Drucksache 17 / 17 638 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Thomas Isenberg und Dr. Gregor Költzsch (SPD) vom 18. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dezember 2015) und Antwort Medizinische Versorgung von Flüchtlingen, Asylbewerbern und „Menschen ohne Papiere“ in Berlin – Schutz und Vorsorge von Beginn an nötig (I) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie im Detail (bitte maßnahmenscharf bei den gesundheitlichen Aspekten beantworten) ist der Stand der Umsetzung der Detailmaßnahmen des Handlungsfeld Gesundheit zur gesundheitlichen Versorgung des Senatsbeschlusses vom 11. August 2015? Zu 1.: Das Handlungsfeld Gesundheit führt im genannten Konzept mehrere Punkte auf, deren Umsetzungsstand sich wie folgt darstellt: Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) wird stufenweise ab Januar 2016 eingeführt. Hinsichtlich der erforderlichen Zuzugsuntersuchungen werden Abstimmungen zwischen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und den Berliner Gesundheitsämtern von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales moderiert, so dass ein schneller Schuleintritt für asylsuchende Kinder möglich wird. Darüber hinaus konnte geregelt werden, dass Kinder auch bereits während der Vormundschaft durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft die altersentsprechenden Impfungen erhalten können. Zur Sprachmittlung sowie Behandlung und Betreuung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen erfolgten konzeptionelle Überlegungen, die Eingang im Rahmenkonzept zur medizinischen Versorgung von Asylsuchenden gefunden haben und sich derzeit in der notwendigen Abstimmung zwischen den zuständigen Senatsverwaltungen befinden . 2. Wie viele der registrierten und unregistrierten Flüchtlinge, die 2015 nach Berlin kamen, sind bereits erstuntersucht worden (bitte tabellarisch nach Monaten aufschlüsseln)? 3. Wie ist in Berliner Notunterkünften für Flüchtlinge die medizinische Erstuntersuchung nach § 62 AsylVfG grundsätzlich geregelt und organisiert? 4. Wie hoch schätzt der Senat die Notwendigkeit ein, eine solche Erstuntersuchung schnell, d.h. innerhalb weniger Tage nach Ankunft, durchzuführen? 5. Wie lange dauert es derzeit im Durchschnitt von der Ankunft bis zur Erstuntersuchung (Check-up) von Flüchtlingen und welche Minimal- und Maximalzeiten sind dem Senat bekannt? 6. Teilt der Senat die Auffassung, dass bereits unmittelbar bei der Vorregistrierung der Flüchtlinge ein umfassende medizinisches Check-up nötig wäre und warum ist dies bisher nicht etabliert? 7. Welche Kapazitäten für derartige Erstuntersuchungen stellen das LAGeSo und ggf. andere beteiligte Behörden zu diesem Zweck in Berlin bereit und wie viele Einrichtungen werden durch diese Kapazitäten betreut? 8. Auf welche Weise sind die Bezirke bei der Erstuntersuchung eingebunden? Die Zuständigkeit liegt beim LAGeSo (s.o.) Somit sind die Bezirke nicht mit eingebunden. 9. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Träger der Notunterkünfte die medizinische Erstuntersuchung im Auftrag des Senats zur Unterstützung von Engpässen durchführen konnten, insbesondere wenn es sich um Träger mit den entsprechenden medizinischen Kompetenzen handelt, z.B. das Deutsche Rote Kreuz? 10. Welche Maßnahmen wären notwendig, um die Träger mit diesen Maßnahmen zu betrauen und welche Planungen existieren diesbezüglich im Senat? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 638 2 11. Wie beurteilt der Senat die Einbindung lokal ansässiger Ärzte bei der Durchführung der Erstuntersuchung und welche Erfahrungen gibt es diesbezüglich in Berlin? 12. Wie ist der Umfang der in Berlin durchgeführten Erstuntersuchung von Flüchtlingen? Handelt es sich lediglich um eine TBC-Röntgenuntersuchung, oder geht sie darüber hinaus (wie z.B. in NRW, wo ein mehrseitiger Anamnese-Bogen zum Einsatz kommt)? 13. Wie wird bei der Erstuntersuchung die Identifikation besonders Schutzbedürftiger gewährleistet, welche nach dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Teil der Erstuntersuchung ist? Zu 2. bis 13.: Gemäß § 62 Asylgesetz (AsylG) müssen Asylsuchende die Durchführung einer körperlichen Untersuchung auf übertragbare Krankheiten dulden, um Übertragungen in den Einrichtungen für Asylsuchende zu vermeiden und ggf. die spezifische Behandlung von übertragbaren Krankheiten sowie den besonderen Behandlungsbedarf bei besonders Schutzbedürftigen einleiten zu können. Die obersten Landesgesundheitsbehörden bestimmen die zuständige Ärztin bzw. den zuständigen Arzt und den Untersuchungsumfang. