Drucksache 17 / 17 663 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 04. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Januar 2016) und Antwort Schusswaffen im Berliner Justizvollzug Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Nach welchen Vorschriften über das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bzw. die speziellen Vollzugsgesetze hinaus richtet sich der Gebrauch von Schusswaffen durch Bedienstete des Justizvollzugs in Berlin (bitte nach Vollzugsarten differenzieren)? Zu 1.: Regelungen zum Schusswaffengebrauch beinhalten für die Vollziehung von Freiheitsstrafen die Ausführungsvorschriften (AV) zu § 99 StVollzG, die Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 100 StVollzG, die auf § 178 Abs. 3 StVollzG verweist, die AV zu § 81 Jugendstrafvollzugsgesetz Berlin (JStVollzG Bln) und die AV zu § 91 Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Berlin. Für alle Justizvollzugsanstalten (JVA’en), in denen Schusswaffen vorgehalten werden, gilt zudem die Allgemeine Verfügung über die Ausbildung im Schusswaffengebrauch , die Schießqualifikationssicherung sowie die Verwaltung von Schusswaffen und Munition im Justizvollzug des Landes Berlin (Schießtrainingsordnung - STOrd -). Die Justizvollzugsanstalt (JVA) des offenen Vollzuges Berlin und die Jugendarrestanstalt Berlin verfügen nicht über Schusswaffen. Ihre Bediensteten werden deshalb diesbezüglich auch nicht fortgebildet. 2. Gibt es in den unter 1. genannten Vorschriften eine Differenzierung zwischen dem Gebrauch von Schusswaffen innerhalb und außerhalb der Gebäude des Justizvollzugs und wenn ja, wie sieht diese konkret aus? Zu 2.: Die Ausführungsvorschriften zu § 81 JStVollzG Bln sehen in ihrer Nr. 1 vor, dass der Gebrauch von Schusswaffen nach § 81 Abs. 2 bis 6 JStVollzG Bln nur außerhalb der Jugendstrafanstalt Berlin (JSA) zulässig ist. § 81 Abs. 1 Satz 1 JStVollzG Bln bestimmt, dass der Gebrauch von Schusswaffen innerhalb der JSA verboten ist. Diese gem. § 178 Abs. 3 StVollzG getroffene Einschränkung gilt nur für den Jugendstrafvollzug. Demzufolge ist der Gebrauch von Schusswaffen innerhalb der übrigen JVA’en im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zulässig. 3. Welche und wie viele Vollzugsbedienstete sind vom Land Berlin zum Tragen von Schusswaffen gemäß § 99 Abs. 2 StVollzG bestimmt (bitte nach Vollzugsarten differenzieren)? Zu 3.: Nach der zitierten Vorschrift sind zum Gebrauch von Schusswaffen 2.012 Beamtinnen und Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes und Krankenpflegedienstes sowie 84 Angestellte im geschlossenen Vollzugsdienst im Sinne des Tarifvertrags der Länder (Anlage A Entgeltordnung zum TV-L, Teil II Nr. 12.2.) bestimmt. Um konstant ein hohes Niveau der Fortbildungsinhalte zu gewährleisten und die mit Schusswaffen umgehenden Bediensteten intensiver schulen zu können, ist die Zahl der danach grundsätzlich zur Schießqualifikationssicherung verpflichteten Bediensteten nach dem jeweils spezifischen Bedarf der JVA‘en an Schusswaffenträgern begrenzt . Schusswaffen werden nahezu ausschließlich bei Gefangenentransporten und Ausführungen mitgeführt. Die JVA für Frauen Berlin und die JSA z. B. haben einen erheblich geringeren Bedarf an Schusswaffenträgern als die JVA Moabit oder die JVA Tegel mit einer höheren Zahl von Ausführungen und die JVA Plötzensee mit der Fahrbereitschaft des Berliner Justizvollzuges. Zu diesem Zweck bestehen in jeder Anstalt mit Schusswaffen sogenannte Schusswaffenpools - d. h. Pools mit Bediensteten, die nach erfolgreicher Prüfung und fortlaufender Fortbildung Schusswaffen einsetzen dürften - deren aktueller Bestand sich wie folgt darstellt: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 663 2 Personalbestand AVD Stand: Jan. 2016: Schusswaffenpool Stand Jan. 2016 JVA Tegel 376 342 JVA Moabit 360 305 JVA Heidering * 156 153 JVA Plötzensee ** 314 165 JVA für Frauen 104 14 JSA 223 44 * Poolbildung noch nicht vollständig abgeschlossen ** incl. Fahrbereitschaft des Berliner Justizvollzuges 4. Welche Schusswaffen bzw. Schusswaffenarten werden von den dazu bestimmten Bediensteten des Justizvollzugs getragen? Zu 4.: Es handelt sich ausschließlich um Handfeuerwaffen (Pistolen). 