Drucksache 17 / 17 641 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 15. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dezember 2015) und Antwort Pflegekinder in Berlin I Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Kinder und Jugendliche sind in Berlin in Pflegefamilien untergebracht? Bitte aufschlüsseln nach befristeter und unbefristeter Vollzeitpflege in einer jährlichen Auflistung seit 2011 und nach Bezirk. Zu 1.: Die in Vollzeitpflege gemäß § 33 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) untergebrachten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Berlin gesamt M itte F riedrichshain - Kreuzberg P anko w C harlo ttenburg - Wilmersdo rf Spandau Steglitz- Z ehlendo rf T empelho f- Schö neberg N eukö lln T repto w- Kö penick M arzahn- H ellersdo rf Lichtenberg R einickendo rf am Stichtag 31.12.2011 2.681 317 141 202 129 233 149 210 343 208 319 232 198 Vollzeitpflege (unbefristet) 2.481 266 138 193 109 227 137 204 318 196 303 210 180 Vollzeitpflege (befristet) 200 51 3 9 20 6 12 6 25 12 16 22 18 am Stichtag 31.12.2012 2.658 293 135 230 123 260 145 199 316 179 335 236 207 Vollzeitpflege (unbefristet) 2.480 253 131 220 114 245 137 194 304 171 313 211 187 Vollzeitpflege (befristet) 178 40 4 10 9 15 8 5 12 8 22 25 20 am Stichtag 31.12.2013 2.788 300 139 208 128 273 148 188 333 249 358 239 225 Vollzeitpflege (unbefristet) 2.602 260 136 205 115 257 139 182 313 235 333 220 207 Vollzeitpflege (befristet) 186 40 3 3 13 16 9 6 20 14 25 19 18 am Stichtag 31.12.2014 2.823 297 138 226 118 278 135 192 340 249 373 245 232 Vollzeitpflege (unbefristet) 2.647 264 136 218 108 263 123 185 318 236 358 224 214 Vollzeitpflege (befristet) 176 33 2 8 10 15 12 7 22 13 15 21 18 am Stichtag 30.06.2015 2.804 295 128 223 116 280 127 202 331 246 388 252 216 Vollzeitpflege (unbefristet) 2.644 269 127 218 103 263 120 199 316 237 362 228 202 Vollzeitpflege (befristet) 160 26 1 5 13 17 7 3 15 9 26 24 14 Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege Datenquelle: Hilfeplanstatistik der Bezirke; ProJUGEND 2. Wie viele Kinder und Jugendliche sind jährlich seit 2011 nach einer freiwilligen Abgabe der Eltern in eine Pflegefamilie gekommen? 3. Wie viele Kinder und Jugendliche sind jährlich seit 2011 durch Entscheid eines Familiengerichtes in einer Pflegefamilie untergebracht worden? Zu 2. und 3.: Diese Angaben werden statistisch nicht erfasst. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 641 2 4. Wie viele Kinder und Jugendliche sind jährlich seit 2011 durch eine Inobhutnahme aus der Herkunftsfamilie genommen worden? Zu 4.: Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg weist für Berlin gesamt für die Jahre 2011-2014 folgende vorläufige Schutzmaßnahmen aus: 2011: 1768 2012: 2329 2013: 2268 2014: 2666 Datenquelle: Statistischer Bericht K V 4 - j / 14 Jugendhilfe im Land Berlin 2014 Vorläufige Schutzmaßnahmen 5. Welches sind die häufigsten Gründe für die Notwendigkeit ein Kind oder Jugendlichen aus der Herkunftsfamilie zu nehmen? Zu 5.: Die Anlässe „Überforderung der Eltern/eines Elternteils“, „Delinquenz des Kindes/Straftat des Jugendlichen “ und „Vernachlässigung“ sind in der amtlichen Statistik (Bundesstatistik) neben der „unbegleiteten Einreise aus dem Ausland“ die meistgenannten Anlässe für vorläufige Schutzmaßnahmen. Datenquelle: Statistischer Bericht K V 4 - j / 14 Jugendhilfe im Land Berlin 2014 Vorläufige Schutzmaßnahmen 6. Wie viele Kinder oder Jugendliche mit Migrationshintergrund befinden sich in einem Pflegeverhältnis? Zu 6.: Der Anteil der Kinder und Jugendlichen in Vollzeitpflege mit Migrationshintergrund lag am Stichtag 31.12.2014 bei 8,2%. Datenquelle: Hilfeplanstatistik der Bezirke; ProJUGEND 7. Wie lange dauerten die Pflegeverhältnisse durchschnittlich ? Zu 7.: Die befristete Vollzeitpflege ist grundsätzlich auf 6 Monate zu begrenzen. Eine Verlängerung ist nur im begründeten Ausnahmefall zulässig (vgl. Ausführungsvorschriften über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) (AV-Pflege)). Die durchschnittliche Dauer von Hilfen in unbefristeter Vollzeitpflege liegt bei 50 Monaten. Datenquelle: Hilfeplanstatistik der Bezirke; ProJUGEND 9. Zahl der Plätze und freie Träger/öffentliche Träger . 10. Sind diese Plätze nach Auffassung des Senats ausreichend ? 11. Wenn nein, welche Maßnahmen plant der Senat für die Erhöhung der Plätze? Zu 9. bis 11.: Die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII ist eine besondere Form der Hilfen zur Erziehung, deren Anzahl und Standards nicht im Kontext nach §§ 77, 78a SGB VIII verhandelt werden. Zum Stichtag 30.06.2015 waren 2.804 Kinder und Jugendliche in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII untergebracht (vgl. Frage 1.). Dies entspricht der Zahl der Plätze. Erhebungen über eine Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die für eine Unterbringung in einer Pflegefamilie geeignet wären, aber in stationären Einrichtungen leben, liegen nicht vor. In acht Berliner Bezirken (Friedrichshain-Kreuzberg, Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Reinickendorf) werden