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) die Zuständigkeit für die Untersuchungen gemäß § 62 AsylG und dem Gesundheitsamt Berlin-Lichtenberg die Zuständigkeit für die Tuberkulosescreenings übertragen, wobei Letzteres bereits in § 2 Gesundheitsdienst-Zuständigkeitsverordnung (GdZustVO) geregelt ist. Wird bei der Untersuchung der Verdacht oder das Vorliegen einer Krankheit gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder der Nachweis eines Erregers gemäß § 7 IfSG festgestellt, so ist der Tatbestand dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Die praktische Umsetzung der Untersuchungen gemäß § 62 AsylG ist vom LAGeSo in der Zentralen Impf- und Untersuchungsstelle (ZUI) in der Turmstraße sowie in bis zu vier Außenstellen vorgesehen. Bezüglich der Unterstützung bei der Durchführung von Vorscreenings wird es Anfang des Jahres 2016 ein Gespräch mit den Hilfsorganisationen in der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales geben. Aufgrund des großen Masern-Ausbruchs in Berlin 2014/2015 mit rund 1400 Erkrankten waren im Land Berlin zunächst alle Bemühungen darauf gerichtet, zeitnah eine Zentrale Impfstelle für Asylsuchende einzurichten . Das LAGeSo hat deshalb im September 2015 mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin eine Vereinbarung zum Betrieb einer Zentralen Impfstelle für Asylsuchende am LAGeSo als Interimslösung für ein Jahr abgeschlossen . In einem zweiten Schritt sind zeitnah die nach § 62 AsylG vorgeschriebenen Untersuchungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern flächendeckend umzusetzen und die Zentrale Impfstelle auszubauen zu einer Zentralen Untersuchungs- und Impfstelle. Es soll zunächst eine vorübergehende Lösung zur Durchführung der o. g. Untersuchungen installiert werden. Die EU-weite Ausschreibung für den dauerhaften Betrieb der ZUI wird nun durchgeführt. Bis zur flächendeckenden Durchführung der Untersuchungen gem. § 62 AsylG kann es durchaus sinnvoll sein, ein orientierendes Vorscreening durchzuführen, das z. B. durch Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter erfolgen könnte. Dieses Vorgehen wird .z. B. in der Notunterkunft am Flughafen Tempelhof umgesetzt. Hinsichtlich der Untersuchungen auf Tuberkulose gemäß § 36 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz und gemäß § 62 AsylG müssen Asylsuchende vor oder unverzüglich nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft oder eine Erstaufnahmeeinrichtung eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, dass bei ihnen keine ansteckungsfähige Tuberkulose vorhanden ist. Die Zuständigkeit für das Tuberkulosescreening wird für alle Bezirke gemäß § 2 GdZustVO vom Bezirk Berlin-Lichtenberg wahrgenommen . Die Tuberkulose-Stelle des Gesundheitsamtes Berlin -Lichtenberg musste aufgrund der hohen Zugangszahlen ihre Untersuchungskapazitäten deutlich ausweiten und hat deshalb zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrages Kooperationsverträge mit verschiedenen Kliniken geschlossen und einen mobilen Röntgenbus angemietet (stationiert auf dem LAGeSo-Gelände Turmstraße), so dass die erforderlichen Röntgenuntersuchungen zeitnah stattfinden. 14. Wie verhält sich der Zugang zu Impfungen sowie Röntgenuntersuchungen für in Berlin neuankommende Flüchtlinge in Berlin und wie ist die Quote der Menschen mit adäquaten Impfschutz (gemäß den Empfehlungen des RKI) zu welchem Zeitpunkt ihres Ankommens bzw. Aufenthalts in Berlin? Zu 14.: Der Zugang zu Impfungen ist bereits geschildert worden (s. o.). Über den Anteil der Asylsuchenden mit adäquatem Impfschutz liegen dem Senat keine Angaben vor, da hierzu – vergleichbar der einheimischen Bevölkerung - kein Impfregister geführt wird. 15. Wer trägt die Kosten des Impfens und ist sichergestellt , dass die Bezirke die sie betreffenden Kostenanteile vom Land erstattet bekommen? Zu 15.: Bis zum Wechsel des Aufenthaltsstatus liegt die Zuständigkeit für derartige Kosten für Asylsuchende beim Land Berlin. Die Gesundheitsämter, die Asylsuchende impfen, bekommen die Kosten vom Land Berlin (LAGeSo) erstattet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 638 3 16. Wie konkret erhalten Flüchtlinge Zugang zu Gesundheitsleistungen vom Zeitpunkt der Vorregistrierung bis zur Registrierung und welche Verbesserungen strebt der Senat diesbezüglich an? Zu 16.: Es wird auf die Beantwortung der Schriftlichen Anfrage 17/17225 verwiesen, wonach Asylsuchende , die noch auf ihre Registrierung warten müssen, selbstverständlich versorgt werden. Vorübergehend erfolgt dies in großen Unterkünften in speziellen Med-Punkten (z. B. Notunterkunft am Flughafen Tempelhof). Für die kleineren Unterkünfte ist ein flexibles System geplant. Ziel ist es, Asylsuchende so schnell wie möglich im Regelsystem zu versorgen. Berlin, den 11. Januar 2016 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Jan. 2016)