5. Wie oft kam es im Berliner Justizvollzug in den letzten zehn Jahren zum Einsatz von Schusswaffen (bitte aufschlüsseln nach Datum, JVA, Grund des Schusswaffengebrauchs , Hergang, Folgen), und in welchen dieser Fälle ist der Einsatz rechtswidrig gewesen? Zu 5.: Am 7. November 2007 kam es im Rahmen einer Krankenhausausführung in das Rudolf-Virchow- Krankenhaus nach einem Fluchtversuch zur Abgabe eines zuvor angedrohten Warnschusses in die Luft. Hierbei wurde niemand verletzt. Nach der Abgabe des Warnschusses ließ sich der flüchtende Gefangene widerstandslos festnehmen. 6. Welche Aus- und Fortbildung gibt es für die Schusswaffenträger/-innen im Berliner Justizvollzug, und welche Vorschriften gibt es für das regelmäßige Schießtraining ? Zu 6.: Die Aus- und Fortbildung für Schusswaffenträgerinnen und Schusswaffenträger ist in der STOrd geregelt (vgl. Antwort zu Frage 1). In ihr sind als Ausbildungsziele die Befähigung zur sicheren Handhabung und Verwendung der Schusswaffe sowie die Vorbereitung auf mit Schusswaffengebrauch verbundene psychische Belastungen definiert. Ausbildungsinhalte sind theoretische Kenntnisse wie etwa zur Beschaffenheit der Waffe einschließlich technischem Aufbau, der Umgang mit Schusswaffen allgemein (Aufbewahrung, Tragen, Laden) und die sogenannte Schießlehre (Zielen, Halten, Atmen, Abziehen). Die Ausbildung soll die Bediensteten insbesondere mit dem Schießen unter vollzugsspezifischen Einsatzbedingungen wie z. B. vorangegangene körperliche Belastung durch Nacheile vertraut machen. Sie schließt mit einer Gesamtbewertung der erbrachten Leistungen ab, wobei den Auszubildenden bei positivem Ergebnis die Eignung zum Führen und zum Gebrauch von Schusswaffen bescheinigt wird. Ebenfalls in der STOrd festgelegt sind zur Aufrechterhaltung des Qualifikationsstandards notwendige Kenntnisse und Fertigkeiten zur korrekten Handhabung und Verwendung der Schusswaffe. Diese als Schießtraining bezeichnete Fortbildung ist von den Bediensteten der Schusswaffenpools mindestens einmal in einem Zeitraum von 12 Monaten zu absolvieren. Bei erfolgreichem Abschluss der vorgeschriebenen Übungen und Trainingseinheiten erhalten sie wie nach der erstmaligen Ausbildung das Prädikat „geeignet“. Es ist Voraussetzung für die - weitere - Zulassung zum Tragen und zur Verwendung von Schusswaffen. 7. Wie viele und welche Schießstätten stehen den Bediensteten des Berliner Justizvollzugs für das Schießtraining zur Verfügung, und welche Einschränkungen gibt es derzeit aufgrund von Baufälligkeit, Schadstoffbelastung oder ähnlichem? Zu 7.: Dem Berliner Justizvollzug steht zur Aus- und Fortbildung ein Schießstand an der Ruppiner Chaussee im Bezirk Reinickendorf zur Verfügung. Im November 2015 ist zur Ermittlung einer eventuellen Schadstoffbelastung eine Innenraummessung nach der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 519 vorgenommen worden, die keine Überschreitung der zulässigen Freigabekriterien für künstliche Mineralfasern ergab. Parallel dazu erfolgen seit dem 16. November 2015 Sanierungsmaßnahmen, die am 22. Januar 2016 abgeschlossen sein sollen. Im Rahmen dieser Maßnahmen wurde die gesamte Decken- und Wandverkleidung erneuert , der Fußboden durch Verfugung der Platten instandgesetzt und die Zu- und Abluftanlage gründlich gereinigt und instandgesetzt. Anschließend an diese Sofortmaßnahmen erfolgt eine umfassende Grundsanierung der Schießstandanlage durch die für bauliche Unterhaltung zuständige Berliner Immobilienmanagement GmbH. Diese Sanierungsmaßnahmen befinden sich derzeit in der Planungsphase. Berlin, den 21. Januar 2016 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Jan. 2016)