Drucksache 17 / 17 644 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ellen Haußdörfer (SPD) vom 15. Dezember 2015 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 22. Dezember 2015) und Antwort Adoptionen in Berlin II Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare gab es seit 2011 in Berlin? Zu 1.: In der Bundesstatistik wird nicht differenziert, ob ein Kind von gleichgeschlechtlichen Paaren adoptiert wurde. Es werden Gesamtzahlen erhoben, die nach Fremdvermittlung sowie Verwandten- und Stiefkindvermittlungen differenziert werden. Zur Gesamtzahl der Vermittlungen im genannten Zeitraum wird auf die Schriftliche Anfrage 17/ 17 643 verwiesen. 2. Welche rechtlichen Regelungen gibt es für Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare? 3. Welche Position bezieht der Senat, wenn es um die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare beim Thema Adoption geht? Zu 2. und 3.: Bei gleichgeschlechtlichen Paaren, die nicht verpartnert sind, ist eine Adoption gemäß § 1741 Abs.2 BGB möglich, d.h. es kann nur eine Person adoptieren . Die zweite Partnerin bzw. der Partner wird jedoch in die Eignungsfeststellung integriert, da sich die Lebenswirklichkeit des Kindes auf beide Partnerinnen oder Partner beziehen wird bzw. sich bereits bezieht. Besteht eine eingetragene Partnerschaft, findet die Eignungsfeststellung mit beiden Bewerber/innen statt bzw. neu oder erneut, wenn bereits eine Alleinstehende oder ein Alleinstehender das Kind adoptiert hat. Ein Elternteil wird durch Gerichtsbeschluss die rechtliche Elternschaft erhalten, der zweite kann dann im Zuge der Sukzessivadoption ebenso einen Adoptionsbeschluss für dieses Kind beantragen (s. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 19.02.2013). Nimmt ein Elternteil das Kind alleine an, ist hierfür die Einwilligung des anderen Lebenspartners bzw. der Lebenspartnerin notwendig (s. § 9 Abs. 6 und 7 Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG). Das Land Berlin hat 2011 einen Entschließungsantrag zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Kindschaftsrecht im Bundesrat eingebracht (Drs. 124/11). Berlin hat in der Begründung Bezug genommen auf das Grundgesetz, Artikel 3 und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Der Antrag zielte darauf, die Bundesregierung aufzufordern, Rechtsanpassungen im Bereich des Adoptionsrechts vorzunehmen, mit der Folge, dass Partner/innen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft in gleicher Weise wie Ehegatten gemeinsam in Kind adoptieren können. Die Entschließung fand 2011 im Bundestag keine Mehrheit. Zwischenzeitlich hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats am 7. Januar 2015 der revidierten Fassung des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern (2008) zugestimmt, sodass rechtliche Bedenken, die sich auf die Fassung des Übereinkommens aus dem Jahr 1967 bezogen, nicht mehr relevant sind. Das Thema gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare wurde seither nicht erneut im Bundesrat aufgerufen. 4. Wie viele Adoptionen durch alleinstehende Personen gab es seit 2011? Bitte aufschlüsseln nach weiblich /männlich und Altersgruppe des Kindes. 5. Welche Voraussetzungen müssen Alleinstehende erfüllen, um ein Kind oder einen Jugendlichen adoptieren zu dürfen? Zu 4. und 5.: In der Statistik des Bundes werden keine Angaben zu Adoptionen durch Alleinstehende erhoben, somit liegen hierzu keine Daten vor. Alleinstehende können adoptieren. Sie haben wie alle anderen Bewerberinnen und Bewerber allgemein gültige Voraussetzungen zu erfüllen. Diese sind gemäß der rechtlichen Rahmenbedingung und einschlägigen wissenschaftlichen und sozialpädagogischen Forschungsergebnissen formuliert und finden sich u.a. in der aktuellen Fassung der Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter (BAGLJÄ). