Drucksache 17 / 17 668 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Simon Kowalewski (PIRATEN) vom 04. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Januar 2016) und Antwort Verschläft der Senat das Thema vegane Ernährung? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Nachfrage nach veganem Essen in öffentlichen Einrichtungen in Berlin in den Jahren seit der letzten themenbezogenen Kleinen Anfrage (vom 31. Juli 2012, siehe Drucksache 17/10 801) entwickelt? Wie häufig werden entsprechende Mahlzeiten je nach Art der Einrichtungen nachgefragt? Welche Konsequenzen ziehen die entsprechenden Einrichtungen hieraus für das Angebot an veganen Mahlzeiten? Zu 1.: Zur Entwicklung und Häufigkeit der Nachfrage nach veganen Gerichten in Kita-Einrichtungen, Schulen, Universitäten und Krankenhäusern seit dem Jahr 2012 liegen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft keine Zahlen vor. In Kitas und Schulen im Land Berlin besteht kein veganes Mittagsangebot. Das Speisenangebot der Berliner Kitas und Schulen entspricht den aktuellen Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Die DGE stuft aktuell eine rein vegane Ernährung für Kleinkinder und Kinder als ungeeignet ein. Der Senat folgt dieser fachlichen Einschätzung. Die Qualitätsstandards berücksichtigen darüber hinaus ein umfangreiches vegetarisches Speisenangebot, dem entsprochen wird. Die Universitäten im Land Berlin bieten in der Regel ein tägliches veganes Mittagessen an. Zuarbeiten über ein veganes Speisenangebot in weiteren Einrichtungen im Land Berlin liegen der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft nicht vor. 2. Wie bewertet die Senatsverwaltung die Bereitstellung von veganen Mahlzeiten für Menschen, die sich aus Gewissensgründen, jedoch explizit nicht aufgrund einer Religion, für diese Ernährungsform entscheiden? Zu 2.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft erkennt grundsätzlich die Berücksichtigung von ethischen Aspekten bei der Bereitstellung des Speisenangebots an. Daraus ist aber kein Anspruch auf ein veganes Mittagessen abzuleiten. Des Weiteren ist mit der Nichtbereitstellung auch kein Werturteil verbunden, dass es sich bei „Vegan“ nicht um einen ethischen Aspekt handelt. Im Rahmen der Gemeinschaftsverpflegung können oftmals nicht alle ethischen Aspekte Eingang finden. 3. Wie wird mit der Tatsache umgegangen, dass sich immer mehr Menschen vegan ernähren und deshalb in öffentlichen Einrichtungen angebotenes Essen nur dann nutzen, wenn es vegan ist? Wird diesen Menschen zeitnah eine gesunde Alternative angeboten? Ab wann steht in allen öffentlichen Einrichtungen ein veganes Angebot zur Verfügung? Zu 3.: Der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft liegen keine Erkenntnisse zum zukünftigen veganen Speisenangebot in öffentlichen Einrichtungen vor. Ihr ist bekannt, dass dort in der Regel ein tägliches vegetarisches Speisenangebot sichergestellt ist. 4. Im Kontext des unzureichenden Angebots an veganen Mahlzeiten in öffentlichen Einrichtungen hat sich gezeigt, dass die Eigenversorgung der Betroffenen für diese finanziell belastend ist. Haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich den eigen- oder fremdfinanzierten Essensanteil (staatliche Förderung in Schulen, Kitas und Gefängnissen und Krankenkassenanteil für Essen in Krankenhäusern) auszahlen zu lassen, wenn kein angemessenes Angebot verfügbar gemacht wurde? Zu 4.: In Kitas und Schulen im Land Berlin erfolgt keine Auszahlung an Eltern, die ein veganes Speisenangebot für ihr Kind/ihre Kinder selbst erstellen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 668 2 5. In der Antwort auf die Kleine Anfrage vom 31. Juli 2012 schrieben Sie: “Die Empfehlungen der DGE sehen vor, in Kindertageseinrichtungen an maximal acht Verpflegungstagen im Monat Fleisch (inkl. Wurstwaren) anzubieten. Deswegen ist die Kost in Kindertageseinrichtungen überwiegend vegetarisch.” Wie wird diese Vorgabe überprüft? Die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) hat 2014 im Rahmen einer Studie im Auftrag des BMEL bemängelt, dass in Schulen zu viel Fleisch serviert werde. Wie wird mit Einrichtungen umgegangen, die gegen die Empfehlungen der DGE verstoßen, also häufiger Fleisch (inkl. Wurstwaren) anbieten ? Zu 5.:Die betreffende Studie