versorgung? Zu 3. und 4.: Wie in der Antwort zu 1. ausgeführt, wurde der Versorgungsauftrag von Vivantes im Bereich der herzmedizinischen Versorgung nicht verändert. Im Bereich der Inneren Medizin und der Kardiologie ist die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 626 2 Vivantes GmbH auch weiterhin unverändert stark an mehreren Standorten in Berlin vertreten. Das schließt auch die notfall-medizinische Behandlung im Bereich der Kardiologie ein. Von einer Einstellung der herzmedizinischen Versorgung kann deswegen keine Rede sein. Allerdings dürfen gemäß einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 22. Januar 2015 Transkatheter Aortenklappenimplantationen (TAVI) nur in Krankenhäusern erbracht werden, die sowohl über eine Kardiologie als auch über eine Herzchirurgie verfügen bzw. eine entsprechende Kooperationsvereinbarung zur gemeinsamen Behandlung getroffen haben. Laut der Übergangsbestimmung in § 9 dieser Richtlinie können kathetergestützte TAVI bis zum 30. Juni 2016 auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufweisen, diese Leistungen jedoch im Zeitraum vom 01. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2014 bereits erbracht haben. Da die Vivantes Kliniken über keinen Versorgungsauftrag für Herzchirurgie verfügen, können diese Leistungen ab Juli 2016 von ihnen in ihren eigenen Häusern nicht mehr erbracht werden. Es ist anzumerken, dass im Jahr 2015 lediglich 18 TAVI in den Räumen der Vivantes Kliniken selbst erbracht wurden. 170-180 weitere TAVI hat Vivantes mit eigenen Ärztinnen und Ärzten in den Räumlichkeiten des DHZB im Rahmen eines Kooperationsvertrags erbracht. Dieser Kooperationsvertrag besteht nach wie vor. 5. Welche Auswirkungen hätte eine (teilweise) Einstellung der herzmedizinischen Versorgung auf die Einnahmen von Vivantes? Zu 5.: Die neue G-BA-Richtlinie verbietet es Vivantes lediglich, TAVI in eigenen Krankenhäusern zu erbringen. Da Vivantes auch weiterhin die TAVI am DHZB im Rahmen der Kooperation erbringen kann, sind lediglich die TAVI betroffen, die in Vivantes Häusern erbracht wurden (18), nicht aber das Gros der bisherigen Leistungen (170). Vivantes wird auch künftig seinen wichtigen Platz in der Berliner Krankenhaus-landschaft einnehmen und im Rahmen des Krankenhausplanes 2016 einen deutlichen Bettenzuwachs erfahren. Die große Bedeutung der kardiologischen Abteilungen von Vivantes für Berlin bleibt unverändert bestehen. Die Neuregelung betrifft im Übrigen nicht Vivantes allein, sondern jede Fachabteilung für Kardiologie ohne eigene Herzchirurgie im Land Berlin. Hauseigene TAVI können auch von diesen Häusern ab dem 01. Juli 2016 allein dann erbracht werden, wenn sie einen Versorgungsauftrag für Herzchirurgie erhalten. Für die Erteilung eines entsprechenden Versorgungsauftrags allein aufgrund der mangelnden Abrechnungsfähigkeit einer Einzelleistung existiert allerdings weder eine medizinische noch eine krankenhausplanerische Notwendigkeit. Sie wäre damit allein ökonomisch motiviert. 6. Gibt es statistische Erhebungen, ob kathetergestützte Aortenklappenimplantationen (endovaskulär /transapikal) in landeseigenen Kliniken im Vergleich zu den Universitätskliniken nachteilige Konsequenzen für Patienten haben/hatten und gegebenenfalls wie sehen diese Erhebungen aus? Zu 6.: Diesbezügliche Erhebungen sind dem Senat nicht bekannt. Der Beschluss des G-BA demgemäß TAVI nur an Krankenhäusern mit den beiden Fachabteilungen Kardiologie und Herzchirurgie durchgeführt werden dürfen , erfolgte laut G-BA internationalen Leitlinien entsprechend . Der G-BA führt in der Begründung zum Beschluss über die Richtlinie zu minimalinvasiven Aortenklappeninterventionen aus, dass die Vorgaben auf Grundlage der bestverfügbaren wissenschaftlichen Evidenz getroffen wurden. Aufgrund fehlender Langzeitergebnisse besteht nach wie vor international uneingeschränkt Konsens, dass die Methode nur bei konventionell inoperablen Patientinnen und Patienten und sehr hohem OP-Risiko unter kritischer und interdisziplinärer Indikationsstellung durchgeführt werden soll. Eine Vorgabe zur Trägerschaft des Krankenhauses, welches die Eingriffe durchführt, macht die G-BA Richtlinie nicht. Berlin, den 29. Dezember 2015 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Dez. 2015)