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 644 2 6. Welche Altersgrenzen sind für die Adoption eines Kindes festgeschrieben und wie wird dies in der Praxis umgesetzt? 7. Ist diese Altersgrenze nach Auffassung des Senats noch angemessen, angesichts des demographischen Wandels ? Zu 6. und 7.: Gemäß § 1743 BGB muss die oder der Annehmende ein Mindestalter von 25 Jahren vollendet haben. Bei Ehepaaren muss ein Ehegatte das 25. und der andere Ehegatte das 21. Lebensjahr vollendet haben. Eine Altersobergrenze besteht nicht, jedoch soll die Adoption auch im Altersabstand ein Eltern-Kind-Verhältnis abbilden . 8. Welcher Struktur folgt eine Entscheidung über die Bewilligung einer Adoption? Wer ist an der Entscheidung beteiligt und welche Kriterien spielen eine Rolle? Zu 8.: Über eine Adoption entscheidet das Familiengericht . Als Entscheidungsgrundlage dienen die Eignungsfeststellung der Bewerber bzw. Bewerberinnen und die Einschätzung der Fachkräfte in der Adoptionsvermittlung zur entstandenen Eltern-Kind-Beziehung. Das Gericht kann weitere Anhörungen einholen und sich selbst einen Eindruck zur sachgerechten und abgewogenen Entscheidungsfindung verschaffen. Das Ergebnis einer Eignungsfeststellung durch die Fachkraft ergibt sich aus der Sichtung und Prüfung verschiedener Unterlagen (Gesundheitszeugnis, Führungszeugnis usw.), mehreren Gesprächen (z.B. zu Erziehungsvorstellungen , Gespräch mit den Kindern, die bereits in der Familie leben), einem Hausbesuch und teilweise der Teilnahme an Seminaren oder/und einer psychologischen Beratung bzw. Einschätzung. Eine Fachkraft, die in der Adoptionsvermittlung tätig ist, muss den rechtlichen Vorgaben des § 3 Abs. 1 Satz 1 Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) entsprechen (Persönlichkeit, Ausbildung, Erfahrungen). 9. Welche Möglichkeiten haben adoptierte Kinder mit ihrer Herkunftsfamilie in Kontakt zu bleiben, oder zu einem späteren Zeitpunkt zu kommen? 10. Welche Möglichkeiten haben abgebende Eltern mit ihrem Kind in Kontakt zu bleiben, oder nach Abgabe zu kommen? Zu 9. und 10.: Adoptierte Kinder sollten "aufgeklärt" sein, ihre Geschichte kennen und dabei die Unterstützung durch die Adoptiveltern haben. Ein Akteneinsichtsrecht haben sie in Begleitung einer Adoptionsfachkraft mit 16 Jahren (siehe § 9b Abs. 2 AdVermiG). Sie haben ein Anrecht auf alle Angaben zu ihrer Herkunft und Lebensgeschichte . Die Adoptionsfachkraft wird die Suche und ggf. Kontakte zur Herkunftsfamilie (wenn von den Beteiligten gewünscht) begleiten. In einigen Fällen werden und wurden "halboffene" oder "offene" Adoptionsformen gewählt, so dass der oder die Adoptierte gute Anknüpfungen hat. Abgebende Eltern sollen von den Adoptionsfachkräften von Beginn an gut beraten und begleitet werden. So können sie sich wünschen, in welche Adoptionsform (inkognito, halboffen, offen) ihr Kind vermittelt wird, sie können dem Kind einen Brief in die Akte legen bzw. Kontakt zur Adoptivfamilie – in der Regel über die Adoptionsvermittlungsstelle - halten. Hier muss jedoch das Offenbarungs- und Ausforschungsverbot gem. § 1758 BGB beachtet werden. Einen rechtlichen Anspruch auf spezielle Auskünfte zum Kind oder zur Kontaktbegleitung haben Herkunftseltern nicht. Berlin, den 05. Januar 2016 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Jan. 2016)