Drucksache 17 / 17 636 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marion Platta (LINKE) vom 18. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Dezember 2015) und Antwort Die Rattenplage ist eine Plage, die in Berlin beherrschbarer wird? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Aktionen zur Bekämpfung von Ratten hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LA- GeSo) in den Jahren 2011 bis 2015 entsprechend geltender Schädlingsverordnung gezählt? Zu 1.:Dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) liegen folgende Bekämpfungszahlen für die Jahre 2011 bis 2014 vor 2011: 3868 Bekämpfungsfälle 2012: 7077 2013: 6283 2014: 7420 Für das Jahr 2015 liegen noch nicht alle Zahlen vor. Bis November 2015 wurden 6843 Bekämpfungen gemeldet . Der Anstieg im Jahre 2012 ist auf das Inkrafttreten der Berliner Schädlingsbekämpfungsordnung zurückzuführen . 2. Welche Bekämpfungsarten wurden wie oft angewendet (chemisch, mechanisch, elektrisch …) und nach welchen Kriterien wird die jeweilige Bekämpfungsart gewählt? Welche Rolle spielt bei der Auswahl der Tötungsmethode insbesondere das Tierschutzrecht? 3. Wo liegen die Haupteinsatzgebiete der Rattenbekämpfung in Berlin? 4. Wie erfolgreich war das LAGeSo bei den Berlinerinnen und Berlinern mit seinem Aufruf, Sichtungen von Ratten in den Bezirken beim Gesundheitsamt zu melden, um Schwerpunkte der Ausbreitung zu erkennen und Ratten wirksam bekämpfen zu lassen? Zu 2., 3. und 4.: Die bezirklichen Gesundheitsämter übermitteln dem LAGeSo monatlich die ihnen mitgeteilten Bekämpfungsmaßnahmen. Auf dieser Grundlage wird festgestellt, dass überwiegend chemische Bekämpfungsverfahren zum Einsatz kommen. Schlagfallen werden nur in wenigen Einzelfällen eingesetzt (2014 waren es 84 Einsätze). Gemäß der Berliner Schädlingsbekämpfungsverordnung wird eine explizit definierte Sachkunde gefordert , die auch entsprechende Kenntnisse über die Tötung von Wirbeltieren einschließt. Die Haupteinsatzgebiete liegen in Mitte, Charlottenburg -Wilmersdorf und Friedrichshain-Kreuzberg. Die Anzahl der bekannt gewordenen Bekämpfungen ist gegenüber dem Vorjahr nicht gestiegen. 5. Inwieweit ist es dem Senat bisher gelungen, für eine erfolgreiche Rattenbekämpfung ein integriertes Bekämpfungsmanagement aufzubauen, das auch die Ursachen des Rattenbefalls und nicht nur die Rattenplage an sich beinhaltet? Zu 5.: Bei der Umsetzung der Berliner Schädlingsbekämpfungsverordnung werden zwei grundsätzliche Ziele verfolgt. Einerseits wird eine zeitnahe und vollständige Tilgung des Rattenbestandes durch sachkundige Schädlingsbekämpferinnen bzw. Schädlingsbekämpfer gefordert und andererseits werden durch die zuständigen Gesundheitsämter die Beseitigung der Ursachen, insbesondere die Abstellung mangelhafter Abfalllagerung und bauliche Schäden zur Auflage gemacht. 6. Welchen Erkenntnisstand hat der Senat über die Gefährlichkeit von Rattus norvegicus (Wanderratte), die über die Übertragung von Krankheitserregern wie Salmonellen , Leptospiren oder Toxoplasmen, die zu schweren Organschädigungen bei Menschen führen können, hinausgehen ? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 636 2 7. Welche Rolle bei der Ausstellung von Rattenbekämpfungsmaßnahmen spielen Erkenntnisse wissenschaftlicher Einrichtungen wie das Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der FU Berlin, deren Forscher sogar von einer "unterschätzten Gefahr" sprechen, da sie nach Untersuchungen bei ungefähr jeder sechsten Ratte, multiresistente Darmkeime aufgefunden haben, aber Ratten aus der Kanalisation mit Krankenhausabwässer (nahe der Charité) doppelt so häufig befallen waren? Zu 6. und 7.: Die Erkenntnisse wissenschaftlicher Einrichtungen werden mit Aufmerksamkeit verfolgt. Eine Änderung der Strategie ist bei konsequenter Umsetzung der Berliner Schädlingsverordnung nicht notwendig. 