Drucksache 17 / 17 684 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Vogel (CDU) vom 07. Januar 2016 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Januar 2016) und Antwort Wertevermittlung für eine erfolgreiche Integration in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Vorkommnisse (massenhafte sexuelle und kriminelle Übergriffe auf Frauen) zu Silvester in Köln und vielen anderen deutschen Städten ? Zu 1.: Der Senat verurteilt die sexualisierten Übergriffe auf Mädchen und Frauen, die in der Silvesternacht in Köln und weiteren Städten zur Anzeige gebracht wurden, entschieden. Er ist der Ansicht, dass eine umfängliche gesellschaftliche Debatte zu den Themen sexualisierte Gewalt und Selbstbestimmungsrecht von Frauen dringend erforderlich ist. Hierbei muss die Situation der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, ohne die – noch nicht vollständig ermittelten – Hintergründe von Köln zu vernachlässigen . Ein Diskurs, der sich auf die Ereignisse der Silvesternacht beschränkt, wird der Komplexität der Thematik jedoch nicht gerecht. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und der Schutz vor sexualisierten Übergriffen und Gewalttaten ist auch in Europa immer noch nicht selbstverständlich. So hat die von der Europäischen Grundrechteagentur europaweit durchgeführte Erhebung zu Gewalt gegen Frauen, die im Jahr 2014 veröffentlicht wurde, gezeigt, dass in der EU jede zehnte Frau seit ihrem 15. Lebensjahr irgend eine Form sexueller Gewalt erfahren hat und jede zwanzigste Frau Opfer einer Vergewaltigung wurde. Es ist zudem von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen setzt sich bereits seit langem für eine Verbesserung des Schutzes des sexuellen Selbstbestimmungsrechts ein. So hat Berlin gemeinsam mit Hessen im Jahr 2014 einen Umlaufbeschluss der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz (GFMK) erwirkt. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die sogenannte Istanbul- Konvention (Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) schnell zu ratifizieren und das Sexualstrafrecht dahingehend zu reformieren, dass alle Formen nicht-einverständlicher sexueller Handlungen unter Strafe gestellt werden und somit bereits ein „Nein“ als explizites Nicht-Einverständnis ausreichen muss, um dennoch vorgenommene sexuelle Handlungen unter Strafe zu stellen. Nach derzeitiger Rechtslage hängt die Strafbarkeit einer sexuellen Nötigung beispielsweise davon ab, dass die Frau sich wehrt oder um Hilfe ruft und der Täter ihre Ablehnung mit Zwangsmitteln wie Gewalt oder Drohungen überwindet. Das Bundesjustizministerium hat kürzlich einen Referentenentwurf zur Reform des Sexualstrafrechts vorgelegt, zu dem die Länder jetzt Stellung nehmen können. 2. Welche Maßnahmen ergreift der Senat um sicher zu stellen, dass den angekommenen Flüchtlingen gleich nach ihrer Ankunft in den Bezirken einheitlich unser Wertesystem vermittelt wird? 3. Welche Kenntnisse über das Grundgesetz erhalten die Flüchtlinge? Zu 2. und 3: Der Senat ist darum bemüht, kurzfristig nach der Einreise den Geflüchteten Möglichkeiten der Integration zu bieten. Über den Zugang zur und die Verbindung mit der Aufnahmegesellschaft (insbesondere Kita, Schulbildung, Deutschkurs, je nachdem Zugang zu Ausbildung und Arbeit, Beratungsangebote) werden die Regeln und Gesetze, die in Deutschland gelten indirekt vermittelt. Geflüchtete aus Syrien, dem Irak, Iran und Eritrea haben (sofern kein Dublin-Verfahren eingeleitet wird) zudem Zugang zum bundesfinanzierten Integrationskurs , der ein Modul von 60 Stunden zur Orientierung in der deutschen Gesellschaft enthält. Wesentliche Themen im Orientierungskurs sind die deutsche Rechtsordnung , Geschichte und Kultur sowie Werte, die in Deutschland wichtig sind, zum Beispiel Religionsfreiheit, Toleranz und Gleichberechtigung. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 17 684 2 4. Wird schwerpunktmäßig auch die Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland thematisiert und was wird dazu vermittelt und wenn nicht, warum nicht? Zu 4.: Zentrale Aspekte der Gleichstellungspolitik des Berliner Senats sind der Zugang von Frauen zu Bildung und zum Arbeitsmarkt sowie das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben frei von Gewalt. Selbstverständlich gilt dies auch für geflüchtete Frauen, daher kommt diesen Zielen auch in der Politik der Integration von Flüchtlingen in Berlin eine große Bedeutung zu. Beispielhaft seien hier die „10 Punkte zur Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen“, die u.a. die spezifische Situation von Frauen berücksichtigen, und die in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 17/17580 „Schutzkonzepte für geflüchtete Frauen – Zugang zu Schutz- und Beratungsangeboten für Frauen“ beschriebenen Maßnahmen zum Schutz geflüchteter Frauen vor Gewalt erwähnt. 5. Erhalten die Flüchtlinge Kenntnisse über die persönlichen Folgen bei Verstößen gegen die deutsche Rechtsordnung? Zu 5.: Flüchtlinge erhalten nicht explizit, sondern mittelbar durch die Einbeziehung in die Aufnahmegesellschaft entsprechende Kenntnisse. Bezüglich des Zugangs zum Integrationskurs s. oben. 6. Wie bewertet der Senat den Erfolg der bisherigen Bemühungen um Wertevermittlung? Zu 6.: Ein Erfolg der Integration (die die Einhaltung der Gesetze beinhaltet) kann in der aktuellen Phase der Flüchtlingsaufnahme und -versorgung, die das Land Berlin vor erhebliche Herausforderungen stellt, nicht gemessen werden. 7. Wie viele Flüchtlinge absolut und prozentual haben bisher an Integrationsmaßnahmen teilgenommen oder nehmen derzeit teil, bitte aufgeschlüsselt nach Bezirken? zu 7.: Derzeit werden in Berlin zahlreiche landes- und bundesfinanzierte Integrationsmaßnahmen sowie viele Angebote der Zivilgesellschaft unter tatkräftiger Mitwirkung ehrenamtlicher Strukturen durchgeführt und von den Geflüchteten angenommen. Die Grundkonzeption und Darstellung der Integrationsmaßnahmen für Geflüchtete ist dem „Versorgungs- und Integrationskonzept für Asylbegehrende und Flüchtlinge“ des Senats vom 11.08.2015 zu entnehmen. Die Maßnahmen sind fortzuschreiben und weiterzuentwickeln, zu diesem Zweck plant der Senat, bis März 2016 einen „Masterplan Integration und Sicherheit“ auf den Weg zu bringen. Eine statistische Erhebung der Teilnahme der Geflüchteten an den vielfältigen Integrationsmaßnahmen erfolgt nicht. 8. Um welche Integrationsmaßnahmen handelt es sich konkret? Zu 8.: Es handelt sich um ein breites Feld von Maßnahmen , das z.B. Deutschkurse und Projekte zur Arbeitsmarktintegration sowie andere Bildungsangebote, aber auch Sportangebote, Kulturprojekte und andere Freizeitoder Beratungsangebote umfasst. Berlin, den 21. Januar 2016 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Jan. 2016)