Teilaufgaben der im Bereich Vollzeitpflege bestehenden Aufgaben (Überprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern, Vermittlung des Pflegekindes in eine geeignete bedarfsgerechte Pflegestelle, Beratung und Begleitung der Pflegeeltern während der Betreuung des Pflegekindes ) im Rahmen der Aufgabenübertragung von freien Trägern wahrgenommen. In vier Berliner Bezirken (Mitte, Pankow, Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick ) werden diese Aufgaben durch das Jugendamt wahrgenommen . Die Gewinnung von geeigneten Pflegefamilien und die Erweiterung des möglichen Anteils an Pflegefamilien haben für den Senat einen hohen Stellenwert. In den vergangenen Jahren wurden und werden zahlreiche Werbemaßnahmen und Veranstaltungen sowohl auf bezirklicher Ebene, als auch auf gesamtstädtischer Ebene durch die Jugendämter bzw. die für Jugend zuständige Senatsverwaltung bzw. durch die jeweils beauftragten Träger durchgeführt (vgl. Drs. 17/10280 und 17/11557). 8. Welche Gründe gibt es für eine (vorzeitige) Beendigung eines Pflegeverhältnisses? 12. Wie kommt die Entscheidung über die Zusammenkunft von Pflegefamilie und Kind oder Jugendlichem zustande? Wer ist beteiligt und welche Kriterien liegen zugrunde? 13. Welche Altersgrenzen für die Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen sind festgeschrieben und wie gestalten sie sich in der Praxis? Zu 8., 12. und 13.: Hilfe zur Erziehung ist eine entwicklungsorientierte und zeitlich befristete Intervention. Sie soll konkrete und für die Beteiligten überprüfbare Ziele verfolgen und in Art, Umfang und Gestaltung auf die Behebung der Entwicklungsbeeinträchtigung ausgerichtet sein. Hilfe zur Erziehung wird gewährt, solange im Einzelfall ein erzieherischer Bedarf besteht. Vollzeitpflege als Teil des Leistungsangebots der Hilfen zur Erziehung soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie, Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Art und Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 641 3 Umfang der Hilfe, die Entscheidung, ob die Unterbringung eines Kindes in einer stationären Einrichtung nach § 34 SGB VIII notwendig und geeignet ist, oder aber die Unterbringung in einer Pflegefamilie und in welcher Weise vorgegangen wird, die Beendigung der Hilfe oder der Wechsel der Hilfeart, werden in der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII von den fallzuständigen Fachkräften des zuständigen Jugendamtes im Zusammenwirken mit den Personensorgeberechtigten und ggf. Fachkräften von beauftragten Jugendhilfeträgern im Rahmen des individuellen Hilfeplanverfahrens entschieden. Die Vermittlung, Unterbringung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen und die Eignung von Pflegepersonen sind in der AV-Pflege beschrieben. Pflegeverhältnisse sind in der Regel so zu vermitteln, dass sie mit Vollendung des 63. Lebensjahres der Erziehungsperson beendet sind (vgl. AV-Pflege Nr. 3 Abs. 9). Die Leistungen für den Unterhalt, einschließlich der Kosten der Erziehung des Kindes oder Jugendlichen in Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII sind in den Ausführungsvorschriften über die Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder des Jugendlichen nach § 39 SGBVIII - für Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) und teilstationärer Familienpflege (§ 32 Satz 2 SGB VIII) (AV- Vollzeitpflege-Pflegegeld) vom 01.01.2012 geregelt. Um eine kindgerechte und den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechende Vermittlung zu gewährleisten, sind die Fachprozesse der Auswahl, Überprüfung und Vorbereitung einer geeigneten Pflegefamilie, der Vermittlung und der kontinuierlichen Beratung und Begleitung der Pflegefamilie und des Pflegekindes definiert und beschrieben. Um die Qualität dieser Prozesse zu gewährleisten , stehen den Fachkräften standardisierte Arbeitsmaterialien zur Verfügung, die einheitlich in ganz Berlin gelten (vgl.: http://www.berlin.de/sen/jugend/familie-undkinder /pflegekinder\fachinfo/). Ein häufiger Grund für die Beendigung einer Hilfe als Vollzeitpflege ist der Wechsel eines jugendlichen Pflegekindes in eine betreute Wohnform gemäß § 34 SGB VIII. Hierdurch wird in der Regel den Entwicklungserfordernissen der jungen Menschen Rechnung getragen. Häufig wird die Hilfe als Hilfe für junge Volljährige fortgesetzt, die darauf zielt, den jungen Menschen auf die eigenständige Lebensführung vorzubereiten (vgl. §§ 33, 36, 41 SGB VIII bzw. Ausführungsvorschriften für Planung und Durchführung von Hilfe zur Erziehung und Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Hilfe für junge Volljährige (AV-Hilfeplanung)). Hilfen werden auch beendet, wenn eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie möglich erscheint und eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen werden kann, oder aus Gründen, die eine Fortsetzung des Pflegeverhältnisses nicht förderlich erscheinen lässt und ein Wechsel in eine andere Unterbringungsform aus Gründen des Kindeswohls notwendig wird. Berlin, den 03. Januar 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Jan. 2016)