8. Welche guten Beispiele kann der Senat auflisten, die ggf. auch mit externen Partnern dazu geführt haben, dass die für Ratten günstigen Bedingungen ungünstiger gemacht wurden, da bekannt ist, dass es Ratten nur dort gibt, wo es auch Ressourcen für Ratten (Nahrung, Nistmöglichkeiten ) gibt? Zu 8.: Als Beispiel kann die Zusammenarbeit des Gesundheitsamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin mit einer externen Sachverständigen dienen, in der ein Konzept zur großflächigen Bekämpfung von Ratten und der Ursachen des Befalls erarbeitet und erfolgreich mit den beteiligten Gruppen umgesetzt wurde. 9. Wie bewertet der Senat das Problem der Sekundärvergiftung von auch in Berlin vorkommenden natürlichen Feinden der Ratten wie Füchse, Marder, Habichte und andere Raubvögel durch Ratten, die bereits von chemischen Giftködern (sogenannte Rodentizide oder Antikoagulanzien ) „genascht“ haben? Wie lassen sich diese Sekundärvergiftungen vermeiden? 10. Welche Umweltrisiken können von den chemischen Rattenbekämpfungsmitteln und von mit Giftködern getöteten Tieren noch ausgehen und mit welchen Maßnahmen werden diese Risiken in Berlin minimiert? Zu 9. und 10.: Auf der Grundlage der aktuellen Gesetzgebung zum Umgang mit Bioziden wurden u. a. auch die Wirkstoffe in den Rodentiziden neu bewertet. Die Zulassung der Bekämpfungsmittel durch die zuständigen Bundesbehörden erfolgt immer im Zusammenhang mit der Vorgabe von Risikominimierungsmaßnahmen, die Bestandteil der Gebrauchsanweisung und gemäß Berliner Schädlingsbekämpfungsverordnung zwingend einzuhalten sind. Zu diesen Risikominimierungsmaßnahmen gehören u. a. die Kenntlichmachung, Sicherung und regelmäßige Kontrolle in kurzen Intervallen der verdeckten Köderauslegung und der sofortigen Entsorgung von Tierkadavern und Rodentizidresten. Eine über die mögliche Gefährdung von Wildtieren hinausgehende Umweltgefährdung ist nicht bekannt. 11. Welche Strategie verfolgen die Berliner Wasserbetriebe bei der Unterhaltung des Abwassernetzes zur Rattenbekämpfung und wie erfolgreich sind diese Strategien (einschließlich des Pilotvorhabens Rattenfallen mit Metallstiften ) bisher auch unter Beachtung des Tierschutzrechtes ? Zu 11.: Die Berliner Wasserbetriebe als Betreiber von abwassertechnischen Anlagen sind nach den deutschen Unfallverhütungsvorschriften zur Rattenbekämpfung verpflichtet. Hierbei werden ausschließlich Fraßköder verwendet. Die Maßnahmen werden den Gesundheitsämtern der Bezirke angezeigt und die Durchführung dokumentiert . Die Grundsätze der Rattenbekämpfung werden durch die EU-Biozid-Verordnung und der damit verbundenen Risikominderungsmaßnahmen (RMM) vorgegeben. Damit soll eine Minimierung von Giftstoffen mittels Monitoring und Einhalten von Zeitintervallen (im Abwasserkanalnetz von max. 3 Wochen zwischen den Auslagen) beim Einsatz von Rattenbekämpfungsmitteln (Fraßköder) durch regelmäßig geschultes Fachpersonal erreicht werden . Im Landesrecht kommen die o. g. Punkte und weitere Bundesgesetze mit der Verordnung über die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen (SchädlingsbekämpfungsV) zur Anwendung. Die Rattenanzahl lässt sich mit dem o. g. Vorgehen nicht genau bestimmen, und ein Rückgang bzw. ein Erfolg von Bekämpfungsmaßnahmen kann nur schwer nachgewiesen werden. Der Vorteil des noch laufenden Pilotvorhabens besteht darin, Ratten nachweislich, effektiv und ohne Einsatz von Gift zu bekämpfen. Die Rattenfalle ist ein geprüftes, anerkanntes Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen gemäß §18 Infektionsschutzgesetz. Berlin, den 07. Januar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Jan. 2016)