Drucksache 17 / 17 642 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 15. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dezember 2015) und Antwort Pflegekinder in Berlin II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie schätzt der Senat die Bedarfsentwicklung an Pflegefamilien ein, sowohl aktuell als auch für die kommenden Jahre? 2. Welche Maßnahmen des Senates gibt es oder welche sind geplant, um mehr Familien für die Aufnahme eines Pflegekindes zu aktivieren? Zu 1. und 2.: Die Gewinnung von geeigneten Pflegefamilien und die Erweiterung des möglichen Anteils an Pflegefamilien haben für den Senat einen hohen Stellenwert . Es wurden und werden laufend zahlreiche Werbemaßnahmen und Veranstaltungen sowohl auf bezirklicher Ebene, als auch auf gesamtstädtischer Ebene durch die Jugendämter bzw. die für Jugend zuständige Senatsverwaltung bzw. durch die jeweils beauftragten Träger durchgeführt. 3. Wie viele Kinder und Jugendliche leben derzeit bei Alleinerziehenden Pflegeelternteilen, gleichgeschlechtlichen Pflegeelternpaaren oder Pflegeeltern mit Migrationshintergrund ? 4. Wie schätzt der Senat den Bedarf an Familien mit Migrationshintergrund als Pflegefamilien aktuell und zukünftig ein? 5. Gibt es spezielle Maßnahmen um besonders Familien mit Migrationshintergrund für die Aufnahme eines Pflegekindes zu motivieren? Zu 3. - 5.: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die bei alleinerziehenden Pflegeelternteilen, bei gleichgeschlechtlichen Pflegeelternpaaren oder Pflegeeltern mit Migrationshintergrund leben, wird nicht erfasst. Zur Gewinnung geeigneter Pflegeeltern aus diesen Zielgruppen werden neben den o.g. Maßnahmen in zielgruppenspezifischen Werbekampagnen Alleinerziehende, gleichgeschlechtliche Paare bzw. Alleinerziehende, Paare und Familien mit Migrationshintergrund gezielt angesprochen. Es werden Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) durchgeführt; mit dem türkischen Konsulat wurde eine Facharbeitsgruppe eingerichtet, in der für die Gewinnung von Pflegeeltern zweisprachiges Informations- und Schulungsmaterial entwickelt wurde. Der von der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung beauftragte Träger führt darüber hinaus spezifische Informations- und Fortbildungsveranstaltungen für interessierte Pflegefamilien bzw. Bewerberinnen und Bewerber durch. (vgl. Drs. 17/10280, 17/11557, 17/17641 bzw. http://www.pflegekinder-berlin.de/index.php?article_id=1 61). 6. Gibt es spezielle Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowohl für Pflegestellenpersonal als auch für Pflegefamilien hinsichtlich der Sensibilität gegenüber Kindern und Jugendlichen anderer Kulturen? 7. Wie hoch ist die Teilnahme an diesen Schulungen? 8. Wie werden in Berlin gleichgeschlechtliche Pflegeelternpaare beraten und unterstützt und werden diese Stellen mittlerweile vom Land Berlin finanziert? 9. Sieht der Senat Sensibilisierungsbedarf beim Kinderpflegepersonal bezüglich des Umgangs mit gleichgeschlechtlichen Pflegeelternpaaren? 10. Welche Maßnahmen gibt es seitens des Senats, um auch die breite Öffentlichkeit für gleichgeschlechtliche Pflege- oder auch Adoption zu sensibilisieren? Zu 6. - 10.: Das Sozialpädagogische Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (SFBB) führt die Pflegeelternschule seit dem zweiten Halbjahr 2014 in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendhilfeverbund | KJSH-Stiftung Berlin-Brandenburg (Träger: KJSH - Stiftung für Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfen) durch (vgl.: www.pflegeelternschule.berlin). Jeder Lehrgang umfasst 50 Doppelstunden und ist Voraussetzung für die Aufnahme eines Pflegekindes. Im Rahmen der Pflegeelternschule Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 642 2 werden die Pflegeelternbewerberinnen und -bewerber u.a. auf die Aufnahme eines Pflegekindes mit Migrationshintergrund vorbereitet. Die Kurse werden viermal jährlich angeboten. Pro Kurs stehen 20 Plätze zur Verfügung. Im Rahmen der Information und Werbung werden im Internetangebot der für Jugend zuständigen Senatsverwaltung Pflegepersonen aus unterschiedlichen Lebens- und Familienformen, explizit auch unverheiratete, alleinstehende , gleichgeschlechtliche Pflegepersonen oder Paare und Pflegefamilien mit