der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften aus dem Jahr 2014 zeigt die Ergebnisse einer bundesweiten Erhebung. Folglich geben die Ergebnisse nicht die spezifische Situation im Land Berlin wieder. Die Studie stellt heraus, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Qualitätskontrolle ein detailliertes Leistungsverzeichnis ist. Dieses liegt im Land Berlin als Vertragsgrundlage für die Anbieter der schulischen Mittagsverpflegung vor. Berlin ist daher eines der wenigen Länder , in denen systematisch eine Qualitätskontrolle stattfindet . Die Kontrolle der Häufigkeit des Fleischangebotes erfolgt durch den Abgleich der Speisepläne. Diese sind vorab dem Auftraggeber von den Anbietern vorzulegen. 6. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ist der Auffassung, dass vegane Ernährung für Kinder ungeeignet sei. In anderen Ländern wie beispielsweise Australien, Kanada oder den USA sind die zur Klärung der Gesundheit von Diäten zuständigen Träger dagegen anderer Auffassung . Nur eine der beiden Ansichten kann zutreffend sein. Welche Kenntnisse hat diesbezüglich der Senat? Warum wird dennoch der DGE-Empfehlung gefolgt? Wie begründet der Senat seine Entscheidung und auf welcher Grundlage wurde diese getroffen? Zu 6.: Der Qualitätsstandard Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gilt bundesweit als Orientierung für die Schulverpflegung. Dies erfolgt in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Vor diesem Hintergrund folgt der Senat auch der fachlichen Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, dass ein veganes Mittagessen für Kleinkinder und Kinder ungeeignet ist. 7. Schulen und Kitas stellen lediglich eine Mahlzeit pro Betreuungstag zur Verfügung. Diese eine Mahlzeit kann somit nicht ursächlich für angenommene Mangelerscheinungen sein. Hält es der Senat für angemessen, angesichts dessen die angenommene gesundheitliche Problematik für wichtiger als die sozialen Aspekte zu bewerten ? Dies ist insbesondere auch angesichts der Tatsache von Bedeutung, dass vegane Kinder bei unzureichendem Angebot in der Regel nicht zu nicht-veganen Optionen greifen, sondern auf Beilagen oder Ähnliches ausweichen müssen, was in der Regel keine ausgewogene Alternative darstellt. Zu 7.: Ein Mittagessen nach dem Qualitätsstandard Schulverpflegung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liefert in der Regel ca. 25 % bis max. 30 % der Tagesgesamtenergiemenge . Nach dem fachlichen Urteil der Deutschen Gesellschaft für Ernährung führt ein veganes Mittagessen zu einer Unterversorgung der Energiemenge. Dies hat zur Folge, dass der Minderversorgung durch die restlichen Mahlzeiten entgegengewirkt werden muss. Die Bereitstellung der übrigen Mahlzeiten liegt in der Verantwortung der Eltern. Von den Eltern kann nicht grundsätzlich erwartet werden, dass sie den Ausgleich der Minderversorgung , ausgelöst durch ein veganes Mittagsangebot , gewährleisten. 8. Vegane Kinder nehmen aufgrund des fehlenden Angebots nicht an der Gemeinschaftsverpflegung teil. Damit ist eine Ausgrenzung und Sonderstellung der betroffenen Kinder verbunden. Lässt sich vor diesem Hintergrund die fehlende Bereitstellung von veganem Essen an Schulen und Kitas rechtfertigen? Welche Hilfestellungen und Möglichkeiten gibt es für Eltern veganer Kinder, um diese Nachteile zu vermeiden? Zu 8.: Die Mitnahme eines veganen Essens von zu Hause kann jederzeit erfolgen. In Absprache mit dem jeweiligen Anbieter der Schule kann die Erwärmung der Speise ggf. in einer Mikrowelle erfolgen. 9. Können vegane und vegetarische Schüler und Lehrer im Rahmen des Koch-Unterrichts statt der Zubereitung von Fleisch geeignete Fleischersatzprodukte zubereiten , um Fertigkeiten wie Panieren, Braten, Garpunktermittlung , etc. an aus ihrer Sicht ethisch vertretbaren Produkten zu lernen bzw. zu lehren? Zu 9.: Grundsätzlich entscheiden die Schulen eigenverantwortlich , mit welcher Praxis die Themen der Ernährungsbildung im Unterricht umgesetzt werden. Aus Sicht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft bieten sich vielfältige Gelegenheiten, Fleischersatzprodukte , wie z.B. Tofu oder spezifische Getreidemischungen , zum Einsatz zu bringen. Berlin, den 18. Januar 2016 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. Jan. 2016)