Migrationsgeschichte ausdrücklich angesprochen und beworben (vgl. http://www.berlin.de/sen/jugend/familie-undkinder /pflegekinder/). Diversity- und Migrationssensibilität sind konzeptionelle Bestandteile der Berliner Jugendhilfe und damit auch Inhalt aller Maßnahmen der Pflegekinderhilfe einschließlich der Pflegeelternwerbung und der Pflegeelternschule (vgl. dazu auch zu 3. – 5.). Die Beratung und Unterstützung der Pflegeeltern richtet sich nach dem Bedarf des Pflegekindes im Einzelfall (vgl. http://www.berlin.de/sen/jugend/familie-undkinder /pflegekinder/fachinfo/ - Schlüsselprozess 3: Beratung und Begleitung in der Pflegefamilie). Diese Rahmenbedingung gilt für alle Lebensformen der Pflegeeltern . Das SFBB veranstaltete am 28.08.2014 eine Fachtagung für die Fachkräfte der Jugendämter über den vielfältigen Beratungsbedarf von Pflegeeltern. Dabei wurden insbesondere die spezifischen Bedarfe gleichgeschlechtlicher Pflegeeltern bzw. von Pflegeeltern mit Migrationshintergrund als Themen vertieft. Die Dokumentation der Fachtagung ist im Internetangebot des SFBB abrufbar (vgl. www.sfbb.berlin-brandenburg.de). 11. Wie viele junge Erwachsene über 18 Jahre befanden sich seit 2006 trotz Volljährigkeit weiter in einem Pflegeverhältnis? Zu 11.: Zum Stichtag 31.12. wurden im Rahmen der Hilfeplanstatistik jeweils folgende Hilfezahlen für Hilfen nach § 41 SGB VIII als Vollzeitpflege erfasst: Jahr 2011 2012 2013 2014 Vollzeitpflege nach § 41 in Verbindung mit § 33 SGB VIII 245 203 213 217 Datenquelle: Hilfeplanstatistik der Bezirke; ProJUGEND 12. Wie viele Kinder mit körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen sind in Berlin in einem Pflegeverhältnis untergebracht? Zu 12.: Zum Stichtag 31.12. wurden im Rahmen der Hilfeplanstatistik jeweils folgende Hilfezahlen für Hilfen nach § 33 bzw. 35a SGB VIII als Vollzeitpflege mit Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 53 zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfasst: Jahr 2011 2012 2013 2014 Vollzeitpflege nach § 33 bzw. Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII 2681 2658 2788 2823 davon Personenkreis nach § 53 SGB XII in Vollzeitpflege gem. § 33 SGB VIII 97 92 92 80 davon Eingliederungshilfen in Vollzeitpflege gem. § 35a SGB VIII 31 60 131 166 Datenquelle: Hilfeplanstatistik der Bezirke; ProJUGEND 13. Wie viele Kinder und Jugendliche sind in einem privaten Pflegeverhältnis untergebracht? Zu 13.: Für Pflegeeltern, die ein verwandtes Kind im Rahmen der Vollzeitpflege gemäß § 33 SGB VIII aufnehmen möchten (Verwandtenpflege), gelten dieselben Anforderungen, wie für andere Pflegeverhältnisse. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Verwandtenpflege wird nicht erfasst. Anlässlich einer Befragung der Bezirke wurde ein Anteil von ca. 5 % Kindern und Jugendlichen in Verwandtenpflege festgestellt. 14. Sind die Grundlagen der Pflegeverhältnisse in Berlin einheitlich geregelt? 15. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit des Senats mit den Bezirken bezüglich der Kinderpflege? Zu 14. und 15.: Die Ausführungsvorschriften Pflege (AV-Pflege) bilden die gemeinsame rechtliche und fachliche Grundlage für die Pflegekinderhilfe gemäß § 33 SGB VIII bzw. in Berlin (vgl.: http://www.berlin.de/sen/jugend/familie-undkinder /pflegekinder/). Darüber hinaus wurden im Rahmen des Projektes Landeseinheitliche, optimierte Geschäftsprozesse (ProLoG) die Fachprozesse in der Pflegekinderhilfe definiert und detailliert beschrieben und die einzelnen Schlüsselprozesse jeweils mit fachlichen Standards Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 642 3 und Leistungsumfängen sowie einheitlichen Fachleistungsstunden hinterlegt (vgl. http://www.berlin.de/sen/jugend/familie-undkinder /pflegekinder/fachinfo/). Mit der Vereinheitlichung der Geschäftsprozesse auf der Grundlage von Haushaltsund Kostentransparenz wurde gesamtstädtisch die Voraussetzung geschaffen, die Qualität der Arbeit der Pflegekinderdienste der bezirklichen Jugendämter und der freien Träger zu optimieren, um auch bei einem Wechsel der Zuständigkeit der Jugendämter durch Umzug verlässliche und einheitliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten . Berlin, den 04. Januar 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Jan. 2016)